Kaum ein Markt ist für Landwirte so wenig transparent, wie der Düngermarkt. Wer den aktuellen Weizenpreis wissen will, schaut auf den Terminmarkt. Wer den Einkaufpreis für Mineraldünger erfahren weill, ruft seinen Händler an und fragt was er zahlen muss. Und noch einen anderen Händler und dort erfährt er denselben Preis. Komisch.
Im Vergleich zu den großen Herstellern – wie etwa Yara, Borealis, SKW Piesteritz, BASF oder K & S - sind aber auch die Landhändler klein und diesen wiederum so ziemlich ausgeliefert. Einen Spotmarkt oder Terminkurse, an denen sich Verkäufer und Käufer tagesaktuell ausrichten können, gibt es nicht. Jedenfalls nicht in Europa. In den USA – am Terminmarkt in Chicago - werden die wichtigsten Mineraldünger gehandelt. Dort gibt es tagesaktuelle Harnstoffpreise fob USA, Ägypten, Mittlerer Osten und Importpreise aus Brasilien und auch die Preise für den Flüssigdünger Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung (AHL) und den Phosphordünger Diammoniumphosphate (DAP). Schon bei den Kalipreisen wird es schwierig – obwohl Nordamerika (vor Russland und Weißrussland) der größe Hersteller ist.
Auch in China gibt es einen Terminmarkt für den dort produktzieren und exportierten Harnstoff an der Börse in Zhengzhou (CZCE). Doch diese Preise sind für deutsche Bauern natürlich sehr weit weg und schwer mit den Einkaufpreise hierzulande zu vergleichen und also kaum zu gebrauchen. Allenfalls in der Tendenz. Denn bevor die Ware an den europäischen Häfen ankommt, muss sie in Dollar eingekauft und per Schiff transportiert werden und möglicherweise auch noch gelagert werden.
Auch die Kosten der großen europäischen Hersteller sind andere, als der großen Düngerproduzenten in den USA oder in Russland – denn die Gaspreise unterscheiden sich mitunter gewaltig – wie die aktuelle Entwicklung zeigt. Und die Gaspreise sind für die Produktionskosten von Stickstoffdünger der mit Abstand wichtigste Kostenfaktor – wie die Stilllegung ganzer Werke durch Yara oder BASF während der explodierenden Gaspreise im März zeigte.
Keine aktuellen Düngerpreise für Landwirte
Händler erfragen natürlich die Preise der Hersteller ab Werk und sie kennen die täglichen Spotmarkpreise an den deutschen Importhäfen. Diese sind allerdings nicht allen Interessenten zugänglich – schon gar nicht den Landwirten - und werden auch nicht tagesaktuell veröffentlicht. Dabei würden sie sicher den besten Indikatorpreise abliefern und eine gute Grundlage für Preisverhandlungen oder Gespräche zwischen Landwirt und Landhändlern sein.
In Frankreich veröffentlich die Agrarportale terre-net.fr und web-agri.fr frei zugängliche zumindest wochenaktuelle Preise für alle Stickstoffdünger, aber auch für Phosphordünger, Kali und die wichtigsten Mehrnährstoffdünger. Das gibt es in Deutschland so nicht. Auch diese Preise unterscheiden sich von den hierzulande gehzahlten Einkaufpreisen der Landewirte zum Teil jedoch deutlich - wie ein direkter Vergleich zeigt. In Deutschland können Landwirte auf agrarheute zumindest die Preise des letzten Monats – für fast sämtliche Mineraldünger erfahren. Diese werden von den Landwirtschaftskammern in den Regionen und Bundesländern erhoben.
Für aktuelle Preisverhandlungen oder strategische Entscheidungen sind die Preise jedoch nur bedingt geeignet, weil sie einfach schon zu alt sind. Jedenfalls in solchen Zeiten wie diesen, wo die Preise extrem schwanken und sowohl Händler als auch Landwirte ein hohes Risko eingehen und auf hohen Kosten sitzen bleiben können. Das ist auch ein Grund warum viele Händler kaum noch Lagerbestände haben. Denn bei fallenden Preisen - wie jetzt gerade – macht man enorme Verluste, wen man die Ware sehr viel teuer eingekauft hat.
Völliger Mangel an Transparenz – sagt auch der NFU
In den meisten europäischen Ländern – auch in Großbritannien - ist die Lage ähnlich wie in Deutschland. Der englische Bauernverband (NFU) fordert dieser Tage deshalb die britische Regierung und die Dünger-Industrie auf, im Rahmen eines gemeinsamen Ansatzes für mehr Transparenz auf dem Düngemittelmarkt zu sorgen. Der stellvertretende Präsident der NFU, Tom Bradshaw, beklagte dabei den völligen Mangel an Transparenz auf dem Düngemittelmarkt, der den Erzeugern einen Mangel an Informationen beschert.
Um mehr Transparenz zu erreichen, fordert die NFU die Lieferanten auf, die Düngemittelpreise unverzüglich zu veröffentlichen, um den landwirtschaftlichen Betrieben bei der Planung der Ernte im nächsten Jahr zu helfen. Sie fordert Regierung und Industrie außerdem auf, eine Reihe von Optionen vorzulegen, die es der derzeit geschlossenen Anlage des US-Herstellers CF Industries in Großbritannien ermöglichen würden, wieder zu öffnen und mit der Produktion von Düngemitteln zu beginnen. Bradshaw sagte, es fühle sich sehr seltsam an, dass nicht mehr Düngemittel nicht produziert werden, wenn die Gaspreise auf einem saisonalen Tief zu liegen scheinen.
Er fügte hinzu: „Im vergangenen Jahr ist der Düngemittelmarkt in eine neue Ära eingetreten. Kosten und Versorgung sind mit beispiellosen Risiken konfrontiert, und wir brauchen einen sichtbaren, transparenten Markt, der es Erzeugern, Händlern und Landwirten gleichermaßen ermöglicht, diese Bedrohungen auf wirtschaftlich tragfähige Weise zu bewältigen. „Die Versorgung mit Stickstoffdüngemitteln leidet unter geopolitischen Ereignissen, die die Energiemärkte, auf die sie angewiesen sind, auf den Kopf gestellt haben."
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