
In der zweiten Hälfte der vorigen Woche sind die Weizenpreise für die neue Ernte am europäischen Terminmarkt um 31,50 Euro auf knapp 358 Euro je Tonne nach oben geschossen, nachdem es zuvor bis 332 Euro je Tonne steil nach unten ging. Allein am Freitag legten die Preise um knapp 19 Euro je Tonne zu. Und im vorbörslichen Handel der neuen Woche sieht es nach weiter deutlich steigenden Weizenpreisen aus.
Am Terminmarkt in Chicago waren die Weizenpreise am Ende der vorigen Woche um 87 Cent oder 11 % auf 891 Cent je Buschel gestiegen. Am heutigen Montag (11.07) notiert der US-Weizen im vorbörslichen Handel erneut 19 Cent im Plus bei knapp 911 Cent je Buschel. Das ist in drei Tagen ein Anstieg von 13 %!! Und die europäischen Notierungen werden diesen Vorgaben folgen.
Solche extremen Preisschwankungen wie sie derzeit zu beobachten sind, hat es zuvor noch nicht gegeben, auch wenn die Märkte in Krisenzeiten besonders sensibel und geradezu hysterisch auf neue Nachrichten reagieren. Das könnte sich im übrigen am Dienstag Abend (MEZ) dieser Woche wiederholen, wenn der neue USDA-Report vom Juli neue Daten und Prognosen zur globalen Getreideernte 2022 bringt.
„Angst und Gier sind die vorherrschenden Emotionen an den Börsen und sie sind die Triebfedern für die großen Übertreibungen bei den Kursen, in völlig überzogene Höhen als auch in ungerechtfertigte Tiefen, sagt der Börsenanalyst Michael C. Kissing in einer aktuellen Analyse zu den extremen Preisschwankungen, die derzeit auch die Aktienmärkte beherrschen.
„Unsere evolutionsbedingte Grundkonditionierung legt hierfür die Basis und so neigen wir Menschen dazu, negative Dinge viel stärker wahrzunehmen als positive“ erklärt der Analyst die heftigen und nicht unbedingt fundamental begründbaren Preisabstürze.
Deutscher Weizen ist Verkaufsschlager

Weizen aus der Europäischen Union ist zu Beginn der aktuellen Erntesaison 2022/23 an den globalen Märkten stark nachgefragt, berichten Getreidehändler und Analysten. Das treibt die Preise auch am EU-Binnenmarkt wieder steil nach oben. Große Importeure hatten nach dem Preisrutsch in der Vorwoche begonnen zu kaufen, nachdem allen klar wurde, dass man auch in der neuen Saison unbedingt Alternativen zu den weiter gestörten ukrainischen Lieferungen braucht.
Ein Einkauf von deutschem Weizen durch den staatlichen Getreideeinkäufer Ägyptens, außerhalb der sonst üblichen Ausschreibungen machte deutlich, wie sehr EU-Weizen im Nahen Osten und in Afrika gefragt ist, um die Nachfrage zum Beginn der neuen Saison abzudecken. „Es sieht so aus, als müsste die EU einen großen Teil der Lücke füllen, die der ukrainischen Weizen in diesem Sommer hinterlässt“, sagte ein Händler gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Analysten berichten von ungewöhnlich großen Mengen von vorab verkauftem deutschem Weizen aus neuer Ernte. Dieser Weizen geht unter anderem in den Iran und nach Nord-Afrika. Auch in Frankreich wird bereits rege Weizen verladen, da die Ernte sehr früh begonnen hat und solch wichtige Importeure wie Algerien und Marokko weniger Einkaufsmöglichkeiten in der Schwarzmeerregion haben. Der hohe Importbedarf Marokkos, nach einer schweren Dürre, wird nach Einschätzung von Händlern voraussichtlich dazu führen, dass mehrere hunderttausend Tonnen französischer Weizen zusätzlich verschifft werden.
Französische Landwirte hatten bis zum 4. Juli bereits 14 % der diesjährigen Weichweizenernte eingebracht, teilte das Landwirtschaftsamt FranceAgriMer am Freitag mit.
Ukraine fällt weiter aus – Europäer springen ein - und Russland?
Der unerbrochene Schwarzmeerexport hat auch Anfragen von Käufern in Südostasien nach EU-Weizen ausgelöst, berichten Händler gegenüber Reuters. Weiterhin gibt es offenbar Interesse aus China, einem wichtigen Absatzmarkt für französischen Weizen (und Gerste) in den letzten beiden Wirtschaftsjahren. Die aktuelle Exportprognose der EU-Kommission geht (trotz schwacher Ernte) im Jahr 2022/23 von Weichweizenexporte von 38 Millionen Tonnen aus.
Andere Analysten halten die erwarteten Rekordexporte jedoch für unwahrscheinlich und rechnen eher mit Ausfuhren von 30 Millionen Tonnen, da sie die sich verschlechternden Ernteaussichten in der EU und die starke Konkurrenz aus Russland (mit einer Rekordernte) befürchten. Russland hat zudem seine Exportsteuern drastisch gesenkt, um der Verkauf der erwarteten Rekordernte anzukurbeln.
Der Verlauf und die Folgen des Ukraine-Krieges bleiben jedoch die größten Unsicherheitsfaktoren für den weiteren Marktverlauf. Während die diplomatischen Gespräche zur Wiedereröffnung der ukrainischen Getreidehäfen fortgesetzt werden, versucht die Ukraine ihr Getreide derzeit auf verschiendenen Wegen über Rumänien, Polen oder das Balikum zu exportieren.
Anfang Juli haben die ukrainischen Landwirte die erste Million Tonnen Getreide der Ernte 2022 von etwa 3 % der Aussaatfläche gedroschen, teilte das ukrainische Landwirtschaftsministerium am Freitag mit. Das Ministerium sagte weiter, die Landwirte hätten 1,1 Millionen Tonnen Getreide von 417.300 Hektar, mit einem durchschnittlichen Ertrag von 2,63 Tonnen pro Hektar geerntet.
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