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Getreidemarkt und Krieg in der Ukraine

Getreidepreise unvorstellbar hoch: Weizen über 400 Euro katapultiert

Getreidelager
am Montag, 07.03.2022 - 10:30 (2 Kommentare)

Die Getreidepreise steigen weiter steil an. Am Weltmarkt ist Getreide extrem knapp und der globale Handel ist gestört. Immer mehr Länder verhängen Handelsbeschränkungen, weil sie Angst vor Nahrungsknappheit haben. Grund ist der Krieg in der Ukraine und seine Folgen.

Weizenpreis

Am europäischen Terminmarkt sind die Weizenpreise in nur 10 Tagen um 100 Euro/t gestiegen. Zeitweise durchbrachen die Kurse bereits in der vorigen Woche die 400 Euro-Marke deutlich nach oben und schwankten dabei extrem stark. Der physische Handel kam in vielen Regionen komplett zum Erliegen.

Heute starten die Weizenpreise im vorbörslichen Handel in den USA erneut an ihren möglichen Tageshöchstlimits – das heißt, für den vorderen Weizen mit 85 Cent im Plus bei 1.294 Cent je Buschel. Das dürfte die Preise für Weizen und Mais auch in Europa auf neue Höchstmarken weit über 400 Euro/t katapultieren. Weizen hatte am Freitag den Handel bei 393,75 Euro/t beendet und Mais bei 350 Euro/t.

In Europa machen sich mittlerweile immer mehr Länder Sorgen um die Getreideversorgung. So hat Ungarn mit sofortiger Wirkung alle Getreideexporte verboten, sagte Landwirtschaftsminister Istvan Nagy am Freitag. Gleichzeitig planen andere wichtige europäische Exporteure wie Bulgarien, ihre Getreidereserven aufzustocken und genug Getreide von lokalen Erzeugern zu kaufen, um den heimischen Bedarf für ein Jahr im Voraus zu decken.  

Auch hier geht es darum, sich vor den Risiken der Invasion Russlands in der Ukraine und vor der extrem hohen Volatilität der Getreidemärkte zu schützen, sagen die bulgarischen Behörden. Bulgarien ist eigentlich ein wichtiger Exporteur und verschifft sein Getreide wie Rumänien, Russland und die Ukraine über das Schwarze Meer. Das Land plant nun, etwa 1,5 Millionen Tonnen Weizen von den rund 3 Millionen Tonnen zu kaufen, die sich derzeit noch in den Silos des Landes befinden, und könnte seine Weizenexporte deshalb einschränken, bis die geplanten Käufe durchgeführt sind, vermutet die Nachrichtenagentur Reuters.

Schwarzes Meer: 80 Getreide-Schiffe liegen fest, kein Handel möglich

Weizenpreise

Die ukrainischen Analysten von APK-Inform schätzen die noch nicht exportierte Weizenmenge Russlands und der Ukraine auf insgesamt 13,4 Millionen Tonnen. Wichtige Exportländer werden nach AKP-Inform Schwierigkeiten haben, ein so großes Defizit auf dem Weltmarkt auszugleichen.

Vorläufige Schätzungen gehen davon aus, dass die wichtigsten Exporteure das Weizenangebot am Weltmarkt um 1,5 bis 3 Mio. Tonnen steigern können, was jedoch nicht ausreicht, um den Mangel an Schwarzmeerweizen auszugleichen, sagen die AKP-Analysten.

Bis zum 4. März wurden keine kritischen Schäden an ukrainischen Seehäfen festgestellt, teilt das Ministerium für Infrastruktur der Ukraine mit. „Heute liegen 80 ausländische Handelsschiffe in ukrainischen Seehäfen. Sie können die Häfen nicht verlassen, da dies aufgrund der russischen Militäraggression gefährlich ist. Der Frachtumschlag in den Häfen ist fast komplett eingestellt”, heißt es in der Mitteilung.

Darüber hinaus sind Transportkorridore im Schwarzen Meer und im Asowschen Meer geschlossen. Doch die Behörden bieten an, für die Ukraine bestimmte Ladungen zu den Donauhäfen Ust-Dunaysk, Izmail und Reni umzuleiten, die noch wie gewohnt funktionieren.

Europäer haben nur wenig zusätzlichen Weizen

Maispreise

Getreidehändler sagen, dass Bulgarien eigentlich einer der Weizenexporteure der Europäischen Union ist, der einen gewissen Teil der wegfallenden Exporte aus der Ukraine und Russland ersetzen könnte. Auch aus Frankreich, Rumänien, Deutschland sowie Polen, Ungarn und den baltischen Ländern könnten theoretisch Ersatzlieferungen kommen.

Doch viele große europäische Exporteure haben in den letzten Monaten schon reichlich Weizen ausgeführt und „zusätzliche Mengen“ sind kaum vorhanden – oder anders gesagt, die Läger sind ziemlich leer. Das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) erwartet, dass die EU insgesamt voraussichtlich die niedrigsten Endbestände seit 5 Jahren aufweist – 9,9 Mio. Tonnen im Vergleich zu 10,9 Mio. Tonnen im Jahr 2020/21 und 13,1 Mio. Tonnen in 2019/20.

Aus Europa wird es deshalb wohl kein nennenswertes Wachstum des Weizenexports geben, glauben Analysten. Auch weil ein Großteil der Ware schon exportiert ist. Die USA sitzen auf den niedrigsten Lagerbeständen seit 5 Jahren.

In Kanada werden die Endbestände von 5,7 Mio. Tonnen in der letzten Saison auf 3,1 Mio. Tonnen im Jahr 2021/22 schrumpfen. Somit könnten nur Australien, Indien, Argentinien und Kasachstan die fehlende Versorgung aus dem Schwarzen Meer zumindest teilweise ausgleichen, sagen Analysten.

Ukraine: Frühjahrsbestellung massiv gestört

Gerstenpreise

Die Getreideaussaat im Frühjahr wird in der Ukraine in diesem Jahr aufgrund der russischen Invasion des Landes und möglicher daraus resultierender Engpässe bei Treibstoff und Saatgut nur in begrenztem Umfang erfolgen, berichten Analysten von APK-Inform.

 „Diejenigen Landwirte, mit denen APK-Inform kommunizieren konnte, bekundeten ihre Bereitschaft zur Durchführung von Feldarbeiten“, schreibt das Beratungsunternehmen in einem Bericht. Allerdings werde unter den gegenwärtigen Umständen ein Teil des Kraftstoffs für die Landwirtschaft an das Militär abgegeben. Landwirte berichten auch, dass die Lieferketten von Pflanzenschutzmitteln, Dünger und Saatgut infolge von Militäroperationen unterbrochen wurden.

„Die Landwirte sagen jedoch, dass sie versuchen, auf die Felder zu gehen, sobald sich eine Gelegenheit bietet. Aber sie berichten auch, dass die Aussaatkampagne nicht vollständig durchgeführt werden kann“, sagte APK-Inform. Die Ukraine beginnt normalerweise Ende Februar oder Anfang März mit der Frühjahrsaussaat.

Ukrainische Wetterdienste berichten außerdem, dass die Fläche der Winterkulturen (Winterweizen, Raps), die sich witterungsbedingt in einem „unbefriedigenden“ Zustand befinden, bis zum Frühlingsbeginn rund 900.000 Hektar oder 12 % der gesamten bestellten Fläche erreichen könnte. Gleichzeitig geht man jedoch davon aus, dass zwischen 90 % und 95 % der ukrainischen Winterkulturen, die für die Ernte 2022 ausgesät wurden, den Winter ohne schwere Auswinterungsschäden überstanden hätten. Die Ukraine ist ein großer Produzent von Winterweizen, bestellt aber auch eine große Fläche mit Mais, der eigentlich jetzt im Frühjahr ausgesät werden muss.

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