
Die Europäische Kommission erwartet in ihrer ersten Prognose für 2023 eine deutlich größere Getreideernte als im Dürrejahr 2022. Grundlage sind die Anbaudaten und Produktionsschätzungen aus den Mitgliedsstaaten sowie die Ertragsprognosen der europäischen Crop-Monitoring-Agentur MARS. Danach erwarten die Kommissionsexperten für 2023 eine Getreideernte von 287,9 Millionen Tonnen. Das wären immerhin 22,3 Millionen Tonnen oder 8,4 % mehr als im extrem schwachen Vorjahr.
Gleichzeitig liegt die Kommission damit rund 6 Millionen Tonnen über der Märzprognose von Strategie Grains. In der Folge wachsen die Getreidebestände zum Ende des nächsten Wirtschaftsjahres um reichlich 10 Millionen Tonnen auf knapp 59 Millionen Tonnen – obwohl die Kommission die Getreideimporte (vor allem aus der Ukraine) von 35 Millionen Tonnen auf 26 Millionen Tonnen reduziert.
Zwar rechnen die Kommissionsexperten auch mit einem Anstieg der Exporte von 44 Millionen auf 47 Millionen Tonnen – denn sowohl die russische als auch die ukrainische Ernte werden kleiner erwartet. Doch der Futterverbrauch von Getreide bleibt angesichts rapide sinkender Tierbestände im besten Fall stabil. Und auch die übrigen Verwertungen zeigen keine Wachstumsmöglichkeiten.
Der rechnerische Selbstversorgungsgrad würde danach bei 112,5 % liegen. Dieses Szenario lässt erheblichen Preisdruck am Binnenmarkt erwarteten – es sei denn die Exportmöglichkeiten sind besser als erwartet, oder die Ernte fällt am Ende kleiner aus, als es jetzt scheint.
Aktuell stehen die Preise jedenfalls deutlich unter Druck und liegen bei Weizen für die neue Ernte nur noch bei knapp 248 Euro je Tonne und damit rund 50 Euro niedriger als noch im Februar dieses Jahres und rund 100 Euro niedriger als im April vor einem Jahr.
Wohin mit dem Weizen? – Wettbewerb bleibt hart

Beim wichtigsten Getreide – dem Weichweizen – erwartet die Kommission für 2023 eine Ernte von 130,9 Millionen Tonnen. Das wäre die größte Produktion seit der Superernte von 2019 und zugleich ein Produktionszuwachs von knapp 5 Millionen Tonnen oder 4 % gegenüber dem Vorjahr.
Sicher ist diese große Ernte jedoch nicht, denn die Analysten von Strategie Grains hatten im März gesagt: „Obwohl die Rückkehr der Regenfälle in Westeuropa auf bessere Bedingungen für die weitere Entwicklung der Pflanzen hindeutet, reichen die Niederschlagsmengen nicht aus, um das Dürrerisiko längerfristig vollständig zu beseitigen, insbesondere nicht in Frankreich, Spanien und Italien.“
Die Aussichten für die Weizenexporte sieht die Kommission ebenfalls nur verhalten optimistisch. Wie schon für die laufende Saison erwarten die Kommissionexperten – trotz der deutlich größeren Ernte – Ausfuhren von 32 Millionen Tonnen. „Die europäischen Weizenexporte in Drittländer werden trotz der deutlich besseren Verfügbarkeit voraussichtlich nicht zunehmen, da der Wettbewerb mit anderen Weltexporteuren hart sein wird“, hat schon Strategie Grains gesagt und die Ausfuhren nur noch auf 30,3 Millionen Tonnen geschätzt.
Diese Schätzung könnte jedoch noch nach oben korrigiert werden, falls der Einfuhrbedarf der nordafrikanischen Länder wächst, sagen die Analysten. „Die Ernteaussichten in Nordafrika verschlechtern sich von Woche zu Woche, und wenn es nicht zu erheblichen Regenfällen kommt, wird diese Ländergruppe deutlich mehr Getreide, insbesondere Weizen und Gerste, aus der EU27 importieren müssen.“
Am stärksten ist der Produktionssprung indessen bei Körnermais. Hier erwartet die Kommission für 2023/24 eine Ernte von 65 Millionen Tonnen, was einem Anstieg von 25 % gegenüber der von der Dürre stark reduzierten Ernte des letzten Jahres entspricht. Die Maisimporte sollen deshalb von 23 Millionen Tonnen auf 18 Millionen Tonnen schrumpfen. Ob das angesichts der logistischen Probleme der Ukraine und der Unsicherheit beim Getreidedeal überhaupt möglich ist, bleibt abzuwarten.
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