Mit deutlichen Worten zielt das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Az. 2 B 290/22) auf ein Umdenken in der Gesellschaft ab, das die Herausforderungen der heutigen Zeit erfordern. Neue Gesetze haben den Weg bereits geebnet, in der Praxis ist die Verschiebung von Prioritäten noch ungewohnt.
Welche Bedeutung den erneuerbaren Energien jetzt zukommt, zeigt sich zunehmend in der Rechtsprechung. So entschied bereits das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern im Februar nicht im Sinne des Denkmalschutzes, sondern im Sinne einer neuen Windkraftanlage.
Das VG Braunschweig verhinderte nun den Rückbau einer PV-Anlage auf einem denkmalgeschützten Wohnhaus. Dabei waren die Ausgangsbedingungen für den Eigentümer schwierig.
PV-Anlage auf spätgotischer Kemenate in UNESCO-Erbe
Auf seinem Wohnhaus hatte der Eigentümer eine PV-Anlage installiert, ohne vorher eine denkmalrechtliche Genehmigung eingeholt zu haben. Bei dem Wohnhaus handle es sich um eine spätgotische Kemenate, heißt es im Urteil. In der niedersächsischen Denkmalliste sei es als Einzeldenkmal aufgelistet. Aus Sicht der Denkmalschutzbehörde sei das Wohnhaus Teil einer historischen Dachlandschaft in einem UNESCO-Weltkulturerbe. Die PV-Anlage wirke darin wie ein Fremdkörper.
Noch bevor die Installation der PV-Anlage abgeschlossen war, habe die Denkmalschutzbehörde sich mit einem Schreiben an den Eigentümer gewandt und ihn aufgefordert, die Bauarbeiten einzustellen. Zwei Monate später ordnete die Behörde den sofortigen, rückstandslosen Rückbau der PV-Anlage an. Bei Nichtbeachtung drohte dem Eigentümer ein Zwangsgeld von 5.000 Euro. Außerdem sollte das Dach wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden – diese Anordnung sollte bei Nichterfüllung weitere 2.500 Euro kosten. Dagegen wehrte sich der Wohnhausbesitzer.
Kläger bekommt trotz fehlender Genehmigung der PV-Anlage Recht
Den geforderten Rückbau der PV-Anlage sah das VG Braunschweig als unverhältnismäßig an, obwohl die Installation der Anlage formell illegal war. Der rechtmäßige Zustand hätte nach Auffassung des Gerichts durch eine nachträgliche Erteilung der Genehmigung erreicht werden können. Auf diese Weise werde außerdem eine kostenintensive Zerstörung von Sachwerten vermieden. Die Behörde hätte auf eine Nutzungsuntersagung als milderes Mittel zurückgreifen sollen.
Darüber hinaus sei eine Anordnung zum Rückbau auch dann unverhältnismäßig, wenn an der Genehmigung des Vorhabens nicht gezweifelt werden muss und sie nur Formsache ist. Damit sind Fälle gemeint, in denen die Behörde nach Aktenlage entscheiden kann und keine weiteren Prüfungen vornehmen muss. Eine Entscheidung nach Aktenlage sei hier möglich gewesen. Detaillierte Kenntnisse der Örtlichkeit haben laut Urteil in diesem Einzelfall vorgelegen.
Denkmalschutzrecht darf keine praktischen Kompromisse verhindern
Zusätzlich weist das Gericht darauf hin, dass die Auslegung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes (NDSchG) nicht nur die denkmalfachliche Bewertung berücksichtigen darf. Es müssten darüber hinaus die Interessen des Eigentümers und die Wertigkeit des Gebäudes einfließen. Praktische Kompromisse sollten also nicht verhindert werden.
Das NDSchG sehe vor, dass ein Kulturdenkmal verändert werden kann, wenn die nachhaltige energetische Verbesserung des Denkmals wichtiger als das öffentliche Interesse an dessen Erhaltung erscheint. Wenn das äußere Erscheinungsbild reversibel ist und nur geringfügig in die Substanz eingegriffen wird, treffe dieser Grundsatz zu. Im vorliegenden Fall sei – wie bei Aufdach-Montagen üblich – kein größerer Eingriff notwendig gewesen. Auch habe der Kläger die repräsentative Frontseite des Gebäudes nicht verändert und dadurch das öffentliche Interesse berührt.
Hinzu komme, dass nach aktueller Rechtslage auch denkmalgeschützte Gebäude einen Beitrag zum Klimaschutz leisten sollen.
Gericht nimmt Gefahr für den Denkmalschutz durch PV-Anlagen in Kauf
Im Urteil erklärt das Gericht, dass ihm eine abstrakte Gefahr für den Denkmalschutz bewusst sei. Das sei im Interesse der Förderung erneuerbarer Energien aber in Kauf zu nehmen. An dieser Stelle weist das VG Braunschweig auf die staatlichen Ziele zum Klimaschutz sowie auf die zuletzt erfolgten Gesetzesänderungen hin, mit denen die Ziele erreicht werden sollen.
Nach Einschätzung der Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft handelt es sich um ein wegweisendes Urteil. Die Schwelle für Denkmalschutzbehörden, Rückbauanordnungen für Photovoltaikanlagen zu erlassen, werde wegen der aktuellen Gesetzesänderungen immer höher. Denkmalschutzeigentümern in Niedersachsen raten die Anwälte, das unbedingt auszunutzen.
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