
Lässt man die beiden aus preislicher Sicht außergewöhnlichen Jahre 2021 und 2022 einmal unberücksichtigt, zeigen die Weizenpreise, trotz aller Schwankungen, über die Jahre ein ganz eindeutiges saisonale Muster (siehe Grafik). Danach fallen die Weizenpreise im Schnitt der letzten 7 Jahre etwa 4 bis 8 Wochen vor Erntebeginn um 10 Euro je Tonne.
Doch das ist nicht der saisonale Tiefpunkt der Preise: Noch deutlicher geht es dann in allen Jahren unmittelbar nach der Ernte nach unten. Im Schnitt fallen die Weizenpreise nach der Ernte nochmals um mindestens 10 Euro je Tonne, auf den niedrigsten Stand des Jahres. Wer als Landwirt seinen Weizen zu diesem Zeitpunkt verkaufen musste, erzielte die mit Abstand schlechtesten Preise des Jahres. Diese liegen im langjährigen Schnitt 20 bis 30 Euro (oder 15 bis 20 %) unter den Höchstpreisen eines Jahres.
Die Gründe für solch einen Verkauf, zu einem marktechnisch sehr ungünstigen Zeitpunkt, können sehr unterschiedlich sein und in Liquiditäts-Problemen oder auch fehlenden Lager-Möglichkeiten liegen. Schaut man einmal auf die Preiskurve, wird jedoch eines deutlich: Die Einlagerung von Getreide lohnt in den allermeisten Jahren und bringt dem Landwirt im Schnitt deutlich höhere Erlöse als der Verkauf nach Ernte.
Strategisch gesehen ist mit Einlagerung also ein deutlich besserer Verkauf möglich, denn wenn man die Vermarktung zeitlich splitten kann und einem Vermarktungsplan folgt, dann sind die Erlöse deutlich höher. Im Schnitt der letzten Dekade sind die Getreidepreise nach ihrem Tiefpunkt im September kontinuierlich gestiegen. Und sie haben in aller Regel am Ende des Jahres und in den ersten drei bis vier Monaten eines Jahres ihren höchsten Stand erreicht. Danach gehen es bis zur Ernte dann wieder nach unten. Dieses Muster ist ziemlich eindeutig.
Manipulation schwer möglich – Alle Infos stecken im Preis
Eine Manipulation der Getreidepreise an den Terminmärkten (und damit auch der eng mit den Terminmärkten verbundenen Kassapreise) durch große Hedge-Fonds, Großanleger oder Getreidehändler, scheint schon wegen der gewaltigen an den Börsen gehandelten Mengen/Umsätze schwer möglich. So lag der Tagesumsatz bei Weizen am US-Terminmarkt CBOT in den letzten Wochen zwischen 35.000 und 80.000 Kontrakten: Das entspricht bei einer Kontraktgröße von 5000 Buschel bzw. 136 Tonnen einem Umsatz etwa 4 bis 11 Millionen Tonnen Getreide täglich. Das ist bis zur Hälfte der deutschen Weizenernte. An der europäischen Terminbörse MATIF lag der Tagesumsatz zwischen 15.000 und 40.000 Kontrakten - mit jeweils 50 Tonnen je Kontrakt. Das waren bis zu 2,0 Millionen Tonnen täglich!
Großen Einfluss auf die Preise haben hingegen die über das mögliche Angebot und die Nachfrage bekannten Informationen. Auf diese Informationen reagieren die Preise sofort und übersetzten sie unmittelbar in neue Preise. Dazu gehören Prognosen über Ernten (etwa der USDA-Report), Exportstopps, Handelsrestriktionen, Ertragsprognosen, das Wetter und einiges mehr. Jeder Markbeteiligte kann über die Terminmarktpreise sofort ablesen wie der Markt bzw. die Masse der Marktbeteiligten die Lage einschätzt. Ausdruck dieser Einschätzung ist dann der neue Preis.
Im Vorteil ist nur, wer einen gewissen Vorsprung an Informationen hätte und etwas eher regieren könnte. Das sind jedenfalls nicht die Landwirte. Doch eines ist in den letzten beiden Jahren ebenfalls deutlich geworden: In die Zukunft sehen kann auch niemand. Weder das USDA noch ein Getreidehändler. Und auch die besten Prognosen sind nur ein Hilfsmittel, sie gelten nur für kurze Zeit und stimmen in der Regel selten mit dem überein, was dann wirklich passiert.
Sind neue Informationen bekannt, reagiert der Markt unmittelbar und oft sehr heftig. Kurzfristig kommt es dann auch zu Übertreibungen und großen Preisausschlägen. Nach einer Weile pendeln sie Preise sich jedoch auf einem Konsensniveau wieder ein. Bis neue Informationen vorliegen.
Getreidepreise bleiben hoch – einlagern und absichern

Die beiden letzten Jahre waren in mancher Hinsicht eine Ausnahme: weil besonders viele nichtlandwirtschaftliche und globalökonomische Faktoren – insbesondere der Ukrainekrieg - auf die Getreidemärkte wirkten und die langfristigen Auswirkungen schwer oder gar nicht mehr abzuschätzen waren. Die Folge war ein deutlich höheres Preisniveau und erheblich stärke Preisschwankungen als in „normalem“ Jahren.
Vor allem die extreme Volatilität verunsichert Landwirte, aber auch Getreidehändler und führt auch politisch zu heftigen und teilweise überzogen Reaktionen bei Importeuren und Exporteuren. Dazu kamen dann noch die üblichen Faktoren wie das Wetter und die daraus abgeleiteten Ernteprognosen. Fakt ist aber: Die Getreidepreise sind wie in den Jahren zuvor vor der Ernte gefallen und könnten auch nach der Ernte noch etwas nach unten gehen.
Das Preisniveau ist jedoch weiterhin erheblich höher als in den Jahren zuvor und die vielen politischen Einflussfaktoren machen Prognosen nahezu unmöglich oder reduzieren deren ohnehin geringe Halbwertzeit noch weiter. Ob die Getreidepreise nun noch weiter fallen oder ob sie rasch wieder steigen, lässt sich kaum sagen. Denn an der grundlegenden Situation, der schlechten globalen Versorgung hat sich kaum etwas verändert.
Und die Folgen des Ukrainekriegs werden noch lange auf den Getreidemarkt nachwirken. Außerdem sind auch in diesem Jahr zwei Dinge klar: Landwirte mit Lagermöglichkeiten sind bei der Vermarktung klar im Vorteil. Sie haben bereits 2021 deutlich bessere Preise erzielt. Und wer außerdem einen Teil seiner Ernte am Terminmarkt abgesichert hat, kann auch nach dem letzten Preisrutsch mit insgesamt deutlich höheren Erlösen kalkulieren, als die Landwirte, die das nicht getan haben.
Erzeugerpreise für Getreide und andere Marktfrüchte auf agrarheute
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