Schon das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im September war ein Schock für alle Arbeitgeber. Mit seinem Richterspruch (1 ABR 22/21) stellte der Erste Senat des höchsten Arbeitsgerichts fest, dass Arbeitgeber die Arbeitszeiten und Überstunden ihrer Mitarbeiter erfassen müssen.
Wie das zu geschehen hat, blieb zunächst offen. Die Arbeitgeberverbände hofften auf Klärung der Details durch die schriftliche Urteilsbegründung. Die liegt nun seit wenigen Tagen vor – lässt aber weiterhin vieles ungeregelt.
Klar sagt das Gericht allerdings unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dass die Zeiterfassung nicht zwingend elektronisch erfolgen muss. Vielmehr können je nach Tätigkeit und Unternehmen auch Aufzeichnungen in Papierform genügen.
Die Aufzeichnung der Arbeitszeit darf auch auf die Mitarbeiter delegiert werden. Was jedoch nicht ausreicht, ist ein System der Arbeitszeiterfassung bereit zu halten, ohne es anzuwenden. Es muss genutzt werden, und die erfassten Arbeitszeiten und Überstunden müssen aufgezeichnet und auswertbar sein.
Unternehmer sollten die Arbeitszeiten unbedingt aufzeichnen
Der Gesamtverband der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) rät seinen Mitgliedern dringend, der höchstrichterlich festgestellten Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeiten nachzukommen. Das bestätigte GLFA-Hauptgeschäftsführerin Nicole Spieß gegenüber agrarheute.
Ein Landwirt, der Fremdarbeitskräfte beschäftigt und deren Arbeitszeiten nicht erfasst, geht ein hohes Risiko ein: Nach dem jüngsten BAG-Urteil dürfe ein Mitarbeiter bei einem Rechtsstreit über geleistete Arbeitszeiten und Überstunden vor dem Arbeitsgericht deutlich bessere Erfolgsaussichten haben als der Arbeitgeber, der seiner Aufzeichnungspflicht nicht nachgekommen ist.
Arbeitsminister Heil will gesetzliche Regelung vorschlagen
Wegen der vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im ersten Quartal 2023 nun einen Gesetzentwurf vorlegen. Es wäre der zweite Anlauf der Ampel-Koalition, nachdem ein erster Versuch im Januar scheiterte.
Die Arbeitgeber hoffen, dass mit dem Gesetz die technischen Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung geklärt werden. Dem Vernehmen nach soll das Bundesfinanzministerium weiterhin auf einer elektronischen Erfassung bestehen. Das würde für Kleinbetriebe wie zum Beispiel Landwirte mit wenigen Angestellten oder mit zahlreichen Saisonarbeitskräften allerdings einen erheblichen Kostenfaktor darstellen. Somit wird es darauf ankommen, welche Erleichterungen das neue Gesetz möglicherweise für kleinere Unternehmen und bestimmte Branchen vorsieht.
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