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Wettbewerbsrecht

Bioverbände errechnen fairen Milchpreis: Wird er bald verbindlich?

Mit einem selbst errechneten Orientierungspreis für Biomilch, einer unverbindlichen Preisempfehlung, wenden sich Bioland und Naturland an die Molkereien. Können (Bio-)Landwirte Hoffnung schöpfen, dass aus der Empfehlung ein verbindlicher Preis wird?
am Donnerstag, 17.08.2023 - 05:00 (3 Kommentare)

Bioland und Naturland haben einen Preis für Biomilch errechnet, an dem sich die Molkereien und der Handel orientieren sollen. Die Unterstützung für diese unverbindliche Empfehlung ist vonseiten des Handels allerdings verhalten.

Wie Bioland und Naturland informieren, seien sie in gemeinsamen Beratungen auf 67 Cent pro kg Rohmilch für einen vollkostendeckenden Preis gekommen. Dieser Orientierungspreis sei als unverbindliche Preisempfehlung zu verstehen und bereits an die Marktpartner kommuniziert worden.

Lidl und Aldi machen gegenüber agrarheute deutlich, dass Lösungen für eine faire Entlohnung der Landwirte gemeinsam gefunden werden müssen. Auf mehr Offenheit scheint die Idee bei Rewe zu stoßen. Bei Rewe wolle man sich der Diskussion stellen, heißt es in einer Stellungnahme, die agrarheute vorliegt.

Handel und Molkereien sollen durch Umsetzung der Preisempfehlung Verantwortung übernehmen

Die beiden größten deutschen Bioanbauverbände wollen den negativen Preistrend bei der Biomilch, der seit Jahresbeginn zu beobachten sei, umkehren. „Es liegt in der Verantwortung der Partner entlang der Wertschöpfungskette, hier für die notwendige preisliche Stabilität zu sorgen“, sagen die Präsidenten der beiden Verbände, Jan Plagge und Hubert Heigl. Um eine kostendeckende Produktion zu gewährleiten und die hohen Nachhaltigkeitsstandards für die Biomilch langfristig halten zu können, bräuchten die Betriebe einen soliden und beständigen Preis.
Er diene darüber hinaus dazu, verbändeübergreifend allen Mitgliedern in der Wertschöpfungskette Orientierung zu geben. „Anhand des Orientierungspreises können die Molkereien und insbesondere der Handel ihre jeweilige Verantwortung innerhalb der Wertschöpfungskette für das In-Wert-Setzen der hohen verbandlichen Nachhaltigkeitsstandards aktiv übernehmen“, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung.

Lidl und Aldi gehen beim Orientierungspreis für Biomilch auf Distanz

Wie uns Lidl erklärte, würden die besonders hohen Nachhaltigkeitsstandards für die Biolandwirtschaft beim Discounter in Wert gesetzt. „Um diese weiter auszubauen, bestehen neben einem möglichen Orientierungspreis weitere Optionen“, heißt es von Lidl. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bestehe zwischen Lidl und seinen Lieferanten seit Jahren.

Aldi stehe beispielsweise über die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL) in direktem Austausch mit den Vertretern der Landwirtschaft. Allerdings erläutert Aldi: „Ein Lösungsweg kann nur gemeinsam mit allen Akteuren entwickelt werden, auch weil Aldi beispielsweise über keine direkten Vertrags- und Lieferbeziehungen mit Landwirtinnen und Landwirten verfügt, sondern die Ware von Molkereien bzw. Verarbeitern bezieht. Die Auszahlungspreise an die Landwirtinnen und Landwirte kann Aldi, nicht beeinflussen.“

Rewe steht zum Testen des Orientierungspreises bereit

Dass ein einzelner Händler die Einkommenssituation in der Landwirtschaft nicht verbessern könne, betont Rewe. Es bestehe aber Bedarf, eine Diskussion rund um das Thema Erzeugerkosten anzustoßen. "Orientierungspreise sind ein richtiger Ansatz, der die Flexibilität für alle Partner sicherstellt und dennoch die Erzeugerkosten berücksichtigt", heißt es in der Stellungnahme von Rewe. 

Es liege "darin ein Potenzial, die Verantwortung aller Teilnehmer der Wertschöpfungskette neu zu denken". Unter anderem mit Naturland diskutiere der Einzelhändler entsprechende Ansätze, beispielsweise im Kompetenzzentrum Landwirtschaft. In der Stellungnahme wird versichert: "Wir stehen als Sparring-Partner für die Diskussion und das Testen solcher Modelle jederzeit zur Verfügung."

EU-Kommission soll mit Überarbeitung der GMO offene Fragen klären

Ein Sprecher des Bundeskartellamts sagte gegenüber agrarheute, dass Schritte wie das Empfehlen eines Orientierungspreises wettbewerbsrechtlich nie förderlich seien. Das Thema müsse im Zusammenhang mit Artikel 210a der Gemeinsamen Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (GMO) gesehen werden. In Brüssel gebe es hier durch die öffentliche Konsultation zum Kommissionsentwurf für Leitlinien zur Ausgestaltung von Nachhaltigkeitsvereinbarungen gerade Bewegung.

Ziel der Leitlinien ist es, Akteure aus dem gesamten Lebensmittelsektor für gemeinsame Nachhaltigkeitsinitiativen zu motivieren. Bis zum 8. Dezember 2023 sollen die überarbeiteten Leitlinien vorliegen.

Bioland: Orientierungspreis könnte zum verbindlichen Preis werden

Auch Bioland und Naturland schauen auf die Änderung der Leitlinien. Im Moment stelle der Orientierungspreis für Bioland „eine Vorstufe einer Nachhaltigkeitsvereinbarung nach Art. 210a GMO als unverbindliche Preisempfehlung dar und bedarf als solcher keiner Freistellung durch eine Behörde“, erklärte uns der Verband. Dass der Orientierungspreis als verbindliche Nachhaltigkeitsvereinbarung nach Art. 210a GMO im nächsten Schritt weiterentwickelt werde, sei denkbar.

Auf Nachfrage von agrarheute bestätigte Naturland ebenfalls, dass es für den Orientierungspreis im Voraus keiner kartellrechtlichen Prüfung bedurfte. Es handle sich nicht um einen Mindestpreis, weshalb keine rechtlichen Verbindlichkeiten bestünden.

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