Insgesamt vier Menschen sind aufgrund einer Infektion mit Listerien erkrankt, sagte eine Sprecherin des hessischen Verbraucherschutzministeriums am Ostersonntag. Ausgangspunkt soll ein Obst- und Gemüsebetrieb sein, der unter anderem Gurkenscheiben auslieferte. In einem Gutachten seien gravierende Hygienemängel festgestellt worden.
Die Betroffenen infizierten sich bereits zwischen Oktober 2021 und Januar 2022 in Kliniken in Frankfurt und Offenbach. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt bestätigte heute (19.4.), ein Ermittlungsverfahren gegen den Inhaber der Firma eingeleitet zu haben.
Nach einer Anzeige der Kreisverwaltung Groß-Gerau vor knapp einem Monat werde wegen des Verdachts einer Straftat nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ermittelt, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Es gehe um den möglichen Ausbruch von Listerien in dem Betrieb. „Ob der Ausbruch ursächlich für das Versterben von Menschen war, kann aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden“, hieß es am Dienstag bei den Ermittlern.
Vorgeschriebene Kontrollen wurden nicht durchgeführt
Die Verantwortlichen im Landkreis Groß-Gerau sehen allerdings erhebliche Mängel bei den Kontrollen. Obwohl der Betrieb zwei Mal im Jahr hätte kontrolliert werden müssen, sei dies in der Corona-Pandemie nicht passiert.
„Das alles ist höchst belastend“, sagte Landrat Thomas Will (SPD) am Montag. Die Kontrollen seien nicht zu akzeptieren, sagte der Gesundheitsdezernent des Kreises, Walter Astheimer (Grüne). Der betroffene Betrieb sei zwei Jahre lang nicht überprüft worden, die Produktion von Schnittware sei mittlerweile eingestellt.
Der Verarbeitungsbetrieb ist seit zwei Monaten geschlossen
Nach Angaben des für eine Task-Force zuständigen Regierungspräsidiums Darmstadt ist man über die Nachverfolgung der Lieferketten auf den Betrieb aufmerksam geworden. Bereits am 10. Februar habe man erstmals Kenntnis erhalten. Kurz darauf hätten Prüfer die Hygienemängel festgestellt.
Der Hessische Rundfunk berichtet, der Betrieb, der namentlich genannt wurde, sei am 14. Februar zunächst wegen hygienischer Mängel geschlossen worden. Vier Tage später sei dem Betrieb anhand der vorliegenden Ergebnisse auf Listerien-Verunreinigung in diversem Schnittgemüse wie Gurken, Rotkraut und Tomaten sowie auf den Verarbeitungsflächen der Verarbeitungsbetrieb untersagt worden. Nur der Handel mit unverarbeitetem Gemüse und Obst sei dem Inhaber nun noch erlaubt.
Landrat weist Vorwurf der Vertuschung zurück
Dass der Fall erst zwei Monate später öffentlich wurde, hat laut Landrat Will nichts mit Vertuschung zu tun. „Man wollte überhaupt nichts unter den Teppich kehren.“ Es gebe genügend Fragen, die erst noch aufgearbeitet werden müssten.
„Wir wissen noch nicht alle Details in diesem Fall.“ Unabhängig von möglichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen werde man weitere Konsequenzen prüfen.
Patienten im Krankenhaus infiziert
Das Ministerium erklärte, es sei sofort gehandelt worden. Durch Ermittlungen nach dem Ausbruch hätten weitere Infektionen verhindert werden können. Nach Schilderungen des Landkreises gehören zu dem Betrieb ein Gemüseverarbeitungsbereich und ein Kartoffelschälbetrieb. Vor der Pandemie habe der Betrieb rund 50 Personen beschäftigt.
In dem Gutachten der hessischen Lebensmittelsicherheit sei die Rede von Schimmel, Rattenkot und Pfützen. Das Unternehmen habe auch an Krankenhäuser geliefert, dort hätten sich mindestens zwei der Betroffenen infiziert. Listerien können bei geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein. „Wir gehen davon aus, dass es keine weiteren Fälle gibt“, sagte Will.
Personal wurde wegen Corona-Pandemie anderweitig eingesetzt
Eine Kreis-Sprecherin verwies auf die Corona-Pandemie, in der mehrere Lebensmittelkontrolleure und eine Amtstierärztin zeitweise für andere Aufgaben eingesetzt worden seien, etwa für die Kontaktnachverfolgung. Das Regierungspräsidium wies darauf hin, dass die Ursache nicht in den Krankenhäusern zu suchen sei. Die Küchen dort seien in einem einwandfreien Zustand. Angaben zu den Infizierten wurden nicht gemacht. Ein weiterer dieser Patienten sei mittlerweile gestorben, allerdings nicht wegen der Hygienemängel.
Wieder Listerien in Hessen
Die SPD in Hessen forderte Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne) auf, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Es ist der zweite Lebensmittelskandal in Hessen seit 2019, der in Zusammenhang mit Listeriose-Erkrankungen gebracht wird.
So wurde der nordhessische Wursthersteller Wilke im Oktober 2019 geschlossen, nachdem in Produkten Listerien-Keime nachgewiesen worden waren. 37 Fälle von Listeriose wurden den Gesundheitsämtern gemeldet. Wie viele Menschen deshalb nachweislich geschädigt wurden, wird bis heute ermittelt.
Hintergrund: Wie gefährlich ist eine Infektion mit Listerien?
Listerien sind in der Umwelt weit verbreitet: Sie finden sich in Ackerböden, Silagen und anderen Futtermitteln, kommen aber auch häufig im Darm von Nutztieren vor. Durch Ausscheidungen von Tieren, Verunreinigungen oder unhygienische Oberflächen können sie während der Verarbeitung von Nahrungsmitteln übertragen werden.
Weitere Infektionsquellen sind unter anderem vakuumverpackter Räucherfisch, Rinden von Weichkäse, Rohpökel-, Kochwurst- oder Brühwurstwaren und Rohmilchprodukte.
Die Keime überstehen sowohl Tiefgefrieren als auch Trocknen. Kochen, Braten, Sterilisieren und Pasteurisieren tötet die Bakterien dagegen ab.
Erkrankungen nach der Aufnahme von Listerien sind im Vergleich zu Salmonellen- und Campylobacter-Infektionen seltener, aufgrund der Schwere der Erkrankung, die sie auslösen können, spielen sie aber eine wichtige Rolle. Gesunde Menschen erkranken in der Regel nicht oder weisen nur milde Symptome eines fieberhaften Infektes auf.
Schwere Verlaufsformen treten vor allem bei abwehrgeschwächten Menschen, wie älteren Personen, Neugeborenen, Patienten mit chronischen Erkrankungen und bei Schwangeren auf. Bei älteren und abwehrgeschwächten Menschen manifestiert sich die Listeriose häufiger mit Blutvergiftungen und eitrigen Hirnhautentzündungen.
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