Kleine Rüben. Hoher Zuckergehalt. Schlechte Zuckerausbeute. Das sind die Ergebnisse der Rübenernte im Dürrejahr 2018. Außerdem hat die Ernte wegen der Trockenheit ein bis zwei Wochen später begonnen. In diesem Jahr haben die Rüben viel zu wenig Regen und reichlich Sonne abbekommen.
Das war auch der Grund, warum sich einer der hartnäckigsten Schädlinge – die Rübenminiermotte – stark verbreitet hat. Sie zerfrisst den Blattkopf und ihr Kot führt zu Fäule. Eine gesunde Rübe kann das überstehen, aber nicht die abgezehrten, „eingeschlafenen“ Rübchen von 2018. Wegen der sehr kleinen Rüben füllten sich auch die Bunker der Rübenroder während der Ernte deutlich langsamer. Die Rüben waren so klein, dass sie fast durch die Förderbänder rutschten, sagte der niedersächsische Landvolkvizepräsident Ulrich Löhr.
Auch das Roden selbst war schwieriger als sonst. „Weil der Boden sehr hart war, brachen die Rüben oft ab und die kleineren fielen durch den Roder auf den Acker zurück“, sagte Claudia Thiele vom Bauernverband Börde. Die Rodetechnik kann zwar an die Rübengröße angepasst werden, aber nur ein wenig, weil sonst die Reinigung nicht mehr gut funktioniert. „Die diesjährige Ernte war deshalb sehr schwierig und die Verluste hoch“, sagte Thiele.
Deutsche Rübenbauern schätzten den Ernteeinbußen auf 20 bis 30 Prozent. Die Kommission sieht den Rückgang etwas niedriger. Genaueres wird man wohl erst im Ende Dezember oder Anfang nächsten Jahres wissen.
Historisch schlechte Preise
Die negativen wirtschaftlichen Folgen der geringen Erträge werden verschärft durch die historisch schlechten Zuckerpreise, aus denen sich die Rübenpreise ableiten. „Die Zucker- und die Rübenpreise sind so niedrig wie noch nie nach dem Zweiten Weltkrieg“, sagte dazu der Geschäftsführer des Rheinischen Rübenbauerverbands, Peter Kasten. Das schlage sich auf die gesamte Einkommenslage der Landwirte nieder.
Die Preise seien nicht mehr wirtschaftlich. Unter dem Preisdruck würden Landwirte möglicherweise mittelfristig den Zuckerrübenanbau herunterfahren. Am europäischen Binnenmarkt wurde Weißzucker zuletzt nur noch mit 350 Euro/t gehandelt und damit 150 Euro/t billiger als im vorigen Jahr. „Und das ist noch nicht alles“, sagte Bernhard Conzen, Vorsitzender des Rheinischen Rübenbauer-Verbandes.
„Ab dem kommenden Anbaujahr hat man uns mit dem Verbot der neonicotinoidhaltigen Rübenbeizen ein zentrales Element des Pflanzenschutzes genommen. Damit sind erhebliche Ertragseinbußen infolge des Auftretens des Vergilbungsvirus zu befürchten.“ Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssten aufpassen, dass man nicht innerhalb kürzester Zeit eine der ökologisch besten Ackerpflanzen in die Unwirtschaftlichkeit führt, so Conzen weiter.
Mehr Zucker als der Markt braucht
Trotz des kräftigen Produktionsrückgangs in diesem Jahr wird in Europa immer noch mehr Zucker erzeugt als man verbraucht. Verantwortlich dafür sei in erster Linie der Wegfall der Produktionsquoten innerhalb der EU im Oktober 2017. Dass sieht zumindest Marlen Haß vom Thünen-Institut in Braunschweig so.
Sie sagt "Hauptursache für den Preisverfall ist die starke Produktionssteigerung in der EU im ersten Jahr ohne Quote". Die Produktion liege deutlich oberhalb des Verbrauchs, was die Preise drücke. Voraussichtlich werde das auch 2019 so bleiben. Den negativen Trend bestätigt auch Harald Wetzler, Geschäftsführer des Verbandes der baden-württembergischen Zuckerrübenanbauer in Heilbronn. Ihm zufolge wird auch die diesjährige Dürre daran nichts ändern.
"Man sollte annehmen, wenn das Angebot geringer ist, steigt der Preis", sagte Wetzler. "Doch das wird nicht so sein, denn mit dem Wegfall der Zuckermarktordnung haben die Unternehmen stärker auf den Export gesetzt, um ihre Fabriken auszulasten." Dadurch sei die Zuckermenge kräftig gestiegen. Zudem haben Länder wie Indien und Thailand ihre Produktion gesteigert.
"Als der Preis vor vier, fünf Jahren hoch war, wurde dort verstärkt Zuckerrohr angepflanzt - eine mehrjährige Pflanze, die jetzt in die Hochertragsphase kommt", erklärte er. Die hohen Exporte der beiden Länder hätten den Weltmarktpreis zusätzlich gedrückt. Das Preisniveau wird also mittelfristig niedrig bleiben, bilanziert Wetzler.
Zuckerindustrie in den roten Zahlen
Aber nicht nur die Rübenbauern haben Probleme. Auch die Zuckerindustrie steht wegen des dramatischen Preisverfalls bei Zucker massiv unter Druck. Der europäische Marktführer, die Südzucker AG, rechnet für das aktuelle Wirtschaftsjahr mit massiven Verlusten. Der Branchenprimus will deshalb Kosten senken. In einer Veröffentlichung heißt es allerdings wenig zuversichtlich: „Der drastische Rückgang der Zuckerpreise auf ein historisch niedriges Niveau kann bei weitem nicht durch sinkende Herstellkosten und höhere Verkaufsvolumina ausgeglichen werden.“
Auch bei den Konkurrenten ist die Stimmung mies. „Den Verfall der Zuckerpreise in der EU hat man in dieser Größenordnung nicht erwartet“, sagte Nordzucker-Kommunikationschef Christian Kionka. „Wir setzen alles daran, in diesem Geschäftsjahr einen Verlust zu vermeiden. Für das nächste Jahr werde sich dies aber kaum vermeiden lassen. „Es gibt keinen Weg zurück, aber wichtige politische Rahmenbedingungen müssten verbessert werden“, fordert deshalb Günter Tissen von der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ). Er kritisiert die unfaire Konkurrenz.
„Auf dem Weltmarkt gebe es vom Staat subventionierte Unternehmen etwa aus Brasilien, Thailand und Indien. Es sei ein Unding, dass diese mit Dumping-Preisen in den nun völlig liberalisierten EU-Zuckermarkt durchschlagen könnten“. Auch die Ausweitung der Anbauflächen in der EU habe nichts gebracht als weiteren Preisdruck. Der Export aus der EU sei derzeit jedenfalls nicht wirtschaftlich.
Hinzu kämen Sonderregelungen innerhalb der Gemeinschaft. In elf Ländern zahlen die Unternehmen den Landwirten an die Fläche gekoppelte Preise - aus Sicht der WVZ ebenfalls eine Wettbewerbsverzerrung. In einem Schreiben an die Kommission fordert die europäische Zuckerwirtschaft Gegenmaßnahmen zur handelsverzerrenden Politik wichtiger zuckerproduzierender Drittstaaten.
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