Andere Länder versuchen größere Mengen Weizen am Weltmarkt zu kaufen. Bereits in der vorigen Woche hat Rumänien, der zweitgrößte europäische Weizenexporteur, seine Grenzen für Ausfuhren in Drittländer dicht gemacht. Nun planen Russland und die Ukraine möglicherweise ähnliche Maßnahmen, denn ihre Exporte sind in den letzten Wochen drastisch angestiegen.
Gleichzeitig gingen die Exportpreise am Schwarzen Meer durch die Decke, ebenso wie die Preise für Brot und Grundnahrungsmittel am russischen und ukrainischen Binnenmarkt. Am europäischen Terminmarkt folgen die Weizenpreise den Weltmarkpreisen ebenso nach oben wie die Kassapreise an den Exporthäfen. Am heutigen Montag springen die Weizenpreise am europäischen Terminmarkt sehr weit über die 200-Euro-Marke auf 205 Euro – gleichzeitig klettert die neue Ernte auf 192 Euro je Tonne.
Frankreich könnte wegen der boomenden Nachfrage und den Restriktionen anderer großer Exporteure in diesem Jahr – trotz der sehr hohen Preise – so viel Weizen in Drittländer verkaufen wie noch nie. Auch in Deutschland profitieren die Weizenpreise von dem durch die globale Coronakrise ausgelösten Nachfrageboom.
Russland will Exporte im Mai stoppen
Am vergangenen Freitag hatte Russland angekündigt, den Weizenexport in Kürze auszusetzen. “Es gibt eine riesige Unsicherheit über die weltweite Weizenversorgung, nachdem Russland angekündigt hat, die Exporte möglicherweise einzustellen, und dies treibt die Preise nach oben", sagt ein Getreidehändler.
Russlands stellvertretende Landwirtschaftsministerin Oksana Lut hatte am Freitag gesagt, das Land werde die Ausfuhr bis zum 1. Juli einstellen, sobald die aktuelle Exportquote erschöpft sei, was voraussichtlich Mitte Mai geschehen wird. Russland hat den Weizenexport zuletzt 2010 vollständig verboten, als eine schlimme Dürre herrschte und die globalen Märkte erschütterte. Die Türkei, Ägypten und Bangladesch sind derzeit die größten Abnehmer von russischem Weizen.
Das russische Landwirtschaftsministerium hatte zudem am Freitag in einer Auktion 84.905 Tonnen Getreide, hauptsächlich Weizen, aus den staatlichen Lagerbeständen verkauft. Insgesamt hat das Ministerium seit dem Beginn der Verkäufe am 13. April 485.039 Tonnen Getreide verkauft. Exporteure dürfen an diesen Auktionen nicht teilnehmen. Das Ministerium plant, bis zu 1,5 Millionen Tonnen Getreide – 83 Prozent seines staatlichen Lagerbestands – auf dem Inlandsmarkt zu verkaufen, um das Angebot für Mühlen und Bäcker während der Coronakrise zu erhöhen und die Verbraucherpreise zu drücken.
Möglicher Exportstopp auch in der Ukraine
Die Ukraine, ein anderer weltweit führender Getreideexporteur, hat ebenfalls angekündigt, die Weizenexporte zu verbieten, wenn die Verkäufe die mit den Händlern vereinbarten Mengen überschreiten, sagte der für Landwirtschaft zuständige stellvertretende Wirtschaftsminister Taras Vysotskiy gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Beschränkungen der ukrainischen Getreideexporte könnten die Ausfuhren der beiden anderen Schwarzmeerproduzenten Russland und Kasachstan beschleunigen, glauben Analysten, so dass beide Länder ihre Getreideexporte früher als bisher erwartet stoppen.
Die Ukraine hat 2019/20 bislang 18 Millionen Tonnen Weizen exportiert, so dass im weiteren Verlauf dieser Saison, die bis zum 30. Juni läuft, nach dem mit den großen Getreide-Händlern unterzeichneten Memorandum weitere 2 Millionen Tonnen für den Export zur Verfügung stünden. "Wenn das Exporttempo so hoch wird, dass wir im Verlauf des April 2 Millionen Tonnen exportieren, müssen wir, dass Memorandums umsetzen, um den Export zu stoppen", sagte Taras Vysotski.
Die ukrainischen Weizenexporte stiegen jedoch in der Woche vom 11. bis 17. April um fast 50 Prozent, obwohl die Regierung warnte, dass sie Lieferungen verbieten könnten, wenn die Exportraten zu hoch sind. Die Weizenernte in der Ukraine übersteigt eigentlich den Inlandsverbrauch bei weitem, doch im vergangenen Monat forderten ukrainische Bäcker und Müller die Regierung auf, die Getreideexporte zu begrenzen, um die Brotpreise aufrechtzuerhalten. Die ukrainische Regierung hat jedoch bisher nur den Export von Buchweizen gestoppt. Außerdem will man die derzeit bestehenden Einfuhrzölle für einige Getreidearten aufheben.
Rumänien stoppt alle Exporte in Drittländer
Die durch das Coronavirus verursachten Markturbulenzen veranlassten auch den zweitgrößten europäischen Weizenexporteur Rumänien, die Getreideexporte an Abnehmer außerhalb der Europäischen Union zu verbieten, um seinen Inlandsbedarf während der Coronakrise abzusichern, sagte der Innenminister Marcel Vela. Weizen, Gerste, Hafer, Mais, Reis, Weizenmehl, Ölsaaten und Zucker unterliegen dem von der rumänischen Regierung erlassenen Ausfuhrverbot.
Rumänien ist ein bedeutender Getreideexporteur für den Nahen Osten, und Ägypten ist einer der wichtigsten Abnehmer. Rumäniens Weizenexportverträge mit Ägypten und anderen Ländern, die vor dem 10. April geschlossen wurden, werden aber nicht gestoppt", sagte der Landwirtschaftsminister Adrian Oros gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Ägypten, der weltweit größte Weizenimporteur, hatte bei einer Ausschreibung am 11. Februar auch drei Ladungen mit jeweils 60.000 Tonnen rumänischem Weizen gekauft. Händler berichten nun, dass sich im rumänischen Schwarzmeer-Hafen Constanta noch mindestens ein Schiff befindet, auf dem Weizen für den staatlichen ägyptischen Getreideeinkäufer GASC verladen wird.
Frankreich peilt Ausfuhrrekord an, weniger Absatz in Europa
Frankreich ist auf dem besten Weg, in dieser Saison eine Rekordmenge Weichweizen in Drittländer zu exportieren, wenn die Handelsfirmen weiterhin die durch die Corona-Krise verursachten logistischen Probleme überwinden, um die starke Nachfrage aus Ländern wie China zu befriedigen, berichtet das Landwirtschaftsbüro FranceAgriMer. In seiner monatlichen Angebots- und Nachfrageprognosen erhöhte FranceAgriMer seine Erwartung an die französischen Weichweizenexporte in Drittländer von 12,7 Millionen Tonnen auf 13,2 Millionen Tonnen.
Diese Prognose liegt 36,5 Prozent über dem Niveau der vorigen Saison und würde bei einer Realisierung die bisherige Rekordmenge von 12,9 Millionen Tonnen übertreffen, die Frankreich 2010/11, während eines Exportembargos Russlands, verschifft hat. "Die aktuelle Prognose berücksichtigt auch den außergewöhnlich hohen Abfluss von Weichweizen nach China", sagte Marion Duval von FranceAgriMer.
Die Corona-Sperrmaßnahmen, die vor einem Monat begonnen haben und bis zum 11. Mai gelten, haben zusätzliche Kosten verursacht, aber Getreidefirmen konnten Häfen und andere Ziele gut versorgen, sagt Jean-Francois Loiseau, vom Getreidehändler Intercereales. Die französische Inlandsnachfrage nach Weizen hat FranceAgrimer im Vergleich zum Vormonat allerdings um 400.000 Tonnen reduziert, da die Nachfrage nach Backwaren und Biokraftstoffen auf pflanzlicher Basis zurückgegangen war.
Außerdem wurden die erwarteten Weichweizenexporte innerhalb der EU von 8,1 Millionen auf 7,7 Millionen Tonnen gesenkt. Die Experten von France-Agrimer verwiesen dabei auf eine geringere Nachfrage in anderen Teilen Europas sowie auf eine bereits spürbare Verlagerung der Nachfrage der Futtermittelhersteller hin zu billigerem Getreide und Mais.
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