Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dürfen für Milch und Milchprodukte zwar grundsätzlich eine verpflichtende nationale Ursprungsangabe vorschreiben. Das ist aber nur erlaubt, wenn zwischen der Qualität des Lebensmittels und seiner Herkunft nachweislich eine Verbindung besteht. Das hat die Dritte Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) heute entschieden (Urteil C-485/18).
Das Gericht folgte damit im Wesentlichen EuGH-Generalanwalt Gerard Hogan. Er hatte die verpflichtende Angabe des Ursprungslands Ende Juli in seinem Schlussantrag als nicht EU-konform eingeschätzt.
Die Luxemburger Richter schieben mir ihrem Urteil zunehmend nationalen Tendenzen einiger Mitgliedstaaten bei der Lebensmittelkennzeichnung einen Riegel vor.
Lactalis klagt erfolgreich gegen den französischen Staat
In dem Rechtsstreit hatte die französische Molkereigruppe Lactalis vor dem französischen Staatsrat gegen ein Dekret der eigenen Regierung geklagt. Mit dem Dekret hatte die Regierung im Januar 2017 die Pflicht eingeführt, dass Milch und Milchprodukte auf dem Etikett mit dem Ursprungsland der Milch zu kennzeichnen sind. Statt dem Land darf die Angabe auch „Ursprung: EU“ oder „Ursprung: Nicht-EU“ lauten. Importierte Erzeugnisse sind von der Regelung ausgenommen.
Nach Auffassung von Lactalis verstößt diese nationale Vorschrift aber gegen die EU-Verordnung zur Lebensmittelinformation (LMIV), weil die Verordnung klare Anforderungen an eine harmonisierte Kennzeichnung von Lebensmitteln in der EU stellt. Der französische Staatsrat hatte die Klage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Qualität und Ursprung müssen nachweislich in Verbindung stehen
Der EuGH stellte nun fest, dass die Harmonisierung durch die LMIV es den Mitgliedstaaten zwar nicht verwehrt, zusätzliche verpflichtende Ursprungs- oder Herkunftsangaben vorzuschreiben. Dafür gelten aber zwei Voraussetzungen:
- Zwischen bestimmten Qualitäten des Produkts und seinem Ursprung muss nachweislich eine Verbindung bestehen.
- Die Mehrheit der Verbraucher muss der Information eine wesentliche Bedeutung beimessen.
Nur wenn beide Bedingungen nacheinander geprüft wurden und erfüllt sind, darf die Ursprungsangabe vorgeschrieben werden. Es reicht nicht, sich allein auf subjektive Kriterien zu stützen. Auch genügt es nicht, zur Begründung auf eine leichte Verderblichkeit des Lebensmittels oder eingeschränkte Transportfähigkeit hinzuweisen.
MIV: Frankreich muss nationales Dekret aufheben
Nach Einschätzung des Milchindustrie-Verbandes (MIV) muss das angerufene oberste französische Verwaltungsgericht das nationale Dekret nun aufheben.
„Eine Rechtfertigung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung allein mit dem Wunsch der französischen Verbraucher, die Herkunft des Lebensmittels zu wissen, ist nach diesem Urteil ausgeschlossen“, sagte MIV-Justitiar Dr. Jörg Rieke gegenüber agrarheute.
Tendenz zum Konsumnationalismus
Das Urteil hat grundlegende Bedeutung. Ursprünglich hatte die EU-Kommission die französische Regelung nur im Rahmen einer zweijährigen Testphase genehmigt. Die Regierung in Frankreich hatte die Geltungsdauer aber einseitig verlängert, ohne dass die Kommission eingeschritten wäre. Mittlerweile haben neben Frankreich sieben weitere Mitgliedstaaten, darunter Italien, Spanien und Portugal, verpflichtende nationale Ursprungsangaben eingeführt.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte darum zuletzt Anfang September auf dem EU-Agrarministerrat in Koblenz vor einem überbordenden Konsumnationalismus gewarnt. Der Urteilsspruch der Luxemburger Richter setzt diesen Tendenzen nun Grenzen.
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