Nach dem Urteil der Karlsruher Richter sind die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den „alten“ Bundesländern seit Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Das Festhalten am Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führe zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gebe.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat daher bestimmt, dass der Gesetzgeber spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen sie für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden.
Mehrere Klagen und Beschwerden gegen veraltete Bewertung
Einheitswerte für Grundbesitz werden nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes in den „alten“ Bundesländern noch heute auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 ermittelt. Diese Einheitswerte bilden die Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer.
Gegen diese Regelung lagen dem BVG drei Vorlagen des Bundesfinanzhofs und zwei Verfassungsbeschwerden vor. Die Kläger beziehungsweise Beschwerdeführer sind Eigentümer von bebauten Grundstücken in verschiedenen Bundesländern im Westen. Sie waren vor den Finanzgerichten gegen die Festsetzung des Einheitswertes ihrer Grundstücke vorgegangen.
Einheitswerte wurden nie aktualisiert
Das System der Einheitsbewertung für Grundbesitz beruht ursprünglich darauf, dass gemäß dem Bewertungsgesetz alle sechs Jahre für bebaute und unbebaute Grundstücke eine allgemeine Wertfeststellung (Hauptfeststellung) stattfindet.
Dieser Bewertungsrhythmus wurde jedoch nie aufgenommen. Stattdessen blieben die alten Einheitswerte stets in Gebrauch. Das führte nach Auffassung der Richter in zunehmendem Maße zu Wertverzerrungen innerhalb des Grundvermögens.
Lange Übergangsfrist wegen hohem Aufwand
Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Auf sie entfallen ca. 20 % aller Gemeindesteuern. Die Grundsteuer A besteuert land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die Grundsteuer B unbebaute und bebaute Grundstücke. Die Kommunen nehmen über die Grundsteuer jährlich rund 14 Milliarden Euro ein.
Die große Koalition hat nun Zeit bis Ende 2019, eine neue, verfassungsgemäße Bewertung für die Berechnung der Grundsteuer festzulegen. Sie kann sich dabei auf Vorarbeiten aus der vergangenen Legislaturperiode stützen. Allerdings konnten sich die Regierungsparteien bislang nicht auf eines der verschiedenen diskutierten Bewertungsmodelle einigen.
Sobald der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen hat, dürfen die beanstandeten Bewertungsregeln noch für weitere fünf Jahre fortgelten, höchstens aber bis zum 31. Dezember 2024. Die lange Übergangsfrist begründet der Erste Senat mit dem außergewöhnlichen Aufwand für eine bundesweite Neubewertung aller Grundstücke.
Es wird Gewinner und Verlierer geben
Ernst Gossert, Steuerberater bei Ecovis in München, geht davon aus, dass es selbst dann, wenn die Bundesregierung bei ihrer Aussage bleibt, die Grundsteuerreform aufkommensneutral zu gestalten, Gewinner und Verlierer geben wird.
"Die Wertverhältnisse haben sich seit 1964 nicht gleichmäßig nach oben entwickelt. Die erforderliche Neuregelung der Grundsteuer und die Neubewertung werden daher zu abweichenden Ergebnisse führen, die selbst eine aufkommensneutrale Reform im Einzelfall nicht heilen kann. Die Land- und Forstwirtschaft kann hier ein möglicher Verlierer sein", so Gossert gegenüber agrarheute.com. Es werde Aufgabe der Verbände sein, dies im Gesetzgebungsverfahren zu verhindern.
Besteuerung der Wohngebäude wird sich ändern
Der Geschäftsführer der PARTA Buchstelle in Bonn, Ralf Stephany, sieht die Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe durch das BVG-Urteil gestützt.
„Der Boden ist in Deutschland realitätsnah bewertet durch die detaillierten Bodenschätzungen, die flächendeckend vorliegen und aktuell gehalten werden“, erläuterte Stephany gegenüber agrarheute.com.
Bestandteil des Wirtschaftswerts land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ist die Ertragsfähigkeit des Bodens, wobei Zu- und Abschläge auch die stehenden und umlaufenden Wirtschaftsgüter, wie Maschinen, stehende Ernte oder auch die Wirtschaftsgebäude abgelten. Damit sei nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch die Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe für die Grundsteuer neu regeln müsse, so Stephany.
Allerdings bleibe die Landwirtschaft von dem Karlsruher Urteil nicht ganz ausgespart. „Die Bewertung der Wohngebäude wird sich für Landwirte ändern, genauso wie für alle anderen Immobilienbesitzer auch“, erwartet Stephany.
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