
Die Weizenpreise schwanken weiterhin stark. In der vorigen Woche ging es zwischen 378 Euro und 398 Euro je Tonnen hin und her. Am Freitag ging der Weizen der neuen Ernte am europäischen Terminmarkt mit 392 Euro aus dem Handel. Und am Montag steigen die Kurse im laufenden Handel um knapp 6 Euro auf 397 Euro je Tonne. Hauptursache für die Kursschwankungen sind die großen Unsicherheiten über mögliche Hafenöffnungen in der Ukraine durch Russland und die Bildung humanitärer Korridore zum Getreideexport.
Das US-Landwirtschaftsministerium glaubt offenbar nicht daran und hat die ukrainischen Exporte in seinem Juni-Report unverändert (niedrig) gelassen. Außerdem wurde die weltweite Weizenproduktion für die neue Saison wegen kleiner erwarteter Ernten in Indien und der Europäischen Union weiter nach unten korrigiert. Dieser Rückgang konnte nicht durch die Erhöhung der für Russland erwarteten Weizenernte von jetzt 81 Millionen ausgeglichen werden.
Der russische Getreidesektor ist bislang von den Sanktionen weitgehend ausgenommen, um die massiven Spannungen auf dem globalen Lebensmittelmarkt nicht noch weiter zu verschärfen. Das dürfte nach Einschätzung von Analysten die Position Russlands in der neuen Saison 2022/2023 als weltweit führender Weizenexporteur stärken. Das USDA erwartet deshalb russische Weizenexporte von rund 40 Millionen Tonnen – 1 Millionen Tonnen mehr als im Vormonat und 7 Millionen Tonnen mehr als im vorigen Jahr.
Die Ukraine wird hingegen weiterhin massiv unter der Blockade ukrainischer Häfen leiden. Gleichzeitig werden die ukrainischen Farmer auch deutlich weniger Weizen und anderes Getreide ernten. Das USDA schätzt die ukrainische Weizenernte im Juni auf 21,5 Millionen Tonnen nach 33 Millionen Tonnen im vorigen Jahr – und die Exporte auf 10 Millionen Tonnen nach 19 Millionen Tonnen in der letzten Saison.
„Was den Markt bewegt, ist die Frage, ob Getreide in größerem Umfang von der Ukraine exportiert werden kann“, sagt Gautier Le Molgat, Analyst bei Agritel gegenüber AFP.
Dürre in Europa drückt die Ernteaussichten
Für andere Analysten spielt auch die Dürre in Teilen Europas – insbesondere in Frankreich - eine zunehmende Rolle bei der Preisbildung. Das USDA berichtet jedenfalls ebenfalls über die anhaltende Trockenheit in Frankreich, aber auch in Spanien, Rumänien und Ungarn. Die europäische Weizenproduktion wurde deshalb zunächst moderat nach unten korrigiert. Interessanterweise verweist das USDA darauf, dass der Produktions-Rückgang in den oben genannten Ländern durch eine nach oben korrigierte Ernte in Deutschland aufgrund von regionalen Regenfällen ausgeglichen wurde.
Bei sehr warmen Bedingungen entwickelte sich Weizen in den meisten Regionen Europas etwa eine Woche früher als normal. Allerdings ist die Bodenfeuchtigkeit in weiten Teilen Europas begrenzt. Der Zustand der französischen Weichweizenernte verschlechterte sich zudem auch in der vorigen Woche weiter - die sechste Woche in Folge, wie Daten des Landwirtschaftsbüros FranceAgriMer zeigten. Allerdings hat der jüngste Regen und kühlere Temperaturen den Trockenstress etwas gelindert.
Nur noch 66 % der französischen Weichweizenernte waren in der Woche bis zum 6. Juni in gutem oder ausgezeichnetem Zustand, gegenüber 67 % in der Vorwoche, sagte FranceAgriMer in einem Getreideerntebericht am Freitag. Die Bewertung ist seit Anfang Mai um 25 Prozentpunkte gefallen, weil eine Hitzeperiode die anhaltenden Dürre in diesem Jahr weiter verschärfte. Der Abwärtstrend hat sich jedoch seit Ende Mai verlangsamt, da sich die Temperaturen abgekühlt haben und der Regen in einige Regionen zurückgekehrt ist.
Die Ernteaussichten in Frankreich, dem größten Getreideproduzenten und Exporteur der Europäischen Union, werden angesichts der Unterbrechung der ukrainischen Lieferungen immer wichtiger. Analystenschätzungen haben die französische Weichweizenernte auf 33 bis 34 Millionen Tonnen prognostiziert, verglichen mit rund 35,5 Millionen im letzten Jahr. Das französische Landwirtschaftsministerium wird im Juli eine erste Produktionsprognose für die Weizenernte veröffentlichen.
Ukraine will über Polen und Rumänien exportieren
Die Diskussionen über die Öffnung von Seekorridoren für die Durchfahrt von Massengutfrachtern aus der Ukraine haben bisher zu keinen konkreten Ergebnissen geführt. Etwas überraschend hat das US-Landwirtschaftsministerium in seinem Report seine Schätzung für die neue ukrainische Maisernte deutlich 19,5 Millionen Tonnen auf 25 Millionen Tonnen erhöht, bleibt damit jedoch weit unter den 42 Millionen Tonne des Vorjahres.
Außerem änderten die US-Analysten beim Mais die Exportprognosen aus den gleichen Gründen wie beim Weizen nicht. Die Ukraine verfügt jedoch über zwei "neue" Exportrouten durch Polen und Rumänien, um das blockierte Getreide zu exportieren, sagte der stellvertretende ukrainische Außenminister am Sonntag. Die Ukraine sei zudem in Gesprächen mit den baltischen Staaten, um einen dritten Korridor für Lebensmittelexporte hinzuzufügen, sagte Dmytro Senik gegenüber Reuters.
Das ukrainische Schienensystem hat eine andere Spurweite als europäische Nachbarn wie Polen, sodass das Getreide an der Grenze, wo es nicht viele Umlade- oder Lagermöglichkeiten gibt, auf andere Züge umgeladen werden muss.
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