
Die Düngerpreise haben alle bisherigen Rekordmarken weit hinter sich gelassen. Zu kaufen gibt es trotzdem fast nichts. Die Gründe liegen auf der Hand: Die europäischen Düngerfabriken haben die Produktion wegen der explodierenden Gaspreise massiv gedrosselt. Die Folge ist ein schrumpfendes bzw. kaum noch vorhandenes Angebot. Gestörte Lieferketten und rekordhohe Transportkosten erschweren außerdem den Dünger-Import aus anderen Regionen. Hinzu kommt, dass die Probleme in fast allen wichtigen Exportregionen ähnlich sind wie in Deutschland und Europa.
Auch Händler kaufen unter diesen Bedingungen keinen Dünger, obwohl ihre Läger gähnend leer sind. Der Grund: Zum einen sind die Preise für die verfügbaren Mengen exorbitant hoch. Zum anderen möchte natürlich niemand extrem teuren Dünger einlagern, den er nach einer Preiskorrektur möglicherweise erheblich billiger weiterverkaufen müsste – mit hohen Verlusten.
Und natürlich zögern auch viele Landwirte bei diesen Düngerpreisen überhaupt etwas zu kaufen, wenn sie denn überhaupt noch Ware bekommen. Viele Landwirte dürften ihre Ausbringungsmengen deutlich drosseln – um die Kosten zu senken, glauben viele Analysten in Europa und in Nordamerika. Doch das Problem ist nicht die Ausbringung: "Die wirkliche Sorge ist die Verfügbarkeit. Wir haben bereits heute einige Lieferprobleme, und unabhängig von den Preisen gibt es keine Garantie, dass wir im Frühjahr Dünger bekommen werden", sagt Benoit Pietrement, Landwirt und Leiter des Getreideausschusses von FranceAgriMer gegenüber Reuters.
In Frankreich ist die Rapsaussaat beendet, und es wäre zu spät für die Landwirte, ihre Meinung bei Wintergetreide wie Weizen zu ändern, das jetzt ausgesät wird, aber es könnte erhebliche Probleme im Frühjahr geben. „Einige Landwirte entscheiden sich möglicherweise dafür, Kulturen, die viel Stickstoff benötigen, wie Mais, zu beschränken und sich weniger anspruchsvollen wie Sommergerste zuzuwenden“, sagte Pietrement.
Die Düngemittelpreise haben sich zuletzt mehr als verdreifacht, was den Landwirten Kosten zwischen 300 Euro und 350 Euro pro Hektar Getreide beschert, verglichen mit etwa 150 Euro pro Hektar in normalen Jahren. "Die Auswirkungen für die Erzeuger werden gewaltig sein", fügte Pietrement hinzu.
Ausbringungsraten kürzen oder weniger einkaufen?

Die Preise für Ammoniumnitrat (AN) und Calciumammoniumnitrat (CAN) und fast alle anderen Mineraldünger in Europa übertreffen das Niveau während der globalen Finanzkrise bereits deutlich. „Wenn die Düngemittelpreise weiter steigen, werden die Landwirte entweder die Ausbringungsraten kürzen oder den Düngereinkauf reduzieren, in der Hoffnung auf niedrigere zukünftige Preise, um ihre explodierenden Kosten zu dämpfen“, sagte Alexis Maxwell, Analyst bei Green Markets, einem Unternehmen von Bloomberg.
Einige Landwirte haben vor dem Kauf für die nächste Anbausaison die Hoffnung, dass die Kosten sinken könnten – ein Risiko, denn die Preise sind zuletzt immer weiter gestiegen. „Die Produktion von Düngemitteln, speziell in Europa, ist derzeit so unwirtschaftlich geworden, dass die derzeit nur gedrosselte Produktion auf einigen Standorten dauerhaft eingestellt werden könnte, wenn die EU nicht schnell Maßnahmen ergreift, um den Anstieg der Erdgaspreise zu stoppen“, sagte der Handelsverband Fertilizers Europe in dieser Woche. Aufgrund der steigenden Gaspreise hat laut Jacob Hansen, Generaldirektor von Fertilizers Europe, ein Drittel der europäischen Düngemittel- und Ammoniakfabriken entweder geschlossen oder die Produktion vorübergehend heruntergefahren.
Bei einem Treffen der europäischen Landwirtschaftsminister in Luxemburg vorige Woche herrschte Einigkeit darüber, dass der extrem hohe Erdgaspreis die Düngemittelpreise in die Höhe treibt. Erdgas ist der wichtigste Rohstoff für die Produktion von Stickstoffdüngern wie Harnstoff und Ammoniumnitrat, auf den die Landwirte angewiesen sind, um die Ernteerträge in Europa aufrechtzuerhalten. „Der Anstieg der Energiepreise ist der Hauptgrund für den Anstieg der Düngemittelpreise und kann sich natürlich auf die Lebensmittelpreise auswirken, das ist natürlich das Risiko“, sagte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski während der EU Ratssitzung.
Die EU-Agrarminister diskutierten über ein von der polnischen Regierung in Umlauf gebrachtes Dokument, das voraussagte, dass die Düngemittelkrise „soziale Unruhen“ in der gesamten Europäischen Union auslösen könnte, wenn die politischen Entscheidungsträger die steigenden Erdgaspreise nicht stoppen. In Polen haben Landwirte bereits eine Anlage des staatlichen Düngemittelunternehmens Anwil blockiert, um zu protestieren, dass die Regierung den Export von Düngemitteln zulässt, während die Preise für die eigenen Bauern in Polen so hoch sind.
Nicht genügend Dünger für die Saison 2022?

David Michie, Leiter der Getreideabteilung des britischen Bauernverbandes NFU sagte: „Jeder Produktionsausfall an den Standorten in Großbritannien und Europa ist für die Landwirte von großer Bedeutung und vergrößert die Probleme für einen Sektor, der bereits mit massiven Schwierigkeiten konfrontiert ist." Er fügte hinzu: „Viele spezialisierte Ackerbaubetriebe haben keine Tiere und werden Schwierigkeiten haben, an tierischen Dünger als alternative Stickstoffquelle zu gelangen. Jeder Mangel an anorganischem Stickstoff könnte sich also auf Anbau und die Erträge von Ackerbaukulturen auswirken."
Gary Vogen von Yara sagte gegenüber dem US-Onlindienst „The Scoop“: „In einer normalen Situation, wenn Sie einen Preisanstieg in Europa hätten, würde der Rest der Welt das kompensieren. Aber die Lieferketten sind jetzt alle gestört“, sagt er. „Infolge der anziehenden Nachfrage, einer Verlagerung der Produktion in den letzten 10 Jahren und teilweiser Zollbeschränkungen, ist die Lieferkette gestört und die Pipeline ziemlich leer.“
Laut Vogen bietet erst das erste Quartal 2022 die Gelegenheit, die hohen Erdgaspreise nach unten zu drücken. Doch die Düngemittelpreise werden auch von anderen globalen Einflüssen getrieben. Die Angebotsschocks werden zu einer zunehmend kritischen Situation, denn die Werke drosseln weltweit ihre Produktion und immer mehr Länder beschränken die Ausfuhren. Analysten und Händler befürchten deshalb, dass auch für die Saison 2022 nicht genug Mineraldünger in Europa und Nordamerika zur Verfügung stehen wird.
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