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Agrarexport

Brexit: Alles halb so schlimm

am Montag, 02.09.2019 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Der Brexit wird die deutsche Agrarwirtschaft weniger hart treffen als bisher angenommen. Bei Rindfleisch, Milch, Weizen und Zucker winken Vorteile.

EU und Großbritannien gespalten

Der EU-Austritt Großbritannien ohne Abkommen (No-Deal-Szenario) wird sich auf die deutsche Agrarwirtschaft nicht so gravierend auswirken wie bislang angenommen. Zu dieser Einschätzung kommen die Wissenschaftler des Braunschweiger Thünen-Instituts nach neuesten Berechnungen. Ein No-Deal-Szenario sei unter dem neuen britischen Regierungschef Boris Johnson derzeit als sehr wahrscheinlich, meint Dr. Martin Banse, Leiter des Thünen-Instituts für Marktanalyse.

Sie haben die Sonderregelungen der britischen Regierung für ein Austritt ohne Abkommen berücksichtigt. Am 13. März 2019 hatte die britische Regierung eine Liste von Importzöllen und -quoten veröffentlicht, die in Kraft treten, sollte das Vereinigte Königreich die EU ohne Abkommen verlassen. Die Zölle und Quoten würden nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung (MFN) erhoben werden und demnach nicht nur für die EU, sondern für alle Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) gelten.

Der Liste zufolge sind 87 Prozent der Importe ins Vereinigte Königreich frei von protektionistischen Maßnahmen. Handelsbeschränkungen würden im Wesentlichen für Autos, Aluminium, bestimmte Keramiken, Bioethanol und Agrarprodukte bestehen bleiben.

Exportüberschuss verringert sich nur um ein Drittel

Martin-Banse-Thünen-Institut

Die Briten sind ein wichtiger Agrarhandelspartner Deutschlands. 2017 exportierte Deutschland landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 4,8 Mrd. Euro in das Vereinigte Königreich, während die Importe 1,6 Mrd. Euro betrugen. Das machte für Deutschland einen Überschuss von etwa 3,2 Mrd. Euro aus. Er ist so hoch wie mit keinem anderen Land.

„Im Lichte der jetzigen Entwicklung ergeben unsere Berechnungen, dass sich der Agrarüberschuss Deutschlands bei einem harten Brexit nur um circa eine Milliarde Euro verringert“, sagt Dr. Martin Banse, Leiter des Thünen-Instituts für Marktanalyse. In einer ersten Abschätzung zuvor gingen die Wissenschaftler noch einem Rückgang des Überschusses rund 1,9 Mrd. Euro aus. 

Der Grund: Vor dem 13. März 2019 musste davon ausgegangen werden, dass das Vereinigte Königreich bei einem No-Deal-Szenario die gleichen MFN-Zölle anwenden würde, wie sie die EU eingeführt hat (MFN-EU-Szenario). Mit den Zöllen, die die britische Regierung nun angekündigt hat, fallen die Schutzmaßnahmen jedoch deutlich moderater aus als bislang angenommen.

Vorteile für Weizen

Getreideexport-Schiffsbeladung

Für Getreide, Obst und Gemüse, Zucker, Getränke und Tabak würde das Vereinigte Königreich weiterhin wie bisher zollfreie Einfuhren zulassen. Für Reis, Fleisch und Wurstwaren fallen Zölle an, die aber geringer sind als im bislang zugrunde gelegten MFN-EU-Szenario.

Nach dem aktuellen Szenario ist zu erwarten, dass die deutsche Agrarproduktion bis 2027 als Folge des Brexit um insgesamt 190 Mio. Euro zurückgehen wird. Somit werden die Produktionseffekte nicht so schwerwiegend sein, wie zunächst mit rund 1,2 Mrd. Euro in dem MFN-EU-Szenario abgeschätzt.

Die deutsche Produktion wird in kaum einer Warengruppe mehr als 0,5 Prozent zurückgehen. Ausnahmen bilden die Schweine- und Geflügelzucht sowie Schweine- und Geflügelfleisch, wo die Thünen-Experten mit einem Rückgang um rund 1,2 Prozent rechnen.

Bei Weizen, Zucker, Rindfleisch und Milch erwarten sie sogar leichte Produktionsanstiege von 0,1 bis 0,8 Prozent.

Das ausführliche Interview mit Dr. Maritn Banse lesen Sie in der aktuellen Septemberausgabe des agrarheute-Magazins.

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