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Die neue Grundsteuer

Grundsteuer: Klagewelle wegen falscher Bescheide und höherer Steuer

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am Samstag, 22.04.2023 - 06:00 (Jetzt kommentieren)

Gegen die neue Grundsteuer erheben hunderttausende Hausbesitzer Einspruch. Ein Gutachten gibt den Klägern Recht. Zwei Verbände unterstützen die Hausbesitzer juristisch. Dabei geht es vor allem um den Bodenrichtwert und kräftig steigende Grundsteuern.

Grundsteuer.

Rund 50.000 Einsprüche gegen die Grundsteuer-Bescheide hat es nach Angaben des Thüringer Finanzministeriums allein in Thüringen gegeben, berichtet der MDR. In Sachsen ist die Zahl der Einsprüche gegen die Grundsteuer-Erklärung ähnlich hoch. Und auch in anderen Bundesländern rollt eine massive Klagewelle.

Laut Bund der Steuerzahler wird der Einspruch deshalb erhoben, weil die Grundstücksbesitzer die neu berechneten Bodenrichtwerte anzweifeln - oder weil sich die Grundsteuer laut Finanzamt-Bescheid deutlich erhöhen würde. In solchen Fällen hält es der Steuerzahlerbund für ratsam, Einspruch einzulegen. Dabei handele es sich zunächst „nur“ um die sogenannte Grundsteuerwert- bzw. Grundsteuermessbetragsbescheide, teilte das Thüringer Finanzministerium mit.

Die endgültige Höhe der Grundsteuer wird von den Kommunen nämlich über die so genannten Hebesätze erst noch festgelegt. Die Einsprüche der Grund- und Hausbesitzer werden - wenn bestimmte Vorgaben erfüllt sind - jedoch von der Bearbeitung zurückgestellt, bis ein Verfahren am Finanzgericht oder einer höheren Instanz entschieden hat, sagt der Bund der Steuerzahler.

Unterstützung erhält der Steuerzahlerbund von Prof. Gregor Kirchhof, der an der Universität Augsburg den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht innehat. Kirchhof sagt in einem Gutachten: Die Grundsteuer ist in den elf Bundesländern, die mit dem sogenannten Bundesmodell arbeiten, verfassungswidrig.

„Bei uns laufen die Drähte heiß“, sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes Reiner Holznagel bei der Vorstellung des Gutachtens. Alle Betroffenen sollten sich überlegen, ob sie Einspruch einlegen. Sein Rat ist eindeutig: "Ja, sie sollten es sicherheitshalber tun. Andernfalls drohe der Bescheid des Finanzamts rechtskräftig zu werden".

Bundesmodell verfassungswidrig und mit hohen Mehrkosten

Der Präsident des Verbandes Haus & Grund Deutschland Kai Warnecke sagte, die Menschen seien irritiert, weil die Bescheide keine Rückschlüsse zuließen, wie hoch die Belastung sein werde. Der Bodenrichtwert komme ihnen irreal vor, und die festgesetzte Steuer habe wenig mit der Realität zu tun. Holznagel und Wernecke appellierten an die Länder, die dass Bundesmodell anwenden, selbst zügig ein einfaches Grundsteuergesetz zu erlassen, damit die Kommunen auf der sicheren Seite seien. Die notwendigen Daten lägen vor.

Das sogenannte Bundesmodell, wurde schon vor dem Kirchhofgutachten von Steuerexperten als besonders kompliziert kritisiert. Das Bundesmodell gilt derzeit in elf Bundesländern: dazu gehören Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie in leicht abgeänderter Form im Saarland und in Sachsen. In den restlichen Bundesländern gelten jeweils eigene Grundsteuergesetze.

Das Gutachten nennt eine Reihen von Punkten, die das Grundsteuergesetz rechtswidrig machen. Den Bodenrichtwert hält Kirchhof für besonders problematisch, weil die Werte „systematische Bewertungsmängel“ aufwiesen und „zuweilen kaum vergleichbar“ seien. Der Wert basiert auf den Grundstückskaufpreisen einer Gemeinde und der statistischen Nettokaltmiete. Das Gutachten sieht deshalb die Gefahr, dass durch die strikte Anwendung des Bodenrichtwerts der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt wird.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die möglichen Mehrkosten (höhere Grundsteuer) für die Grundstückseigentümer. „Zwar steht die endgültige Grundsteuerlast erst fest, wenn die Gemeinden über die Hebesätze entschieden haben“, heißt es in dem Gutachten. „Doch werden die strukturell zu hohen Bewertungen von Immobilien aufgrund fehlerhafter Bodenrichtwerte oder pauschaler Nettokaltmieten angesichts des Alters von Immobilien, von Restnutzungsdauern oder von nicht berücksichtigten wertmindernden Faktoren verfassungswidrige Überbelastungen bewirken.“

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