Die Europäische Kommission treibt das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen einer unzureichenden Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie voran. Nachdem die Kommission bereits im April dieses Jahres einen Klagebeschluss gefasst hatte, hat sie zu Beginn der vergangenen Woche die 1.500 Seiten umfassende Klageschrift beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht.
Der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Wilhelm Priesmeier, wertete die Einreichung der Klageschrift als unmissverständliches Signal, "dass Deutschland die Novelle des Düngerechts nicht bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben kann". Die Bundesregierung habe gegenüber der EU-Kommission bislang nicht ausreichend begründen können, "warum beispielsweise mehr gedüngt werden darf, als die Pflanze an Nährstoffen benötigt", führt Priesmeier aus.
Düngeverordnung: Kommission fehlt wissenschaftlich fundierte Begründung
Noch gravierender sei, dass die Kommission dem Bundeslandwirtschaftsministerium "ein bloßes Spiel von Begrifflichkeiten" vorwerfe, um von den Tatsachen abzulenken. Neu sei auch der Vorwurf, es fehle in der Düngeverordnung an einer fundierten wissenschaftlichen Begründung. Der SPD-Politiker sieht darin "eine rote Karte für das Bundeslandwirtschaftsministerium". Es sei naiv zu glauben, man könne Brüssel "am Nasenring durch die Manege führen".
Die Klageschrift bestätige die SPD-Forderung nach einem Düngerecht, "bei dem sich alle ehrlich machen müssen", betonte Priesmeier. Daher führe an einer flächenbezogenen Gesamtbilanz für alle Betriebe nach Sicht Priesmeiers kein Weg vorbei. Außerdem müssten alle noch vorhandenen Schlupflöcher geschlossen werden. "Andernfalls werden EU-Kommission und EuGH das gesamte Düngerecht wieder kassieren und die Bundesregierung muss von vorne anfangen", warnte der SPD-Politiker.
Der Unterschied werde dann allerdings sein, "dass die Gerichte uns alles diktieren werden und Landwirtschaft gegebenenfalls in einigen Regionen verbietet".
Derzeit laufen 16 Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland
Unterdessen teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen mit, dass derzeit zwölf Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen nicht ordnungsgemäß umgesetzter Richtlinien im Umweltbereich anhängig seien. Hinzu kämen vier Vertragsverletzungsverfahren, die die Brüsseler Administration eingeleitet habe, weil Deutschland EU-Richtlinien nicht fristgerecht umgesetzt habe.
Aktuell drohen den Angaben zufolge allerdings keine finanziellen Sanktionen. Finanzielle Sanktionen seien erst dann möglich, wenn gegen Deutschland ein Ersturteil in einem Vertragsverletzungsverfahren vorliege und die Bundesregierung einem solchen Urteil nicht nachkomme, heißt er weiter in der Antwort. Anschließend müsse die Kommission ein verkürztes weiteres Verfahren einleiten und erneut den Europäischen Gerichtshof anrufen.
Das droht bei einem Zwangsgeldverfahren
In einem solchen Zwangsgeldverfahren könnten dann entweder ein Pauschalbetrag in Abhängigkeit von der Schwere des Verstoßes von 11,7 Millionen (Mio.) Euro bis 34,9 Mio. Euro angesetzt werden oder aber ein Zwangsgeld. Das belaufe sich dann auf 14.100 Euro bis 848.000 Euro pro Tag für die Zeit der Verkündung des Zwangsgeldurteils bis zur Abstellung des Verstoßes.
Im Zusammenhang mit dem Vertragsverletzungsverfahren wegen Nicht-Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie verweist die Regierung auf die derzeit laufende Überarbeitung des Düngerechts. Die Novellierung des Düngegesetzes und der Düngeverordnung wolle man Anfang 2017 dem Bundesrat zuleiten.
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