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Krieg in der Ukraine

Verschärfen Ukraine-Sanktionen gegen Russland die globale Hungerkrise?

Hunger-Entwicklungslaender-Bangladesch
am Freitag, 07.10.2022 - 14:11 (Jetzt kommentieren)

Schon vor der jüngsten Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland tauchten Fragen auf, ob die Sanktionen gegen die russische Föderation – einen der weltweit wichtigsten Erzeuger von Getreide und von Dünger – zur Verschlimmerung des Hungers auf der Welt beitragen.

Für Regierungsvertreter aus Russland, China und Indien ist die Lage klar: „Einseitige Restriktionen haben die weltweite Ernährungskrise verschlimmert.“ Das berichtete die russische Nachrichtenagentur TASS Mitte September unter Berufung auf einen Beschluss der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Der Text verweise darauf, dass die globale Nahrungsversorgung durch den Klimawandel, die Auswirkungen der Corona-Pandemie und „regionale Probleme“ bereits bedroht und weltweite Nahrungsmittelversorgungsketten angeschlagen seien. Durch verhängte Sanktionen sowie durch die Nutzung von Getreide für Biokraftstoffe würde nicht nur Nahrungssicherheit sondern auch die soziökonomische Stabilität in Entwicklungsländern gefährdet.

EU-Kommission: Sanktionen nicht gegen Nahrungsmittel

Die EU-Kommission weist die Vorwürfe zurück, dass Sanktionen zu einer Verschärfung der globalen Hungerkrise führen. Wörtlich heißt es in einer Pressemitteilung: „Es sind die unprovozierte russische Invasion der Ukraine und Russlands absichtliche Handlungen – wie die Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine, die Vernichtung von Äckern und Getreidesilos, der Diebstahl ukrainischen Getreides und eine Verkomplizierung des Welthandels – die eine Nahrungskrise hervorrufen.“

Die EU habe weder Sanktionen gegen Exporte von Nahrungsmitteln oder Landtechnik nach Russland verhängt. Auch gebe es keine Beschränkungen für den Handel mit Agrargütern inklusive Düngemitteln zwischen der russischen Föderation und anderen Ländern. Mitte September habe die EU außerdem klargestellt, dass die Exporte von Düngemitteln aus Russland nicht behindert würden.“ Ähnlich haben auch immer wieder Vertreter der Bundesregierung zur Hungerkrise argumentiert.

Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg auf den Agrarhandel?

Die internationalen Agrarmärkte haben sich in Folge der russischen Invasion der Ukraine insgesamt rational verhalten. Das schreibt der Marktexperte und ehemalige Präsident für Baumwolle des Agrarhandelsunternehmens Cargill, Doug Christie, auf der Branchenseite GLG-Insights. Warenströme hätten sich verlagert.

So seien beispielsweise unmittelbar nach Ausbruch der Kampfhandlungen die Getreidepreise stark angestiegen. Anschließend, insbesondere nach dem von der Türkei ausgehandelten Abkommen zu Getreideexporten über das Schwarze Meer, seien die Preise wieder gesunken. Nachdem weniger Sonnenblumenöl auf dem Weltmarkt verfügbar gewesen sei, hätte es eine Verschiebung der Nachfrage zu Palmöl und Sojaöl gegeben. Steigende bzw. fallende Marktpreise hätten das Verhältnis von Angebot und Nachfrage deutlich wiedergespiegelt.

Was bedeutet der Ukraine-Krieg für den Handel mit Düngemitteln?

Marktexperte Christie sieht auch auf dem Düngermarkt keine fundamentalen Verwerfungen. Russland bleibe das weltweit zweitwichtigste Herstellerland für Düngemittel, vor allem wegen seiner starken Position bei Kalium. 15 % der weltweiten Düngerexporte kämen aus Russland. Auch hier sei es zu Verschiebungen der Warenströme gekommen. Von Januar bis Juni 2022 seien etwa die kanadischen Düngerexporte nach Brasilien um 70 % angestiegen. Auch in Deutschland wird mittlerweile der Dünger knapp.

Warum bleiben Düngemittel so teuer?

Grafik-Preisindex-Duengemittel-Duengerpreise

Anders als bei Getreidepreisen erwartet Christie bei Düngemitteln ein anhaltendes Preishoch. Erdgas sei ein wichtiger Bestandteil bei deren Herstellung. Dadurch, dass die Kosten hier deutlich gestiegen sind und voraussichtlich auf hohem Niveau bleiben werden, würden künftige Schocks bei den Energiepreisen sich sehr schnell auf die landwirtschaftliche Produktion auswirken.

Der globale Preisindex für Düngemittel der Weltbank lag im September 2022 bei rund 222 Punkten. Gegenüber dem Mai 2021 hat sich der Wert damit mehr als verdoppelt. Damals lag er noch bei 106 Punkten. Zu Beginn der neuerlichen russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 lag der Wert bei 197 Punkten (siehe Grafik). Angesichts dieser Entwicklung haben sich unter anderem die USA und die EU-Kommission dafür ausgesprochen, die Versorgung der Landwirte mit Dünger zu stärken.

Tote Tiere, zerstörte Ställe: Landwirtschaft im Ukraine-Krieg

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