
Die Weltbank befürchtet, dass eine Reihe von Entwicklungsländern aufgrund ihrer hohen Abhängigkeit von ukrainischen und russischen Weizenexporten mit massiven Versorgungsproblemen bei Weizen konfrontiert sind. Die Analysten der Bank gehen in einem aktuellen Bericht davon aus, dass Gambia, Libanon, Moldawien, Dschibuti, Libyen, Tunesien und Pakistan am stärksten von den Störungen der Weizenexporte aus der Ukraine betroffen sind.
Die beiden Schwarzmeerländer Russland und Ukraine liefern mehr als 75 Prozent des Weizens, der von einigen Ländern in Zentralasien, im Nahen Osten und in Afrika importiert wird, sagt Indermit Gill, Vizepräsident für „Finance and Institutions“ (EFI) bei der Weltbank. Diese Länder sind besonders anfällig für eine Unterbrechung der Produktion oder des Transports von Getreide und Saatgut aus Russland und der Ukraine, sagt der Weltbankexperte.
In den einkommensschwächeren Ländern dürften die Lieferunterbrechungen sowie höhere Preise außerdem zu verstärktem Hunger und Ernährungsunsicherheit führen, heißt es in der Analyse weiter. Verschärft wird die Situation durch eine Reihe von extremen Wettereignissen und Missernten – wie etwa im nördlichen Afrika, in Somalia und Afghanistan.
Die Getreideversorgung der ärmeren Importländer wurde durch die Einführung von Exportbeschränkungen für Weizen und andere Getreidearten durch Russland zusätzlich verschlechtert.
Kaum Ersatz für das fehlende Getreide - steigende Preise

Die westlichen Sanktionen gegen Russland betreffen nicht direkt die russischen Getreideexporte. Aber da sie die Finanztransaktionen mit führenden russischen Banken unterbinden, erschweren sie die Finanzierung des Getreidehandels erheblich. Abgesehen von den direkten Versorgungsengpässen der großen Importeure, werden die höheren Marktpreise für Weizen viele Länder auf der ganzen Welt treffen, heißt es in dem Bericht der Weltbank.
Besonders betroffen sind natürlich die ärmeren Länder, die auf preisgünstige Importe angewiesen sind, um ihre Bevölkerung ausreichend zu versorgen. Aber auch andere große Importeure wie etwa Ägypten und die Türkei sind stark betroffen. Die Türkei kauft etwa 75 % des importierten Weizens aus diesen beiden Ländern. Der Anteil Russlands und der Ukraine an den Importen Ägyptens beträgt 70 % und auch Tunesien kauft mehr als die Hälfte seines Weizens in der Schwarzmeerregion.
Darüber hinaus beeinflussen die Störungen der Weizenexporte die Märkte für Mais und Reis in Asien, denn es sind die wichtigsten Substitute für Weizen, sagt die Bank. Am 10. März 2022 lag der Agrarrohstoffpreisindex der Weltbank rund 40 % über seinem Stand vom Januar 2021. Die Mais- und Weizenpreise waren zu diesem Zeitpunkt rund 43 % beziehungsweise etwa 83 % höher als ein Jahr zuvor.
Rekordhohe Lebensmittelpreise und mehr Hunger

Steigende Lebensmittelpreise wirken sich erheblich stärker auf Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen aus, da sie einen weitaus größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen als Menschen in Ländern mit höheren Einkommen.
Der Krieg in der Ukraine ist ein großer Schock für die globalen Rohstoffmärkte und spiegelt die große Bedeutung beider Länder für die globalen Getreidemärkte wider. Die Preise für Getreide und Lebensmittel waren schon vorher auf Rekordstand, doch der Krieg wird sie wahrscheinlich noch viel weiter nach oben treiben, befürchten die Bankexperten. Die wahrscheinlich am stärksten betroffenen Rohstoffe sind nach dieser Einschätzung Weizen, Mais, Speiseöle und Düngemittel.
Eine aktuelle Umfrage der Weltbank in 83 Ländern zeigt, dass einer beträchtlichen Anzahl von Menschen die Nahrung ausgehen könnte oder sie ihren Konsum stark reduzieren müssen. Zwischen 720 und 811 Millionen Menschen auf der Welt hungerten bereits im Jahr 2020, sagt der UN-Bericht über den Stand der Ernährungssicherheit und Ernährung in der Welt. Die aktuell abgefragten Daten bestätigen einen signifikanten Anstieg der Zahl der Menschen, die von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sein werden.
Ernährungsunsicherheit liegt nach internationalen Kriterien dann vor, wenn das Leben oder der Lebensunterhalt einer Person aufgrund von Nahrungsmangel unmittelbar gefährdet ist. Das ist offenbar jetzt in vielen ärmeren Ländern der Fall.
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