Bei dem Finanzierungsmodell wäre es im Kern darum gegangen, Preisaufschläge zu verabreden, die über die Lieferkette vom Milchbauern bis ins Milchregal durchgereicht werden. Das Konzept hatten Vertreter der deutschen Milcherzeuger im Agrardialog Milch dem Bundeskartellamt zur Prüfung vorgelegt. Nach Angaben der Behörde waren das der Bund Deutscher Milcherzeuger (BDM), MEG Milch-Board, Freie Bauern, Land schafft Verbindung (LsV) und die Alternative bäuerliche Landwirtschaft (AbL).
Die Bonner Wettbewerbsbehörde hat die kartellrechtliche Prüfung nun abgeschlossen – mit einem schlechten Ausgang für die Milcherzeuger.
Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamtes, erklärte heute (25.1.): „Das von Agrardialog vorgestellte Finanzierungsmodell ist kartellrechtlich nicht zulässig.“
Modell hätte durchschnittliche Kosten der Milcherzeugung berücksichtigt
Wie das Kartellamt erläuterte, sah das Modell des Agrardialogs eine nachträgliche Stabilisierung des vertraglichen Milchgelds für die Landwirte vor. Dafür sollten die durchschnittlichen Kosten der Milcherzeugung für landwirtschaftliche Betriebe branchenweit ermittelt werden.
Diese Kosten sollten den Ausgangspunkt für einheitliche Aufschläge auf den Milch-Grundpreis bilden. Die Aufschläge sollten bindender Bestandteil der Lieferverträge zwischen Erzeugern, Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel sein. Sie wären regelmäßig an die Entwicklung der Produktionskosten der Landwirte angepasst worden.
Kartellamt befürchtet flächendeckend höhere Milchpreise
Nach Einschätzung des Kartellamtes wäre das Modell wegen der angestrebten branchenweiten Geltung auf eine flächendeckende Erhöhung der Milchpreise hinausgelaufen. Damit würden aber gerade die Verbraucher, die Milch und Milchprodukte kaufen, günstige Ausweichmöglichkeiten verlieren, argumentiert die Behörde.
Mundt versicherte, grundsätzlich unterstütze das Kartellamt landwirtschaftliche Erzeuger, die mit Kooperationen ihre Position stärken wollen oder Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Deutsches und europäisches Kartellrecht stehe dem nur in den seltensten Fällen entgegen. Erzeuger dürften ihre Angebote bündeln, gemeinsam verhandeln und ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale werfen. Wenn hingegen Preisbestandteile abgesprochen würden, seien die Grenzen des Kartellrechts klar überschritten
Auch die Initiative Tierwohl stößt an die Grenzen des Wettbewerbsrechts
Erst in der vergangenen Woche hatte das Bundeskartellamt mehr Wettbewerb bei der Finanzierung der Initiative Tierwohl (ITW) angemahnt. Mit dem Ende der dritten ITW-Programmphase muss die Initiative Tierwohl ab 2024 den einheitlichen Tierwohlaufschlag weiterentwickeln und wettbewerbliche Elemente einführen.
Gegen eine Initiative für existenzsichernde Löhne bei Bananen hatte das Bundeskartellamt kürzlich hingegen keine wettbewerblichen Bedenken erhoben.
Kartellamt vermisst Nachhaltigkeitsaspekte im Konzept des Agrardialogs Milch
Im Agrarbereich hat sich seit dem 7. Dezember 2021 auf europäischer Ebene der Rechtsrahmen für die kartellrechtliche Beurteilung von Initiativen zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards (mit dem Inkrafttreten von Artikel 210a der Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse) verändert.
Demnach sind unter bestimmten Voraussetzungen Kartellrechtsausnahmen für Nachhaltigkeitsinitiativen möglich. Nicht von der neuen Ausnahme umfasst sind Preisabsprachen, die nicht darauf abzielen, einen höheren Nachhaltigkeitsstandard anzuwenden, als er durch europäisches oder nationales Recht vorgeschrieben ist.
Beim Finanzierungskonzept des Agrardialogs Milch spielten Nachhaltigkeitsaspekte nach Auffassung des Kartellamtes aber keine Rolle. Das wirtschaftliche Interesse an einem höheren Einkommensniveau könne für sich genommen aber keine kartellrechtliche Freistellung solch einer Vereinbarung rechtfertigen.
Mundt betonte, der Agrardialog habe jederzeit die Möglichkeit, dem Kartellamt ein Nachhaltigkeitskonzept vorzulegen, das nicht auf eine Preisabsprache zu Lasten der Verbraucher zurückgreife.
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