Während die meisten Rohstoffpreise in Folge der Coronavirus-Epidemie abstürzen, steigen die Zuckerpreise am Weltmarkt auf den höchsten Stand seit knapp drei Jahren. In London erreichten die europäischen Preise für Weißzucker mit 445 USD je Tonne ein Niveau wie zuletzt im Mai 2017.
Ursache für die Rallye ist das immer größer werdende Zuckerdefizit am Weltmarkt bzw. die schrumpfende Produktion bei wichtigen TOP-Produzenten und Exporteuren. Vor allem aus Thailand, aber auch aus Pakistan, Indien, China, den USA und Europa kamen zuletzt Meldungen über witterungsbedingt schrumpfende Produktionsmengen.
Das ist auch der Grund, warum sich die Zuckerpreise von den Preisbewegungen für Rohöl abgekoppelt haben. Üblicherweise besteht sonst über den Bioethanolmarkt ein enger Zusammenhang zwischen Zucker und Rohöl. Deshalb folgt der Zuckerpreis in der Regel dem Energiemarkt, weil niedrigere Rohölkosten die Ethanolpreise unter Druck setzen.
In diesem Jahr konnte Zucker trotz des Rückgangs des Ölpreises sogar kräftig zulegen. „Es ist überraschend, dass Rohzucker derzeit den negativen Auswirkungen des starken Ölpreisverfalls vollständig widerstehen kann“, sagen Analysten der Commerzbank. Die Preise für das Leichtöl WTI waren zuletzt deutlich unter 50 USD je Barrel gefallen - und damit auf den tiefsten Stand seit über einem Jahr.
Dürre in Thailand sorgt für Knappheit
Hauptgrund für die aktuelle Preisrallye: Die Dürre in Thailand, dem viertgrößten Zuckerproduzenten der Welt. Das Thailändische Meteorological Department berichtete vorige Woche, dass die diesjährige Dürre in Thailand die schlimmste seit 40 Jahren sei.
Die thailändische Sugar Millers Organisation meldete, dass die Zuckerproduktion in Thailand von 14 Mio. Tonnen im Jahr 2018/19 um mehr als ein Drittel auf nur 9 Mio. Tonnen im Wirtschaftsjahr 2019/20 sinken wird. Ursache sind die extrem trockenen Bedingungen, die die Zuckerrohrerträge massiv nach unten drücken. Hinzu kommt aber offenbar auch ein relativ starker Anbaurückgang, wegen der zuvor sehr niedrigen Zuckerpreise.
Gleichzeitig berichtete die indische Sugar Trade Association (ISMA), dass die Zuckerproduktion in Indien, dem zweitgrößten Zuckerproduzenten der Welt, im Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Januar um 24 Prozent auf nur noch 14,1 Mio.Tonnen ebenfalls stark geschrumpft ist. Auch die Zuckerversorgung in der EU wird enger. Die Europäische Kommission hatte berichtet, dass die EU-Zuckerexporte vom 1. Oktober bis 22. Januar um 62 Prozent auf ein 3-Jahrestief von 291.000 Tonnen gefallen sind.
Zuckerpreise könnten noch weiter steigen
Vor diesem Hintergrund haben die Terminmarkpreise für Zucker sowohl am Weltmarkt als auch in Europa sehr kräftig zugelegt – und könnten weiter steigen, glauben Analysten. Und dass trotz der Ausbreitung des Corona-Virus in China, das viele Agrar- und Rohstoffpreise nach unten drückt. Dies veranlasste jetzt den in London ansässigen Rohstoffhändler ED & F Man, seine Prognose für das Weltzuckerdefizit in dieser Saison – nach einem Überschuss im Vorjahr – um etwa 10 Prozent auf 7,7 Millionen Tonnen zu erhöhen.
Auch andere Analysten haben deshalb das erwartete Defizit in der globalen Zuckerbilanz 2019/20 erheblich größer eingeschätzt als bisher. "Das Hauptaugenmerk des Marktes liegt derzeit auf der schlechten Lage in Thailand", sagte Enrico Biancheri, Zuckerchef beim Agrarhändler Louis Dreyfus. "Wir sehen eine Situation, in der Thailand nicht einmal seinen Hauptmarkt, nämlich Indonesien, beliefern kann. "Die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten hat die Ernte des zweitgrößten Exporteurs der Welt stark schrumpfen lassen.
Der thailändische Druck überraschte die Händler zu einer Zeit, als auch die Europäische Union und Indien bereits weniger Zucker produzieren. "Die Situation ist wirklich sehr, sehr schwierig", sagte Mauro Angelo, von Alvean, einem weltweit führenden Zuckerhändler. Bereits Ende letzten Jahres waren die Preise kräftig gestiegen, als Fröste die Ernte in den USA reduzierten. Dies leitete Zucker aus Mexiko auf den US-Markt, der ursprünglich für den Weltmarkt bestimmt war.
Und jetzt befeuern die sehr schlechten Ernteaussichten Thailands die Rallye, obwohl solche bärischen Faktoren wie niedrigere Ölpreise, die starke Abwertung des brasilianischen Reals und die Bedrohung der chinesischen Wirtschaft durch das Corona-Virus, eigentlich die Preise drücken müssten.
Am Kassamarkt noch nicht angekommen
Am europäischen Terminmarkt erreichten die Preise zuletzt den höchsten Stand seit knapp drei Jahren. Und derzeit sieht alles nach weiter steigenden Preisen aus. Der vordere März-Kontrakt in London schloss am Dienstag bei 445 USD je Tonne (405 Euro je Tonnen) und damit auch über der 400-Euro-Marke. Der August 2020 beendete den Handel bei 418 USD je Tonne und der Oktoberkontrakt kostete 410 USD je Tonne (373 Euro).
Am europäischen Binnenmarkt sind die Zuckerpreise zuletzt gestiegen – aber nur sehr langsam. Die Kommission meldete zuletzt für den Monat November Durchschnittpreise von 334 Euro je Tonne Weißzucker – ein Anstieg von 14 Euro gegenüber dem August. Im Vergleich zum vorigen Jahr sind die Zuckerpreise damit 14 Euro höher. Die Preise für die Erfassungsregion 2 – der Deutschland und Frankreich angehören - liegen für den November nur bei 321 Euro je Tonne.
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