
Die Ukraine verkauft nicht nur große Mengen Futtermais und Futterweizen in andere Länder, sondern es gehört zusammen mit Russland auch zu den größten Exporteuren von Futtergerste. In der laufenden Saison wurden immerhin fast 6 Millionen Tonnen über die ukrainischen Häfen verschifft. Das sind fast 1,5 Millionen Tonnen mehr als Russland verkauft hat.
Zwar geht diese Gerste nicht nach Europa, aber es sind dieselben Abnehmer in Nordafrika und im Nahen Osten, die auch Russland und die Europäer beliefern. In Europa gehören neben Frankreich auch Deutschland und Rumänien zu den großen Exporteuren. Außerdem wird aus dem Baltikum Gerste in Drittländer verkauft. Andere große Exporteure wie Australien oder Argentinien verkaufen ihre Gerste vor allem in Asien, während Kanada den US-Markt bedient.
Der Ausfall der Ukraine als Exporteur, hatte bereits in dieser Saison erhebliche Auswirkungen auf die Preise, die wohl noch bis weit ins nächste Jahr reichen. Denn auch die Europäer können möglicherweise weniger Futtergerste exportieren, denn ihnen fehlt der Mais aus der Ukraine. Und diese Lücke müssen sie mit Futterweizen und Futtergerste stopfen. Die Kommission geht in ihrer ersten Prognosen für die neue Saison 2022/ 23 davon aus, dass der Futterverbrauch und die Exporte von Gerste zunehmen, weil man mit einer größeren Gersten-Ernte rechnet.
Futtergerste im Großhandel bei knapp 400 Euro

Doch nun zu den Preisen: Für Futtergerste werden am Großmarkt und Exporthafen Hamburg derzeit 385 bis 390 Euro je Tonne geboten. So hohe Preise wurden noch nie zuvor gezahlt und die magische Marke von 400 Euro ist nicht mehr weit entfernt. In Frankreich, am wichtigsten Handelsplatz und Exporthafen Rouen, werden den Lieferanten sogar 398 Euro geboten. Für den Export (fob) wurde die Gerste in Frankreich zuletzt für 440 USD je Tonne (407 Euro) verladen.
Die neue Ernte 2022 wird in Rouen derzeit mit 357 Euro notiert und in Hamburg mit 340 Euro je Tonne. Der Preisvorteil der Franzosen rührt ganz offensichtlich aus den Exportmöglichkeiten nach China, die den deutschen Exporteuren nach wie vor fehlen (weil es keine phytosantären Vereinbarungen gibt). China ist in der laufenden Saison, deutlich vor Marokko, Algerien, der Türkei und Saudi-Arabien, mit rund 2,6 Millionen Tonnen der mit Abstand größte Abnehmer von europäischer (französischer) Gerste.
In diesem Jahr ist Futtergerste jedoch nicht nur an den Exportmärkten gefragt. Auch am europäischen Binnenmarkt lassen sich sehr hohe Preise erzielen – wie oben genannte Kurse zeigen. Die Futterwirtschaft muss nämlich nicht nur den Ausfall der ukrainischen Maislieferungen ausgleichen, sondern sie braucht für den sehr teuren Futterweizen – der aktuell in Hamburg 436 Euro je Tonnen kostet – ebenfalls günstigere Alternativen. Und das ist dann eben die Futtergerste.
Doch die guten Absatzmöglichkeiten am Binnenmarkt und im Export ziehen die Futtergerstenpreise immer weiter nach oben. Wahrscheinlich wären die Preise noch höher, wenn die hohen Bestandsverluste durch die Vogelgrippe nicht die Nachfrage in etlichen Ländern deutlich dämpfen würde.
Prämie für Braugerste schmilzt zusammen

Und wie siehst es bei Braugerste aus? Hier lagen die Preise im März im südwestdeutschen Großhandel bei 415 Euro je Tonne und damit rund 30 Euro über den Kursen für Futtergerste. Im April sind die Preise nochmals um etwa 10 Euro gestiegen – auf rund 425 Euro je Tonne. Auf Erzeugerebene lagen die Preise im Südwesten zuletzt zwischen 390 und 400 Euro je Tonne, meldet die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Für die neue Ernte sind die Preisvorstellungen derzeit etwa 50 bis 60 Euro niedriger.
In Frankreich werden für Braugerste der alten Ernte am wichtigsten Handelsplatz Creil ähnliche Preise wie in Deutschland geboten – nämlich rund 430 Euro je Tonne. Die neue Ernte wird bei unseren Nachbarn derzeit mit 395 Euro bewertet. Zwar befinden sich die Preise für Braugerste derzeit auch auf einem Rekordniveau – dennoch ist die Prämie gegenüber Futtergerste zuletzt deutlich zusammengeschmolzen. So lag der Preisaufschlag im März und April zwischen 30 und 40 Euro.
Zum Jahreswechsel hat Braugerste noch etwa drei Monate lang 130 Euro mehr (395 Euro) gekostet als Futtergerste (260 Euro). Das ist nun offenbar vorbei, auch wenn die Braugerste bis zur neuen Ernte knapp ist. Die neue Sommergerstenernte sieht der Raiffeisenverband (DRV) in seiner aktuelle Prognose etwa 15 % größer als 2021 bei 1,75 Millionen Tonnen. Doch davon dürfte bestenfalls 1,0 Millionen Tonnen Brauergerste sein. Benötigt werden von den Brauern jedoch 1,5 Millionen Tonnen, sagen die Statistiker.
Doch in diesem Jahr ist es nicht schlimm, wenn die Sommergerste keine Braugerste wird, denn die Preise für Futtergerste sind fast ebenso hoch.
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