
Die Weizenpreise der neuen Ernte fallen am Donnerstag im laufenden Handel um weitere 11,50 Euro auf 359 Euro Tonne. Das ist gegenüber der letzten Preisspitze von Mitte Mai von 441 Euro ein Preissturz von 82 Euro oder knapp 20 Prozent. Noch schlimmer geht es für den Raps nach unten: Hier fallen die Preise für die neue Ernte im laufenden Handel am Donnerstag um weitere 24 Euro auf 671 Euro je Tonne. Gegenüber der letzten Preisspitze von Mitte Mai, von 881 Euro je Tonne, ist das ein Absturz von 210 Euro oder 24 Prozent.
Doch was sind die Auslöser für diesen Preisverfall, fragen sich Landwirte und Analysten und suchen nach plausiblen Erklärungen. Als erstes Argument dient natürlich die mögliche Schaffung von See-Korridoren für den Getreideexport aus dem ukrainischen Hafen Odessa. Russland und die Türkei einigten darauf, die Gespräche über einen potenziellen sicheren Seekorridor im Schwarzen Meer fortzusetzen, um Getreide aus der Ukraine zu exportieren, teilten das russische und das türkische Verteidigungsministerium am Mittwoch mit.
In einer Erklärung sagte das türkische Verteidigungsministerium, dass ein türkisches Frachtschiff, die Azov Concord, Mariupol als Ergebnis der Gespräche ebenfalls sicher verlassen habe, und fügte hinzu, dass das Schiff das erste ausländische Schiff sei, das den Hafen seit der russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar verlassen habe.
Am Dienstag hatte die Nachrichtenagenturen Reuters und Tass berichtet, dass in den kommenden Wochen ein Treffen zwischen Russland, der Ukraine, der Türkei und den Vereinten Nationen in Istanbul stattfinden werde. Die Türkei hat nun angeboten, die Umsetzung des Seekorridorplans zu überwachen.
Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu sagte am Donnerstag zudem, dass Ankara Behauptungen untersuche, dass ukrainisches Getreide von Russland gestohlen und in Länder wie die Türkei verschifft worden sei, fügte aber hinzu, dass bisher keine gestohlenen Sendungen gefunden wurden.
Die russischen Angriffe auf die ukrainische Hafenstadt Mykolajiw am Mittwoch, bei denen Getreideterminals der internationalen Händler Bunge und Viterra beschädigt wurden, haben die Händler jedoch skeptisch gegenüber die Chancen eines Seekorridor-Deals gemacht.
Russlands große Ernte und massive Rezessionsängste

Analysten haben neben der Entwicklung am Schwarzen Meer aber noch andere Erklärung für den Preissturz parat. So sagt der Analyst Gautier Le Molgat von Agritel, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: „Wir stehen vor einer schweren globalen Krise, an Märkten, die den höchsten Stand erreicht hatten und nun zu fallen beginnen und auch auf die neue Ernte warten.“
Die Hitzewelle in Frankreich und Westeuropa kam hingegen zu einer Zeit, als der Weizen in der Entwicklung bereits relativ fortgeschritten war und nicht zu sehr leiden dürfe, sagen jedenfalls Analysten aus Frankreich. Der frühe Beginn der Getreideernte in Europa und den USA bringt weiteren Druck auf die Getreidepreise. In den USA kommt die Weizenernte zudem sehr zügig voran, während die Getreideernte in Russland in einem günstigen Umfeld beginnt.
Für manche Analysten sind die Weizenpreise auch gefallen, weil Russland seine Ernteprognose auf etwa 89,2 Millionen Tonnen erhöht hat, was ein neuer Rekord wäre. Das ist jedoch eine Schätzung, die etwa die Analysten von Agritel als "sehr optimistisch" einstuften.
Fakt ist aber auch: Der jüngste Preisverfall hat viele Importeure motiviert, wieder ins Geschäft zu kommen. Algerien hat in einer Ausschreibung 600.000 Mahlweizen für August gekauft. Tunesien startete eine Ausschreibung für 75.000 Tonnen Weizen und 50.000 Tonnen Gerste, die von Juli bis August verladen werden sollen.
Aus der Ukraine werden derzeit zwischen 1,5 und 1,7 Millionen Tonnen Getreide (alle Getreidearten zusammen) monatlich auf der Straße und der Schiene exportiert. Das sind immer noch 5 bis 6 Mal weniger als vor Kriegsausbruch über die Schwarzmeer-Häfen verkauft wurden.
Die meisten Analysten erwarten jedoch, dass die Getreide-Märkte in den kommenden Wochen extrem volatil bleiben werden. Vor allem die Wetterbedingungen auch in Europa werden sehr kritisch beobachtet, insbesondere während der entscheidenden Maisblütezeit im Juli", sagte das Beratungsunternehmen Agritel.
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