Mitte Januar hat das Bundeskartellamt mehrere Großhändler von Pflanzenschutzmitteln wegen unerlaubter Preisabsprachen zu Bußgeldern von insgesamt rund 155 Mio. Euro verdonnert. Grundsätzlich eröffnet die Entscheidung Landwirten die Möglichkeit, bei den Kartellanten wie Agravis und BayWa Schadenersatz für überhöhte Pflanzenschutzmittelpreise einzuklagen. Aber wie kann das in der Praxis gelingen?
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat die Lage rechtlich überprüft. Das vorläufige Ergebnis: „Es spricht vieles für eine gebündelte Vertretung klagewilliger Landwirte, um Kosteneffizienz und überschaubares Prozessrisiko zu gewährleisten“, sagt DBV-Sprecher Axel Finkenwirth gegenüber agrarheute.
Der Fallbericht des Kartellamtes liegt noch nicht vor
Allerdings gibt es noch ein Problem: „Für eine abschließende Bewertung brauchen wir den offiziellen Fallbericht“, erläutert Finkenwirth.
Den Fallbericht hat das Bundeskartellamt aber noch nicht vorgelegt. Darin werden üblicherweise die festgestellten illegalen Praktiken detailliert beschrieben. Das Verfahren gegen ein vermutlich an dem Kartell beteiligtes Unternehmen läuft aber noch, wie ein Sprecher der Bonner Wettbewerbsbehörde erläuterte. Darum kann der Fallbericht vorerst nicht abgeschlossen werden.
Die Landesbauernverbände sind informiert und beraten
Der DBV hat die Landesbauernverbände über die Ergebnisse seiner vorläufigen rechtlichen Prüfung der Schadenersatzansprüche informiert. Die Landesverbände sollen potenziell geschädigte Landwirte auf dieser Grundlage beraten.
„Letztendlich muss jeder Landwirt die Entscheidung treffen, ob er Schadensersatzansprüche gegenüber einem Kartellanten als Gesamtschuldner gerichtlich geltend macht“, erläutert der DBV-Sprecher. Aus den Erfahrungen bisheriger Schadensersatzverfahren sei klar, dass die Hürden für die Geschädigten zur Erlangung von Schadensersatz relativ hoch seien.
Eine besondere Herausforderung besteht im Nachweis des tatsächlichen Schadens im Einzelfall. Üblicherweise müssten die überhöhten Preise durch ein ökonomisches Gutachten nachgewiesen werden. Ein solches Gutachten ist allerdings teuer, sodass sich eine gebündelte Durchsetzung der Schadenersatzforderungen anbietet.
Anwalt sieht den Bauernverband in einer Schlüsselrolle
Der Bauernverband könnte bei der Bündelung der Klagen eine Schlüsselrolle übernehmen. Wie der Rechtsanwalt Dr. Frederik Wiemer von der Kanzlei Heuking, Hamburg, gegenüber agrarheute erklärte, ist im deutschen Rechtssystem am erfolgversprechendsten, wenn die Landwirte ihre Schadenersatzansprüche gebündelt an eine Non-Profit-Organisation abtreten.
Nach einem aktuellen Urteil des Landgerichts München sind Konstruktionen, bei denen gewinnorientierte Dienstleister die Schadenersatzforderungen zu Massenklagen bündeln, nämlich nicht mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vereinbar. Vor diesem Hintergrund kommt aus Sicht von Wiemer im Fall des Pflanzenschutzmittelkartells nur eine Non-Profit-Organisation wie ein Verband in Frage, um die Ansprüche der Landwirte zu bündeln.
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