Grundsätzlich ist es positiv, wenn der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) die Verbraucherpreise für Trinkmilch anhebt, wie jüngst Anfang November passiert. Für konventionelle Trinkmilch muss der Verbraucher in den kommenden sechs Monaten 2 Cent/l mehr bezahlen, für Biomilch sogar 4 Cent/l. Alles gut?
Nein, ist es nicht, denn auf Kosten der Milchbauern macht sich der LEH die Taschen voll. Bei der konventionellen Trinkmilch erhalten die Molkereien nach agrarheute-Recherchen gerade einmal knapp 1 Cent/l mehr, bei Biomilch gab es eine Nullrunde. Teilweise mussten die Biomilchhersteller gar mit einem Minus von 2 Cent/l den Verhandlungstisch verlassen.
Centbeträge gehen in die Millionen
„Sind ja nur ein paar Cent. Was macht das schon“, denkt man auf den ersten Blick. Doch mit dem entsprechenden Multiplikator werden große Summen daraus. Bringt man die Centbeträge mit den zu erwartenden Absatzmengen an Trinkmilch bis April 2020 zusammen, solange laufen die neuen Trinkmilchkontrakte, kommen schon ein paar Millionen Euro zusammen.
Das Geld fehlt den Milchbauern, konventionellen und ökologisch Wirtschaftenden. Bei konventioneller Trinkmilch sind es immerhin über 16 Mio. Euro. Bei Biomilch je nach Verhandlungsergebnis zwischen knapp 7 und über 10 Mio. Euro. Das zusätzliche Geld landet in den Kassen des Handels. Landwirte und Verbraucher schauen mit dem berühmten Ofenrohr ins Gebirge. Die Mehrwertsteuer von 7 Prozent bei den Verbraucherpreisen habe ich da schon abgezogen.
Handelsmarge auch bei Butter ausgedehnt
Die Ausweitung der Handelsmarge bei Trinkmilch ist keine neue Strategie von Aldi, Lidl und Co. Bei Butter haben die Einkäufer das in den vergangenen Monaten auf die Spitze getrieben. Ich habe diese Praxis schon Anfang 2018 moniert.
Seitdem ging das Spiel munter weiter. Lag die Handelsmarge pro kg Butter (jeweils 250 g Päckchen) im Februar 2018 nach meinen Kalkulationen bei rund 1 Euro, hat sie sich im März und April 2019 in der Spitze gar fast verdoppelt. Danach ist sie zwar wieder gefallen. Doch seit dem Frühjahr 2018 ist sie mit derzeit knapp 1,70 Euro/kg immer noch beachtlich. Noch bemerkenswerter ist das Zahlenspiel, wenn man die Absatzmengen an 250 g Päckchen in den einzelnen Monaten unterstellt. Hatte der Handel im Februar 2018 rund 20 Mio. Euro Spanne an der Butter, sind es derzeit rund 40 Mio. Euro.
Gut, davon muss er seine Kosten decken. Doch ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese sich innerhalb eines Jahres verdoppelt haben.
Einheitliche Preiserhöhungen wirken wie abgesprochen
Für mich zeigen diese Beispiele ganz klar: Aldi, Lidl und Co. nutzen ihre Marktmacht gegenüber Molkereien und damit den Milchbauern ganz brutal aus. Von einer fairen Partnerschaft kann hier keine Rede sein. Und die Politik schaut machtlos zu. Die angekündigte Verschärfung des Wettbewerbsrechts auf EU-Ebene sind reine Lippenbekenntnisse. Reine Papiertiger.
Und noch etwas ist bemerkenswert. Obwohl der Lebensmittelhandel gerade bei der Biotrinkmilch nach unseren Recherchen nicht mehr und teilweise sogar weniger zahlen muss, sehen sich Verbraucher einer glatten und einheitlichen Erhöhung um 4 Cent/l gegenüber. Auch bei der konventionellen Trinkmilch ging der Preis im Laden einheitlich nach oben.
Wenn Sie mich fragen, ist das ein klarer Fall für die deutschen Kartellwächter. Stinkt die Sache nicht nach illegalen Preisabsprachen, zum Nachteil von Verbrauchern und Landwirten?
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