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Milchpreise und Produktionskosten

Wie hoch sind die Kosten für Milchbauern wirklich?

Milchbauer.
am Dienstag, 17.11.2020 - 11:21 (1 Kommentar)

Nur 32 Cent bekommen die Bauern für die Milch. Deckt das die Kosten? Mit Sicherheit nicht, sagen die meisten Landwirte.

Milchpreise in Deutschland.

Bauern, die mit Milch ihr Geld verdienen müssen, haben zu kämpfen. Nicht nur in diesem Jahr. Das liegt zum einen an den im langfristigen Vergleich relativ niedrigen Milchpreisen – zum anderen aber an den hohen Produktions- und Investitionskosten.

Folgt man bei der Kalkulation der Kosten den Berechnungen des Büros für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL), deren Ergebnisse sich nicht grundsätzlich von den Untersuchungen der Landwirtschaftskammern unterscheiden – so kommt man zu dem Schluss: Bei einer Vollkostenrechnung können nur wenige Milchbauern ihre gesamten Kosten durch die Erlöse aus der Milchproduktion decken.

Das ist über das Gros der Jahre offenbar nur für die variablen Kosten bzw. ohne eine angemessene Entlohnung der Betriebsinhaber und Familienarbeitskräfte möglich. Oder aber durch eine Quersubventionierung aus anderen Betriebszweigen.

Und noch etwas fällt auf: Sowohl zwischen den Regionen und Bundesländern als auch zwischen der wirtschaftlichen Spitzengruppe und den ökonomisch weniger erfolgreichen Betrieben unterscheiden sich die Produktionskosten ganz erheblich.

Vollkosten liegen in der Regel über 40 Cent

Produktionskosten und Milchpreis.

Fakt ist auch: Der gewaltige Kostendruck hat auch das Höfesterben bei den Milchbauern angeheizt. Ende 2019 ist die Zahl der deutschen Milchbauern erstmals unter 60.000 gesunken. Das bedeutet: Allein in den letzten 5 Jahren erfolgte eine Abnahme der Milchviehbetriebe um rund 13.000 bzw. etwa ein Fünftel!

Schaut man auf Kosten und Erlöse, wird jedoch klar warum das so ist. Nach den Berechnungen der BAL – deren Daten auf dem Testbetriebsnetz des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) basieren, liegen die Gesamtkosten für die spezialisierte Milcherzeugung in Deutschland in den letzten 10 Jahren – einschließlich der Lohnkosten – zwischen 41 und 45 Cent je kg Milch.

Die Landwirtschaftskammern – etwa in Niedersachsen – kommen bei einer vergleichbaren Berechnung für den Durchschnitt der untersuchten Milchvieh-Betriebe ebenfalls auf durchschnittliche Vollkosten von 43 Cent je kg Milch und bei den sogenannten Direktkosten – also den Kosten ohne Arbeitskosten, Abschreibung und Zinsen – auf Werte von 30 Cent. Das sind etwa 13 Cent weniger als die Gesamtkosten.

Ähnlich sieht die Sache bei der BAL-Analyse aus – auch hier sind die Direktkosten – hier im Prinzip als pagatorische Kosten ausgewiesen – zumindest für die westdeutschen Betriebe 12 bis 14 Cent niedriger als die Vollkosten.

Vollkosten werden im Prinzip nicht (nie) gedeckt

Melken.

Erkennbar wird an dieser Stelle: Für die allermeisten Milchbauern war es in den letzten 10 Jahren nur möglich ihre Direktosten zu decken. Die Milchauszahlungspreise übersprangen in den letzten 13 Jahren lediglich dreimal kurzeitig die 40-Cent-Marke – nämlich 2008, 2014 und 2018. Gleichzeitig stürzten die Milchpreise im selben Zeitraum jedoch zweimal deutlich unter die 25-Cent Marke – nämlich 2009 und 2016.  Das waren auch immer Phasen in denen besonders viele Milchbauern die Hoftore dicht machen mussten.

Im Schnitt der letzten 13 Jahre bekamen die deutschen Milchbauern knapp 33 Cent je kg Milch ausgezahlt. In den letzten drei Jahren waren es mit 34,5 Cent etwas mehr, jedoch bleiben diese Preise weit von den Gesamtkosten der Produktion entfernt. Nimmt man für denselben Zeitraum Vollkosten von knapp 43 Cent an, so sind diese mit den gezahlten Preisen niemals zu decken.

Unterstellt man, dass die Direktkosten etwa 10 bis 13 Cent niedriger sind, reichen die Milchpreise also gerade so aus, um diese zu decken. Alle anderen Kosten müssten also auf andere Weise bestritten werden. Das heißt: Entweder durch durch Lohnverzicht oder aber durch Quersubventionen aus anderen Betriebszweigen.

Eine aktuelle Online-Befragung von bis dahin rund 3.700 agrarheute-Lesen und Milchbauern zeigte: Rund 70 Prozent der Befragten sagen, dass sie zur Deckung ihrer Kosten einen Milchpreis von über 40 Cent brauchen – immerhin 9 Prozent kommen danach auch mit weniger als 32 Cent klar!!!

Große regionale Unterschiede – Neue Probleme durch Corona

Produktionskosten udn Milchpreis.

Auch regional sind die Unterschiede zwischen Kosten und Milchpreise relativ hoch. So sind die Erzeugungskosten im Süden – etwa in Bayern und Baden-Württemberg – deutlich höher als im Norden – etwa in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein und auch als im Osten. Der Grund: Die Betriebe sind im Norden und Osten sind meist deutlich größer.

Allerdings sind auch die Milchauszahlungspreise im Süden höher – denn die Verwertung der Milch ist in der Regel eine völlig andere. Während der Norden eher Bulkprodukte für den Weltmarkt und Hausmarken für den LEH erzeugt werden, sind es im Süden mehr hochveredelte (teurere) Erzeugnisse. Die BAL-Analyse weist etwa für Bayern im Jahr 2017 Gesamtkosten von 43,4 Cent je kg aus. In Niedersachsen werden dagegen „nur“ Gesamtkosten 38,6 Cent ausgewiesen und in Mecklenburg-Vorpommern kostet die Milch 39,2 Cent.

In diesem Jahr sind die Milchpreise in Deutschland durch die Corona-Krise und die Schließung der Gastronomie zweitweise massiv unter Druck geraten, haben sich zuletzt aber wieder gefangen. Von 35 Cent zum Jahresbeginn und weniger als 32 Cent zur Jahresmitte ging es zuletzt wieder auf 33 Cent nach oben.

Auch das sind für die Mehrheit der Milchbauern keine kostendeckende Preise. Und für die nächsten Wochen sieht es allenfalls nach einer Seitwärtsbewegung aus, denn der zweite Lockdown würgt den immens wichtigen Absatz in die Gastronomie erneut ab.

Wie geht es weiter – in Deutschland und am Weltmarkt?

Milchpreise Weltmarkt.

Doch wie geht es künftig weiter mit den Milchpreisen? Das Thünen-Institut geht in seiner aktuellen Baseline-Projektion davon aus, dass die Preise in Deutschland bis 2030 auf rund 37 Cent steigen werden. Auch das deckt die Kosten der Milchbauern noch lange nicht – zumal diese ebenfalls weiter nach oben gehen dürften. Aber es ist erst einmal die richtige Richtung.

Der Grund für den Preisanstieg ist einfach: Der Weltmarkt – unter anderem China – kauft und verbraucht immer mehr Milch und Milchprodukte. Zwar wird weltweit auch mehr Milch erzeugt (z. B. in Indien) - der globale Bedarf wächst jedoch noch schneller und Länder wie Indien verbrauchen ihren Produktions-Zuwachs selbst. Auslöser für das globale Nachfragewachstum ist zum einen die weiter deutlich zunehmende Weltbevölkerung – Hinzu kommt: Wohlstand und  Kaufkraft nehmen ebenfalls zu – vor allem in Asien.

Das Problem mit dem Weltmarkt ist jedoch: Die Preise werden aus verschiedenen Gründen weiterhin sehr stark schwanken. Das sorgt auch in Europa und Deutschland weiterhin für kräftige Preisausschläge – die man sonst eigentlich nur vom Getreidemarkt kennt.

Die Weltmarkpreise für Milch – zurückgerechnet von den Produktpreisen – sieht das Thünen-Institut in den nächsten Jahren steigen. Am Ende sind die globalen Preise trotzdem etwas niedriger als in Deutschland. Der Grund für diese Differenz: Einige große Erzeugerländer und Exporteure – wie etwa Neuseeland und Australien – produzieren ihre Milch billiger als die Europäer.

Das drückt natürlich über die Exportpreise auch auf den durchschnittlichen Rohmilchwert – dieser wird für 2030 bei knapp 36 Cent je kg erwartet und damit rund 1 Cent unter dem für die deutschen Bauern erwarteten Preis.

Welcher Milchpreis ist für Sie kostendeckend?

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