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Milch- und Butterpreise

Aldi steigt auf deutsche Frischmilch um

H-Milch bei Aldi
am Mittwoch, 30.12.2020 - 11:00 (3 Kommentare)

Aldi will ab Jahresmitte nur noch deutsche Frischmilch verkaufen. Das hat das Unternehmen bestätigt. Zum neuen Butterpreis schweigt der Discounter, hat jedoch kein Verständnis für „radikale Bauernproteste“.

Aldi Nord und Süd planen, konventionelle und Bio-Frischmilch künftig nur noch aus deutscher Herkunft zu beziehen. Das haben die Konzernzentralen bestätigt. Mit der nächsten turnusmäßigen Ausschreibung zur Jahresmitte soll der Umstieg erfolgen. Wie hoch der Anteil ausländischer Trinkmilch bisher am Aldi-Sortiment ist, ließ der Discounter offen.

Weil die Umstellung für die Molkereien zum Teil zu komplex sei, um die verschiedenen Milch-Kreisläufe intern entsprechend voneinander zu trennen, wollte Aldi kurzfristig nicht eindeutig zusagen, ab wann tatsächlich ausschließlich deutsche Frischmilch in den Filialen stehen wird.

Neben Frischmilch wollen Aldi Nord und Süd auch bei H-Milch „so viel wie möglich aus heimischer deutscher Landwirtschaft beziehen. Da es sich bei H-Milch jedoch um sehr große Mengen handelt, können wir aktuell noch nicht sagen, ob eine vollständige Umstellung möglich sein wird, da wir auch unterschiedliche Nachfragesituationen, wie aktuell etwa die Corona-Pandemie, mit einkalkulieren müssen“, so die Konzernzentralen gegenüber agrarheute.

Krach um den Butterpreis treibt Bauern auf die Straße

Landwirte blockieren mit ihren Traktoren die Zufahrt zu einem Zentrallager von Aldi.

Mit der Ankündigung zum Milcheinkauf reagierte der Handelsriese auf die zahlreichen Bauernproteste zu Jahresende. Sie hatten sich an den turnusgemäßen Verhandlungen für einen neuen Butterkontrakt entzündet. Hunderte Landwirte hatten am Montag und Dienstag mehrere Zentrallager von Aldi in Deutschland teilweise über Stunden blockiert.

Laut Branchenkennern wollte Aldi Nord den Preis für Butter um bis zu 60 Cent/kg senken. Üblich sei zum Jahresende eine Senkung von 10 bis 20 Cent, so Anthony Lee von Land schafft Verbindung Niedersachsen.

Am späten Dienstagnachmittag gab es mehrere Hinweise darauf, dass der Butterpreis nicht so deutlich wie von den Landwirten befürchtet gesenkt wird. Der Discounter machte offiziell keine Angaben zur Höhe des künftigen Butterpreises. Allerdings gab es vor dem blockierten Lager in Hesel Zeichen der Annäherung. „18 Fahrzeuge mit Frischware konnten das Lager verlassen“, sagte eine Polizeisprecherin. Schätzungen der Beamten zufolge waren dort nachmittags rund 200 Traktoren.

Unternehmen sehen die Politik in der Pflicht

Aldi wies den Vorwurf zurück, die Butterpreise in der jüngsten Ausschreibung „drücken“ zu wollen. Die derzeitige Situation der Butterpreise entspreche saisonal bedingten Marktschwankungen. Das Handelsunternehmen zeigte „kein Verständnis für radikale Bauernproteste gegen den Einzelhandel“.

Wenn Landwirte ihren Unmut kundtun und protestieren würden, sei das die Ausübung von Grundrechten. „Kein Verständnis haben wir hingegen für Blockade-Aktionen, wie wir sie derzeit vor einigen unserer Logistikzentren gesehen haben“, so Aldi. Aus Sicht des Unternehmens ist es Aufgabe der Politik sicherzustellen, dass externe Markteinflüsse nicht sofort zu einer Existenzbedrohung für die deutsche Landwirtschaft werden.

Unionspolitiker: Handel nutzt Lage der Landwirte "erbarmungslos"

Gitta Connemann

Hingegen sehen die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, und der agrarpolitische Sprecher Albert Stegemann die Handelsriesen mit in der Verantwortung. „Mit 85 Prozent Marktanteil sind Edeka, Rewe, Lidl und Aldi so mächtig, dass sie Bedingungen und Preise diktieren können. Und sie tun es gnadenlos“, so Connemann und Stegemann.

Sie äußerten Verständnis für jeden Landwirt, der derzeit gegen den Lebensmitteleinzelhandel protestiere. Die Lage auf den Höfen sei verzweifelt, denn die Erzeugerpreise seien historisch niedrig, die Kosten dagegen gestiegen. Die Rücklagen seien nach Krisen- und Dürrejahren aufgebraucht. Diese Situation werde vom Lebensmitteleinzelhandel „erbarmungslos ausgebeutet“.

Kartellrechtliche Bedenken gegen Klöckners Verhaltenskodex

Nach Einschätzung von Connemann und Stegemann wäre eine Senkung der Einkaufspreise für Butter um bis zu 60 Cent/kg durch den Markt nicht gerechtfertigt. Aldi spiele hier seine Marktmacht aus.

Wenn die „Großen Vier“ es ernst meinten, würden sie jetzt einen eigenen Verhaltenskodex auf den Tisch legen, so die Unionspolitiker. Ein Entwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums sei von den Konzernen am 22. Dezember 2020 aus kartellrechtlichen Gründen abgelehnt worden.

Unionsfraktion fordert Selbstverpflichtung des Handels

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert die Großen Vier dazu auf, sich selbst zu diesen Eckpunkten zu verpflichten:

  1. Landwirte und ihre Vermarktungsorganisationen werden auf Augenhöhe behandelt. Preise werden nicht diktiert, sondern verhandelt. Preiserhöhungen kommen auch den Landwirten zugute.
  2. Standards werden nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und mit Augenmaß gesetzt. Erhöhte Standards und der damit verbundene Mehraufwand werden vergütet.
  3. Unfaire Handelspraktiken werden nicht angewendet. Die Handelspraktiken der sogenannten "Grauen Liste" der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken sollten freiwillig wie die Praktiken der "Schwarzen Liste" als verbindlich beachtet werden.
  4. Qualitätsmerkmale wie Herkunft, Regionalität, Tierwohlhaltung, Nachhaltigkeit werden für Verbraucher kenntlich gemacht.
Mit Material von dpa, Aldi
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