
Die Weizenpreise waren am Freitag auf ein 5-Monatstieg gefallen. Grund war ein mögliches Abkommen über den Getreideexport von den blockierten ukrainischen Schwarzmeerhäfen. Analysten und Getreidehändler bleiben jedoch weiterhin sehr skeptisch, was eine rasche und praktikable Umsetzung der Hafenöffnung betrifft.
"Wir beobachten einen sehr nervösen Markt, mit extrem starken Schwankungen der Preise und einer Marktorientierung, die nach unten zeigt", sagt dazu der Analyst Gautier Le Molgat, von Agritel. Im Verlauf der vorigen Woche sind die Weizenpreise für die neue Ernte am europäischen Terminmarkt um 32 Euro auf knapp 325 Euro je Tonne gefallen. Allein am Freitag stürzen die Preise um 17 Euro je Tonne nach unten.
Im vorbörslichen Handel der neuen Woche sieht es jedoch nach einer Preiserholung und steigenden Weizenpreisen aus. Am Terminmarkt in Chicago waren die Weizenpreise in der vorigen Woche um 115 Cent oder 13 % auf 777 Cent je Buschel gefallen. Damit waren die Kurse auch unter die psychologisch wichtige 800-Cent-Marke gerutscht.
Am heutigen Montag (18.07) macht der US-Weizen im vorbörslichen Handel jedoch wieder Boden gut und notiert 22 Cent im Plus bei knapp 799 Cent je Buschel. Und die europäischen Getreidepreise werden heute sicher zunächst nach oben folgen.
Preisschwankungen kommen nicht vom Getreide

Analysten sagen, dass ein großer Teil der Preisschwankungen nicht von der Entwicklung an den Getreidemärkten selbst kommt. Vielmehr kommt der Verkaufsdruck offenbar auch von den zahlreichen makroökonomischen Einflussfaktoren und Schwankungen wie etwa wachsender Rezessionsangst und dem jüngsten Preisverfall bei Rohöl und Metallen. Diese „externen Einflüsse“ belasten auch die Getreidepreise, obwohl sich die landwirtschaftlichen Fundamentaldaten (Ernteprognosen, Wetter) in den letzten Wochen bei weitem nicht so schnell und stark verändert haben.
Das Landwirtschaftsministerium der USA (USDA) prognostiziert in seinem am vorigen Dienstag veröffentlichten Monatsbericht sogar einen Rückgang des weltweiten Weizenangebots – hauptsächlich aufgrund der Dürre in Westeuropa und einer kleineren Ernte in der Ukraine – und korrigierte außerdem seine Verbrauchsprognosen nach unten.
Der schwache Euro bzw. die mittlerweile erreichte Euro-Dollar-Parität, dürften die Wettbewerbsfähigkeit von europäischem Getreide an den globalen Märkten indessen verbessern und die Preise stützen. Hinzu kommen die knappen globalen Lagerbestände bei Weizen – aber auch bei Mais und Sojabohnen.
An Bedeutung gewonnen haben für die Preisentwicklung zuletzt vor allem auch die meteorologischen Risiken – etwa die übermäßige Hitze, die dem Mais im amerikanischen Maisgürtel zu schaffen macht, aber vor allem die extreme Hitze und Trockenheit in Europa, die die Ernten weiter reduzieren werden.
Ukraineexport und Hafenöffnung: Händler und Analysten skeptisch
Hinzu kommt die anhaltende Skepsis der Märkte, über die Entwicklung an den ukrainischen Schwarzmeerhäfen. Die meisten Analysten und Händler sind sehr skeptisch in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit, dass sichere Korridore für ukrainische Exporte eingerichtet werden können. Ein Abkommen würde es der Ukraine theoretisch ermöglichen, rund 20 Millionen Tonnen Getreide der alten Ernte zu exportieren und mit der Einlagerung der neuen Ernte an den Häfen zu beginnen.
Das russische Verteidigungsministerium sagte am Freitag, dass nach Verhandlungen zwischen Moskau, Kiew, Ankara und der UN in Kürze ein „Abschlussdokument“ vorliegen wird, um den Export von Getreide aus der Ukraine zu ermöglichen.
Die aktuelle bereits laufende Weizenernte Russlands dürfte nach Einschätzung von Analysten sehr groß werden. Das USDA prognostiziert indessen „nur“ eine russische Weizenproduktion von 81,5 Millionen Tonnen. Die Analysten von Agritel und verschiedenen anderen Analystenhäusern, halten diese Prognose für zu vorsichtig und erwarten eine russische Weizenernte von 86 bis 88 Millionen Tonnen. Davon dürften mehr als 40 Millionen in den Export fließen.
Das französische Landwirtschaftsministerium Agreste schätzte die französische Weichweizenernte vorige Woche auf 32,9 Millionen Tonnen, ein Rückgang von 2,5 Millionen Tonnen im Vergleich zum Vorjahr. Laut FranceAgriMer war der französische Weichweizen am 11. Juli bereits zu 50 % geerntet, gegenüber knapp 4 % ein Jahr zuvor.
Der ausbleibende Regen und die Hitzewelle bedrohen vor allem auch die kommende Maisernte. Temperaturen über 38°C, die angekündigt werden, dürften die Ertrags-Potenziale schnell schrumpfen lassen.
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