
Das Problem ist: Gerade scheinen sich die bisherigen Prognosen über eine lang anhaltende Knappheit am Getreide-Markt in Luft aufzulösen. Das hat offenbar zwei Gründe: Zum einen fallen die aktuellen Ernteschätzungen größer aus als noch vor einigen Wochen. Das gilt ganz besonders für die europäischen Länder – und außerdem für Russland und die Ukraine. Zum anderen hat die US-Regierung, mit wiederholten Ankündigungen über eine mögliche Reduzierung der Beimischungsplicht bei Benzin und Biodiesel, für massive Unruhe an den Märkten gesorgt.
Die Preise für Mais und Soja wurden durch diese Ankündigungen auf Talfahrt geschickt, denn große Teile der US-Maisernte werden für die Herstellung von Bioethanol verwendet. Völlig unklar ist bisher aber, wie groß die neue Mais- und Sojaernte in den USA denn nun wirklich wird. Im gesamten Maisgürtel des Mittelwestens ist es nämlich seit Wochen extrem trocken. Das hat bereits zu deutlichen Korrekturen am Ertragspotential geführt. Auch der Sommerweizen im Norden der USA und in den Präriesaaten Kanadas hat massiv unter Regenmangel gelitten. Das könnte die Getreidepreise also schnell wieder in die andere Richtung schicken.
Zuletzt überwogen am Markt jedoch die bärischen Argumente – zumal für die nächsten Wochen immer wieder Regen angekündigt wurde. Fakt ist jedoch: In den USA ist noch alles offen - sowohl die Größe der neuen Ernte als auch die Entscheidungen zur Beimischungspflicht.
Neue Daten, zur möglichen Größe der US-Getreide-Ernte, wird der neue Anbau-Report (Acreage) am 30. Juni bringen. Dann sagt das USDA, wieviel Mais, Soja und Weizen die US-Farmer denn nun wirklich gepflanzt haben und leitet eine Woche später, von diesen Daten, die neuen Ernteprognosen ab. Heftige Marktreaktionen sind da schon mal vorprogrammiert.
Die Dürre in den USA wird schlimmer und nicht besser

Fakt ist also: So ganz stimmt die jüngste Preisentwicklung nicht mit der Marktentwicklung überein. Um so schneller kann es deshalb wieder in die andere Richtung gehen. Denn: Noch immer herrscht eine schwere Dürre in großen Teilen des US-Maisgürtels und bedroht die kürzlich ausgesäten Mais-, Sojabohnen- und Sommerweizenbestände.
Ganz besonders betroffen sind derzeit die Bundesstaaten Iowa, Minnesota sowie North- und South Dakota, sagen US-Meteorologen. Punktuelle Erleichterung brachten die jüngsten Regenfälle nur im nördlichen Mittleren Westen und in den Great Plains. Die weiter bestehenden Feuchtigkeitsdefizite zeigen indessen, dass die Erträge in den wichtigen US-Produktionsgebieten massiv gefährdet sind. In einigen Bundesstaaten wurden bereits Wasserrationierungen beschlossen.
Laut dem am vorigen Donnerstag veröffentlichten US-Dürremonitor befanden sich etwa 41 Prozent von Iowa, dem größten Maisproduzenten des Landes, in einer schweren Dürre. Kühleres Wetter und etwas Regen in der aktuellen Woche dürften nur etwas Erleichterung bringen. Die Bedingungen in North Dakota, dem größten Produzenten von Sommerweizen, sind weiterhin sehr schlimm. Zwei Drittel des Bundesstaates leiden unter einer extremen Dürre.
US-Analysten sagen außerdem, dass vor allem die Bedingungen im Juli und auch im August, dass sind die besonders kritischen Monate für Mais und Sojabohnen, das Ausmaß der Ertragsverluste und die weiteren Preisreaktionen bestimmen werden.
Europäer drängen auf die Exportmärkte - auch Deutschland

Das europäische Analystenhaus Strategie Grains hat seine Prognose für die EU-Weichweizenexporte in der vorigen Woche deutlich angehoben. Gründe sind die größer erwartete Ernte und die attraktiven Preise in Rumänien, Bulgarien, Deutschland, Polen und den baltischen Staaten - im Vergleich zu Russland, hieß es. Die EU-Versorgung wird sehr gut sein, glauben die Analysten.
Regen und günstiges Wetter im vorigen Monat, hatten die Prognosen für die neue europäische Weizenernte deutlich nach oben getrieben. Wettbewerbsfähige Preise verhelfen den EU-Ländern in der neuen Saison, die im Juli beginnt, zudem zu umfangreichen Exporten, schreiben die Analysten von Strategie Grains. Dieser Nachfrage-Sog dürfte auch die Preise für die Bauern stützen.
Die Exportsteuer in Russland bremst außerdem den Export vom Schwarzen Meer, obwohl die Ernte dort zuletzt ebenfalls nach oben korrigiert wurde und die russischen Weizenpreise fallen. Wenn die russischen Exportbarrieren jedoch bestehen bleiben, wird sich ein Teil der Nachfrage in die EU verlagern, sind die meisten Analysten überzeugt.
Frankreich hat zudem weitere Vorverkäufe nach China gemeldet. Bereits im Frühjahr hatten Händler über chinesische Einkäufe von rund 1 Million Tonnen Weizen der neuen französischen Ernte berichtet. Jetzt sind offenbar weitere Einkäufe hinzu gekommen. Der starke französische Verkauf nach China könnte es deutschen und polnischem Exporteuren ermöglichen, größere Ausfuhren nach Algerien und an andere typische französische Abnehmerländer durchzuführen, glauben Marktbeobachter.
Es wird außerdem erwartet, dass der Iran ein wichtiger Absatzmarkt für deutschen Weizen bleibt. Erhebliche Unsicherheit für die Weizenpreise geht jedoch weiter von der (auch zollpolitischen) Entwicklung in Russland und der Ukraine aus. Beide Länder erwarten derzeit jedoch sehr große Ernten.
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