
Und das ist nicht nur in Deutschland und Europa so. Auch in allen anderen Ländern geht es mit den Düngerpreisen weiter steil nach oben.
In den USA hat eine Farmerorganisation deshalb das Justizministerium angerufen und eine Untersuchung der Preisentwicklung gefordert. Dabei hinterfragt man nicht unbedingt den durch die hohen Gaspreise verursachten Preisanstieg, sondern den durch die hohe Marktkonzentration auf sehr wenige Unternehmen ausgehebelten Wettbewerb und die davon ausgehenden zusätzlichen Preisaufschläge und angeblich nicht marktgerechten Preise.
In Europa ist die Situation auf Seiten der Düngerhersteller und der Bauern kaum anders. Ein Ende der Preis-Eskalation ist noch immer nicht abzusehen, wie die weiter steigenden Düngerpreise auf beiden Seiten des Atlantiks zeigen.
Ein US-Farmer sagte dazu in einem Chat-Room: „Mein Gedanke ist: So schlimm diese Preise auch sind, es könnte für 2023 noch schlimmer werden. Wenn dies der Fall ist, kann ich ein Jahr lang kaum noch Stickstoffdünger verwenden.“
Händler lagern nicht ein – Düngerkauf nur über Vorauszahlung

Normalerweise kaufen die Landwirte in den USA aber auch in Europa im Winter einen guten Teil des Düngers für die neue Saison auf Vorrat ein. Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Preise der der wichtigsten Stickstoffdünger sind in Europa dreimal so hoch wie im vorigen Jahr, wenn Ware überhaupt verfügbar ist. Ein Farmer aus den USA berichtete dem Agraronline-Dienst AgFax, sein Händler habe gesagt: „Wenn Sie jetzt im Voraus bezahlen, garantieren wir die Lieferung, wir nehmen aber nur eine Vorauszahlung für das, was wir wirklich auf Lager haben.“
Bei Pflanzenschutzmitteln ist die Lage offenbar nicht besser: Was Herbizide angeht, sind sie fast nicht verfügbar und über die Preise spricht man erst einmal nicht. Das Fazit für den Landwirt war, wenn er bei diesen hohen Düngerpreisen im Voraus bezahlen soll, dann muss er Mais und Weizen verkaufen – viel mehr und viel eher als er ursprünglich geplant hat.
Die amerikanische CoBank prognostiziert in einer aktuellen Analyse zum Düngermarkt: „In den nächsten sechs Monaten werden die Düngemittelpreise angesichts der Rekordinflation, der überdurchschnittlichen Erdgaspreise, der knappen weltweiten Stickstoffversorgung und der starken Nachfrage der Landwirte mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr hoch bleiben.“
Rohstoff-Analysten beobachten indessen auch, dass sich „die landwirtschaftlichen Versorgungsgenossenschaften im Gegensatz zu den Jahren 2008 bis 2010 (als die Düngerpreise ebenfalls sehr hoch waren) viel stärker mit dem Management des Risikos von möglichen Wertberichtigungen der Düngemittelbestände befassen, sollte es doch noch einen schnellen Preisverfall geben“.
Das heißt konkret: Händler verkaufen entweder zu im Voraus gezahlten Preisen – oder sie lagern erst gar nichts ein. Analysten des Wirtschaftsdienstes Dow Jones berichteten vorige Woche, dass die extrem hohen Düngemittelpreise die Rentabilität der Landwirte in der Anbausaison 2022 wohl erheblich beeinträchtigen werden.
Bankanalyse: Zu 70 Prozent bleiben die Düngerpreise so hoch

Die CoBank hat in einer Untersuchung festgestellt, dass sich die hohen Düngerpreise zwar irgendwann von selbst korrigieren werden, doch man ist überzeugt, dass die hohen Düngemittelkosten mindestens bis ins Frühjahr 2022 andauern werden. „Wir stützen diese Schlussfolgerung zum Teil auf eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter Landwirten und eine Universitätsstudie, die beide die Wahrscheinlichkeit sehr hoher Düngerpreise im Frühjahr mit 70 % und höher einstufen“, so die CoBank.
So schockierend die Preise für Stickstoffdünger den Landwirten im Moment erscheinen mögen, diese Preissorgen haben das US-Handelsministerium am Mittwoch in einer von CF Industries eingereichten Beschwerde dazu gebracht, über mögliche Einfuhrzölle gegen Harnstoff-Ammoniumnitrat-Importe aus Russland sowie aus Trinidad und Tobago nachzudenken.
Das Handelsministerium hat dazu festgestellt, dass die Ausfuhren von Harnstoff-Ammoniumnitrat (UAN) aus Russland und Trinidad und Tobago von den dortigen Regierungen zu Unrecht subventioniert werden. Die Ergebnisse der Untersuchung des Handelsministeriums und der U.S. International Trade Commission ergaben, dass Russland die UAN-Exporte mit Raten zwischen 9,66% und 9,84% subventioniert und Trinidad und Tobago mit einer Rate von 1,83%.
"Die vorläufigen Feststellungen des Handelsministeriums sind ein wichtiger Schritt, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für die US-Düngerindustrie zu schaffen“, sagt Tony Will, Präsident und CEO von CF Industries. In Europa hatte man aus dem gleichen Grund bereits Importzölle für diese Dünger eingeführt, die auch noch immer gelten.
US-Landwirte klagen gegen Düngerindustrie

Die National Corn Growers Association und andere Farmverbände in den USA sehen indes ganz andere Probleme am Düngermarkt: Eine zu hohe Konzentration unter den Herstellern und fehlenden Wettbewerb. „Landwirte im ganzen Land haben in den letzten Wochen öffentlich über die gravierenden Auswirkungen der Düngerknappheit auf ihre Familienbetriebe gesprochen“, sagt Chris Edgington, ein Landwirt aus Iowa und Präsident von NCGA.
Die Family Farm Action Alliance hat darum am 8. Dezember ein Schreiben an die Kartellabteilung des Justizministeriums gesendet, um eine Untersuchung des Düngersektors wegen des Verdachts wettbewerbswidriger Praktiken einzuleiten.
Während die Düngerhersteller behaupten, dass die hohen Preise ausschließlich auf Knappheit und hohe Erdgaspreise zurückzuführen sind, widerlegen ihre eigenen Jahres- und Quartalsberichte diese Behauptungen und zeigen, dass sie über zusätzliche Kapazitäten verfügen, die sie nicht nutzen, heißt es in dem Schreiben.
Heute beliefern nur zwei Unternehmen ganz Nordamerika mit Kali: Nutrien Limited und die Mosaic Company. Im Jahr 2019 machten vier Unternehmen 75 % der Produktion und des Verkaufs von stickstoffbasierten Düngemitteln in den USA aus, und zwar CF Industries, Nutrien, Koch und Yara-USA. Nach Ansicht der Family Farmer Action Alliance ist Marktmissbrauch wahrscheinlich, wenn der Konzentrationsgrad der vier größten Unternehmen 40 % überschreitet.
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