Die Gemeinde Gaiberg plante ein 3 ha großes Neubaugebiet auf einer ehemaligen Streuobstwiese am südwestlichen Ortsrand. Der Bebauungsplan „Oberer Kittel/Wüstes Stück“ wurde im beschleunigten Verfahren nach §13b Baugesetzbuch (BauGB) zugelassen.
Aufgrund der Umweltauswirkungen klagte der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und stoppte damit die Bebauung. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2023 ist der Bebauungsplan unwirksam, denn er ist nicht mit europäischem Recht vereinbar.
§13b wurde mit dem Baulandmobilisierungsgesetz vom 07. Mai 2021 befristet wieder eingeführt. Mit dem Gesetz hat der Bundestag den Wohnungsbau erleichtert, aber nicht den Stallbau. Bis Ende 2022 konnten Bebauungspläne im beschleunigten Verfahren nach §13b beantragt werden.
§13b BauGB verstößt gegen EU-Recht
Es liege ein Verfahrensfehler vor, begründete das Gericht seine Entscheidung. Der Bebauungsplan sei zu Unrecht im beschleunigten Verfahren zugelassen worden. Deutschland habe die europäische Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung (SUP) in §13b fehlerhaft umgesetzt. Der Bebauungsplan sei folglich unwirksam.
Die SUP-Richtlinie schreibt eine Umweltprüfung der Bebauungspläne vor. Ob voraussichtlich Umweltauswirkungen zu erwarten sind, prüft Deutschland für beschleunigte Bauverfahren nach §13b im Rahmen einer Artfestlegung.
Diese gewährleiste aber laut Bundesverwaltungsgericht nicht, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vorneherein ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber dürfe hier nicht pauschalisieren. Die Tatbestandsvoraussetzungen in §13b (Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzen, Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil) seien nicht geeignet, diese Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vorneherein auszuschließen.
Die Gemeinde hätte eine Umweltprüfung durchführen, einen Umweltbericht erstellen und diesen der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen, lautet das Urteil.
Weil das Unionsrecht Vorrang vor deutschem Recht hat, dürfen bestehende Bebauungspläne nach §13b BauGB jetzt nicht mehr fortgeführt werden.
Bremst das Urteil den Flächenfraß?
Das Urteil könnte eine deutschlandweite Wirkung haben. Alle Bebauungsverfahren, die bis Ende 2022 nach §13b genehmigt wurden und aktuell laufen, sind damit gestoppt.
Der den BUND vertretende Rechtsanwalt Dirk Teßmer sagt dazu: „Das Urteil geht in seiner Bedeutung weit über den konkreten Fall hinaus. Da § 13b BauGB für europarechtswidrig befunden wurde, gilt das – deutschlandweit – auch für alle anderen Bebauungspläne, die im Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellt wurden.“
Die Regionalgeschäftsführerin des BUND Rhein-Neckar-Odenwald, Dr. Bianca Räpple, hofft, „dass Bebauung nunmehr endlich verstärkt im Innenbereich der Kommunen stattfindet und nicht mehr weiter auf der grünen Wiese unter Verlust wertvoller natürlicher Lebensräume“.
Auch der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) begrüßt das Urteil. Die Vorschrift habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass in Ortsrandlagen gute landwirtschaftliche Flächen relativ problemlos überplant und der Produktion entzogen worden seien. Künftig müsse für solche Planungsvorhaben der Weg über den normalen Bebauungsplan beschritten werden, bei dem dann auch die Belange des Flächenverlustes und der Landwirtschaft eine stärkere Berücksichtigung finden, stellte der BLHV fest.
Das Urteil wende sich eindeutig gegen den ungebremsten Flächenverbrauch, schreibt Michael Nödl vom BLHV. Die Entscheidung bedeute zudem erheblichen Rückenwind für den derzeit laufenden Volksantrag gegen Flächenfraß „Ländle leben lassen“, der auch vom BLHV mitgetragen wird. Der BLHV fordert: „Dieses Signal muss jetzt auch von der Politik aufgenommen werden.“
Urteil bedeutet keinen völligen Baustopp in Gaiberg
Zwar dürfen in Gaiberg vorerst keine neuen Häuser gebaut werden, denn dafür benötigt die Gemeinde einen neuen Bebauungsplan und eine Genehmigung. Trotzdem stehen die Bagger nicht still. Angefangene Häuser werden weitergebaut und fertig gebaute Häuser bleiben stehen. „Im schlimmsten Fall kann es zu Verzögerungen kommen“ sagt Jürgen Behren, Fachanwalt für öffentliches und privates Baurecht und Anwalt der die Gemeinde Gaiberg gegenüber dem SWR.
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