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Viehzählung November 2020

Höfesterben auf Raten: Schweinehalter zahlen für Corona und ASP

Schweinebauer und Tierarzt im Stall
am Montag, 21.12.2020 - 16:23 (1 Kommentar)

Die Schweinebauern hat es schlimm erwischt. Sie sind tief in die roten Zahlen gestürzt und müssen für jedes Schwein und Ferkel, das sie überhaupt abliefern dürfen, noch etwas oben drauf legen.

Sinkende Zahl der Zuchtschweinehalter in Deutschland

Der Schweinestau, der durch coronabedingt stark reduzierte Abahme der großen Schlachthöfe entstanden ist, wird größer und größer. Zum Jahresende fehlen wegen der Feiertage weitere Schlachttage und die Situation dürfte für viele Betriebe kaum noch zu managen sein – denn immer mehr schwere Schweine drängen sich in den Ställen.

Ohne ein sehr gutes Jahr 2019 und eine passables ersten Halbjahr 2020 wären vielen Schweinehalter wohl schon das Geld ausgegangen – denn seit Wochen sind die Ausgaben größer als die Einnahmen.

Die aktuelle Viehzählung vom November zeigt: Die Folgen der Coronakrise sind ziemlich gut in den Bestandsdaten abzulesen – auch wenn die Folgen für die Strukturentwicklung und das wirkliche Ausmaß wohl erst im nächsten Jahr – also bei der nächsten Zählung – sichtbar werden.

Die Folgen des gewaltigen Rückstaus auf die Schweinebestände sind allerdings gut in den Zahlen der Viehzählung zu sehen – ganz besonders in den am stärksten betroffenen Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Corona-Krise ist ein Brandbeschleuniger für den Strukturwandel

Abnahme bei der Zahl der Schweinehalter

Und die Probleme werden sich in den nächsten Wochen weiter verschärfen und – wie ein Brandbeschleuniger für den Strukturwandel und das Höfesterben wirken – das sich durch das sehr gute Jahr 2019 zunächst deutlich verlangsamt hatte. So war die Zahl der Schweinhalter mit 20,5 Tausend zwar erneut um 7.000 Betriebe kleiner als im November 2019 – gegenüber der Maizählung hat sich die Zahl der Schweinehalter – ausschließlich Mäster – aber ganz leicht erhöht.

Langfristig gesehen ist das jedoch nicht einmal ein der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein – sondern nur eine kleine Verschnaufpause beim Sterben der Betriebe. In den letzten 5 Jahren haben nämlich 5.200 Schweinhalter die Hoftore dicht gemacht und seit 2010 waren es sogar 12.400 Bauern, die ausgestiegen sind – das sind knapp 40 Prozent der Schweinehalter in nur 10 Jahren.

Noch viel schlimmer ist es in der Sauenhaltung. Hier haben auch die rekordhohen Ferkelpreise aus dem Jahr 2019 das Sterben der (kleinen) Betriebe nicht aufhalten können.

Fakt ist: Wegen der neuen Auflagen und Vorschriften zur Sauenhaltung und zu Ferkelkastration dürften viele Sauenhalter diesen Weg nicht mehr weiter gegangen sein: Von November 2019 bis November 2020 schlossen rund 400 Schweinzüchter die Hoftore und die Zahl der sauenhaltenden Betriebe rutschte erstmals unter die Grenze von 7.000 – auf nur noch 6.800 Stück.

Langfristig gesehen ist er Horror noch größer: In nur 5 Jahren sind 1.800 Betriebe auf der Strecke der geblieben – vor allem die Kleinen – und in nur 10 Jahren hat sich die Zahl der Sauenhalter in Deutschland glatt halbiert. Gleichzeitig ist die Zahl der pro Betrieb gehaltenen Schweine – aus ökonomischen Zwängen – kontinuierlich gestiegen.

750.000 Schweine im Überhang – rote Zahlen für die Mäster

Schweinebestand deutscher Mastschweine legte seit Mai 2020 wieder zu

Das Problem ist nur: Die wirtschaftliche Schwierigkeiten für die Schweinhalter werden noch eine Weile dauern – und möglicherweise spitzt sich die Krise sogar noch zu. Der Schweinestau ist nach Angaben von Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast jedenfalls noch lange nicht aufgelöst.

Derzeit befinden sich 750.000 Schweine bundesweit „in der Warteschleife“. Ende Oktober lag der Überhang noch bei 500.000 Tieren.

Die Lage in den Ställen habe sich „überhaupt noch nicht entspannt", sagte Otte-Kinast der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Grund für die überfüllten Ställe seien die geringen Schlachtkapazitäten in der Corona-Krise. Schon seit mehreren Monaten haben Landwirte zudem mit den Corona-Folgen und der Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest kämpfen, sagt Otte-Kinast. Sie verwies auch auf die wirtschaftlichen Folgen des "Schweinestaus" für die betroffenen Landwirte.

„Die Verzweiflung ist riesengroß“, sagt die Ministerin. Dazu komme, dass die Erzeugerpreise für Schweine „extrem niedrig“ seien, die Landwirte also nur sehr wenig Geld für ihre Tiere bekämen. Die Kosten blieben aber hoch oder steigen sogar kräftig an - wie etwa für Futter – zeigen die aktuellen Statistiken.

Der Schweinepreise war beim ersten Fall der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen bereits im September eingebrochen. Wichtige Exportländer wie China und Japan hatten deutsche Importe daraufhin gesperrt.

Höfesterben dürfte sich durch die Krise beschleunigen

Die Viehzählung selbst zeigt den Absatzstau bei den Schweinen eindrucksvoll an: So ist die Zahl der in deutschen Ställen stehenden Mastschweine seit Mai um 810.000 Tiere oder 7,3 Prozent gestiegen. Bei Mastschweinen mit einem Gewicht von mehr als 110 kg wurden sogar knapp 36 Prozent mehr Schweine gezählt.

Am stärksten ausgeprägt ist der Bestandszuwachs in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen – den Bundesländern mit dem meisten Schweinen und auch mit den größten Schlachtunternehmen. In Niedersachsen zählte das Statistische Bundesamt im November 413.000 Mastschweine mehr als im Mai und in Nordrheinwestfalen standen 264.000 Schweine mehr in den Ställen als im Mai.

Gleichzeitig wurden bei den beiden Topproduzenten deutlich weniger Ferkel gehalten bzw. eingestallt. Die Zahl der Zuchtschweine hat in ganz Deutschland gegenüber der Maizählung ebenfalls sehr deutlich um 4,5 Prozent bzw. reichlich 80.000 Tausend Tiere abgenommen. Auch hier waren die Rückgänge in den beiden nordwestdeutschen TOP-Produktionsländern besonders hoch.

Alle diese Entwicklungen – verbunden mit den dramatischen wirtschaftlichen Verlusten der Schweinehalter – lassen für das nächste Jahr eine deutliche Beschleunigung des von Politik und Ökonomen oft lapidar als Strukturwandel bezeichneten Höfesterbens befürchten.

Kommentar

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