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Ausblick Europäischer Zuckermarkt

Zuckermarkt: Ein Silberstreif am Horizont

zuckerrüben ernte
am Freitag, 10.01.2020 - 09:59 (Jetzt kommentieren)

Der Zuckersektor steckt in einer schlimmen Krise. Bauern und Industrie sind gleichermaßen betroffen. Doch manche Probleme könnte man lösen.

Mit schlechten Preisen kennen sich Bauern ja aus. Aber was Landwirte derzeit für ihre Rüben bekommen, ist ein Desaster und die Folge einer schlimmen Krise am Zuckermarkt. „Die aktuelle Notlage findet viel zu wenig Beachtung", sagt Fred Zeller, Geschäftsführer des Verbandes Süddeutscher Zuckerrübenanbauer (VSZ). Der Grund: Durch die Liberalisierung der EU-Zuckerpolitik sei es zu einem beispiellosen Absturz des Preises in der EU gekommen, so Zeller.

Zucker kostet am europäischen Binnenmarkt jetzt ein Drittel weniger als vor drei Jahren. „Die Rübenbauern trifft es von allen Seiten“, sagt Jochen Johannes Juister aus Dithmarschen. Er ist Rübenbauer und Vorsitzender des Nordzucker-Aufsichtsrates. „Wenn nicht nur weniger auf der Erlösseite bleibt, weil die Preise runtergehen, sondern gleichzeitig die Kosten steigen, dann steigen Bauern aus dem Zuckerrübenanbau aus“, prophezeit Juister.

In Europa lag der Zuckerpreis mit zuletzt 328 Euro/t nur wenig über seinem historischen Tiefstand. Vor der Deregulierung bekamen die Zuckerfabriken noch 500 Euro oder mehr für den Rohstoff.

Wieder mehr Geld für Rüben

Zuckerrüben

Ebenso steil bergab wie mit dem Zucker ging es mit dem Preis für die Rüben. Bekamen Rübenbauern vor Quotenende noch 40 bis 50 Euro je Tonne, so zahlen die Zuckerwerke jetzt höchstens 30 Euro. Kein Wunder, wenn Landwirte der Rübe den Rücken kehren. Der Mannheimer Südzucker-Konzern versuchte deshalb seine Bauern bei der Stange zu halten.

„Wer einen Vertrag für 2019 geschlossen hat, der bekam für die vergangene Ernte eine Prämie“, erklärte der hessische Landwirt Michael Schneller. Er beziffert den Aufschlag auf ein Viertel des Gesamtpreises. „Da hat auch so mancher weitergemacht, der mittlerweile weniger Spaß an der Rübe hat“, ist er sicher. Wer mitgemacht hat, ist wohl mit einer schwarzen Null belohnt worden, sagt Schneller.

Richtig Geld verdienen können Bauern mit dem süßen Rohstoff im Moment jedoch nicht. Wenn der Zuckerrübenanbau nicht bald wieder rentabel wird, werden sich die Bauern von der Rübe abwenden“, befürchtet der Chef der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ), Hans-Jörg Gebhard. Im Anbaujahr 2020 könnten die Rübenpreise aber wieder die 30-Euro-Marke überwinden. nach Einschätzung aber. Davon geht Hermann Schmitz aus, Landwirtschaftschef des westdeutschen Zuckerherstellers Pfeifer & Langen. Er beobachtet eine zunehmend knappere Versorgung am europäischen Zuckermarkt.

Rüben blühen gar nicht

Erschwert wird die Markterholung jedoch durch ein ganze Reihe von „politischen Vorgaben oder Entscheidungen, die den Wettbewerb verzerren.“ sagt Juister. Hier geht es vor allem um sogenannte Neonicotinoide, mit denen die Bauern virus-übertragende Blattläuse in Schach halten können. „Das ist eine Beize, mit der das Saatgut behandelt wird. Sie schützt die Keimlinge vor Schädlingen“, sagt Juister.

Die EU-Kommission hatte 2018 entschieden, dass drei insektizide Wirkstoffe aus dieser Gruppe nicht mehr verwendet werden dürfen, weil sie als Bienen gefährdend gelten. „Dabei ist die Rübe keine Pflanze, die blüht. Sie wird also gar nicht von Bienen angeflogen“, sagt der norddeutsche Rübenbauer Eckhard Claußen. Die Rübe blüht nämlich erst im zweiten Jahr ihres Lebens, doch dann ist sie schon geerntet. “Wenn die Bauern diese Form des Pflanzenschutzes nicht nutzen dürfen, müssen sie die Kontrolle im Jugendstadium der Rüben deutlich erhöhen. „Sonst fressen sie die Läuse oder andere Schädlinge“, sagt Claußen. I

n den ersten fünf bis sechs Wochen nach der Aussaat müssten die Bauern nun mehrfach spritzen. „Dabei wollen wir ja eigentlich, dass weniger gespritzt wird“, sagt Juister. Hinzu kommt: In 13 von 19 EU-Ländern ist der Einsatz dieser Neonicotinoide über sogenannte Notfallzulassungen weiter erlaubt, etwa in Belgien, Polen und Spanien, kritisiert Peter Kasten vom Rheinischen Rübenbauer-Verband, nicht jedoch in Deutschland.

Unfairer Wettbewerb

Zuckerfabrik

Die deutschen Rübenbauern haben aber noch ein anderes Problem: In elf EU-Staaten bekommen die Bauern durch ihre Regierungen Rübenbeihilfen gewährt, vor allem in Süd- und Osteuropa. In Deutschland und auch Frankreich gäbe es diese Subventionen aber nicht, stellt Peter Kasten fest. Im Schnitt betragen diese Zuschüsse 350 Euro/ha.

Das Ergebnis: Ein massiver Wettbewerbsnachteil für deutsche Bauern und billiger Zucker aus Süd- und Osteuropa. „Diese Zahlungen können unsere Bauern im Anbau nicht mehr aufholen“, sagt Kasten. Dabei sollten durch die Reform von 2017 eigentlich die Regionen mit guten Böden und günstigem Klima gestärkt werden. „Die Dummen sind die deutschen Landwirte und die Beschäftigten in der Zuckerindustrie“, kritisiert der Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Zucker (WVZ) Günter Tissen.

Doch unfaire Konkurrenz kommt auch aus Übersee. Seite Jahren dürfen Entwicklungsländer ihren Rohrzucker nämlich zollfrei in die EU einführen. Große Sorgen macht Bauern und Industrie zudem das geplante Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. Dann würden die Einfuhrzölle für Zucker aus Südamerika fallen. „Dann kommt die nächste Keule auf uns zu“, sagt Rübenbauer Claußen. WVZ-Chef Gebhard appellierte deshalb an die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wieder „einen fairen Binnenmarkt für Zucker herzustellen.“

Zuckerwerke geschlossen

Zuckerfrabrik

Doch auch die Zuckerfabriken werden von Rübenkrise heftig geschüttelt. Der Marktriese Südzucker will deshalb nach der Ernte seine Werke im westfälischen Warburg und im brandenburgischen Brottewitz schließen. Dicht gemacht werden noch zwei Fabriken in Frankreich und eines in Polen.

„Die Schließung der Werke diene nicht der Gewinnmaximierung, sondern der Schadensbegrenzung, sagte das Vorstandsmitglied Kirchberg. „Mit der geplanten Senkung der Zuckerproduktion geht jedoch auch die Reduzierung des Rübenanbaus in den betroffenen Regionen einher“, heißt es weiter. Für die Bauern bedeutet das nichts Gutes.

"Die Rübenanbauer in den Regionen um Zuckerfabriken herum, werden sicherlich weiterhin Rüben liefern können. Den Rübenanbauern in Regionen, die weiter weg von Fabrikstandorten sind, werden dann aussteigen“ sagt der Süd-Zuckersprecher Dominik Risser. Der Absturz der Zuckerpreise hat aber auch den Wettbewerber Nordzucker tief in die roten Zahlen gerissen. Ein rigider Sparkurs und Personalabbau sind die Folge. Standorte in Deutschland will der Konzern aber nicht schließen.

Aldi erhöht die Zuckerpreise

Zucker

Der westdeutsche Platzhirsch, das Familienunternehmen Pfeifer & Langen hat ebenfalls zu kämpfen. 2018 sei der Preis richtig im Keller gewesen, sagt Einkaufschef Hermann Schmitz. Derzeit erholten sich die Preise aber leicht. „Wir wollen uns jetzt verstärkt auf die heimischen Gunstregionen konzentrieren“, sagt Schmitz. Deshalb habe man auch 2017 den Import von Rohrzucker nahezu eingestellt.

„Unser Ziel ist es, die heimische Rübe zu bewahren und mit der Landwirtschaft die Zuckerfabriken weiter zu entwickeln“, sagt er. Ein deutliches Zeichen für die Wiederbelebung des Zuckermarktes sieht Schmitz im Einzelhandel: Discounter Aldi hob den Preis für 1 Kilo Haushaltszucker Anfang Oktober von 59 Cent auf 75 Cent an. Andere Einzelhändler folgten.

Auch am Weltmarkt zeichnet sich eine Entspannung ab. So erwartet die Internationale Zuckerorganisation (ISO) für die nächste Saison einen deutlichen Abbau der Überschüsse. Die globalen Zuckerpreise reagierten darauf verhalten optimistisch. Also: Ein Silberstreif am Horizont.

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