
Der europäische Zuckermarkt kommt endlich aus dem Krisenmodus. Im September überschritt der EU-Marktpreis für Zucker erstmals seit vier Jahren wieder den Referenzpreis von 404 Euro/t Weißzucker – jenen Alarmwert, unterhalb dessen nach den Buchstaben der Marktordnung die Brüsseler Kommission zu Krisenmaßnahmen berechtigt ist.
Allerdings griff die EU-Kommission bekanntlich nicht in den Markt ein und so gingen die europäischen Rübenanbauer – und mit ihnen die Zuckerindustrie – seit Oktober 2017 durch ein tiefes Tal der Tränen, inklusive Werksschließungen, Millionenverlusten und einer deutliche Einschränkung des Zuckerrübenanbaus.
Flexibler Preis wird den festen Sicherheitspreis übertreffen
Mit der laufenden Kampagne 2021 scheint die Krise jedoch überwunden. „Eins ist sicher: Die Rüben der Ernte 2021 werden besser bezahlt werden als 2020“, sagt Dr. Hermann Schmitz, Leiter Landwirtschaft des Zuckerherstellers Pfeifer & Langen.
Für die Zuckerrübenanbauer im Rheinland bedeutet das: Zum ersten Mal seit der Liberalisierung werden Rüben nach dem Flexpreismodell besser bezahlt werden als nach dem fixen Sicherheitspreis. Das versprach Schmitz am Donnerstag (11.11.) in einer Pressekonferenz mit Agrarjournalisten im Werk Jülich.
Der Weltmarkt für Zucker ist im Defizit
Der Grund für die Preiserholung ist am Weltmarkt zu finden. Die Welt-Versorgungsbilanz an Zucker wird 2021/22 voraussichtlich zum vierten Mal in Folge mit einem Defizit abschließen. Das schätzen die Marktexperten von F.O. Licht.
Die globale Zuckererzeugung soll zwar gegenüber dem Vorjahr um 4 Mio. t auf 183 Mio. t klettern. Im Gleichschritt erholt sich aber der Verbrauch von der Corona-Delle, nämlich auf 185 Mio. t, sodass die Endbestände erneut zurückgehen dürften. Die Börsenpreise in London und New York sind daher im Aufwind.
Deutsche Rübenanbauer dehnen Fläche etwas aus
Für Europa rechnet Pfeifer & Langen mit einer durchschnittlichen Ernte an Zuckerrüben. Die Anbaufläche wurde 2021/22 EU-weit erneut reduziert um 1,1 Prozent. Ausschlaggebend war dabei ein Rückgang von 19.000 ha allein in Frankreich, dem größten Rübenerzeuger in der Union. In Deutschland wurde der Anbau hingegen leicht um 3.000 ha auf 354.000 ha ausgedehnt.
Die Zuckergehalte der Rüben sind in Deutschland nach einem goldenen Oktober zwar auf Höhe des fünfjährigen Durchschnitts, EU-weit aber verhältnismäßig niedrig, sodass die EU-Zuckererzeugung eher unterdurchschnittlich ausfallen wird. Sie dürfte sich in der EU-27 von dem extrem schwachen Vorjahr mit 15,1 Mio. t auf 16,7 Mio. t erholen. Bei einem leichten Anstieg des Verbrauchs auf 17 Mio. t wird die EU Nettoimporteur von Zucker bleiben.
Industrie bevorzugt nachhaltig erzeugten Rübenzucker gegenüber Rohrzucker

Die europäischen Zuckerhersteller können nach den schwierigen Jahren seit 2017 noch aus einem anderen Grund wieder optimistischer in die Zukunft blicken. Schmitz zufolge kaufen die Industriekunden inzwischen verstärkt Zucker aus Rüben, der in Europa nach hohen Umwelt- und Sozialstandards erzeugt wurde. Nachhaltigkeit und Regionalität ziehen als Verkaufsargument.
Das Interesse an Rohrzucker, der unter teils zweifelhaften Bedingungen erzeugt wird, geht zurück. „Die heimische Rübenproduktion ist klar im Vorteil gegenüber dem Zuckerrohr“, sagt Schmitz. Die Zuckerindustrie will dieses Bewusstsein beim Verbraucher jetzt durch Plakatkampagnen schärfen.
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