
Dabei hatten die Milchbauern von Land schafft Verbindung nach massiven Protesten geglaubt der Einzelhandelsriese lenkt ein - und würde sogar auf die zum Jahresbeginn üblichen Preissenkungen, beispielsweise beim Butterpreis, verzichten.
Schleswig-Holsteins LsV-Vorsitzende Uta von Schmidt-Kühl hatte zu den Protesten der Milchbauern gesagt: „Das ist die blanke Existenzangst. Das hat nichts mit Spaß und Vergnügen zu tun. Das ist die pure Verzweiflung." Doch nun will der Discounter die Butterpreise sogar noch viel stärker absenken als zunächst befürchtet.
„Das ist eine Provokation“, hatte Anthony Lee, Sprecher von Land schafft Verbindung, gegenüber NDR 1 Niedersachsen gesagt. Üblich sind zum Jahresbeginn bis zu 20 Cent weniger, nun sollen es gleich 56 Cent sein - und dass, obwohl der Butterpreis auf dem Weltmarkt im neuen Jahr kräftig steigt – wie die aktuelle Notierung der Handelsplattform Gobal Dairy Trade zeigt. „Aldi habe sein Versprechen gebrochen. Der Konzern habe nur das Weihnachts- und Silvestergeschäft retten wollen“, kommentiert LsV-Sprecher Lee die Entwicklung.
Die Milchbauern von LsV sind auch deshalb enttäuscht, weil es mit Blick auf die Preise bereits erste Gespräche mit den großen Lebensmitteleinzelhändlern Aldi, Rewe, Lidl und Edeka gegeben hat und diese im Januar fortgesetzt werden sollten. "Die trotzdem von Aldi mit einigen Molkereien ausgehandelten niedrigen Butterpreise seien deshalb ein Schlag ins Gesicht für die Milchbauern", sagt Uta von Schmidt-Kühl.
Aldi: Der Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage

Der Einzelhandelsriese ist jedoch keiner Schuld bewusst. Aldi-Unternehmenssprecher Joachim Wehner sagt: „Die Preise, die wir zahlen, richten sich nach Angebot und Nachfrage auf dem gesamten Markt, beeinflusst von vielen weiteren Faktoren.“ Es sei völlig normal und wiederhole sich jedes Jahr aufs Neue, dass die Butterpreise aufgrund der hohen Nachfrage zur Weihnachtszeit steigen und danach zu Jahresbeginn wieder zurückgehen.
„Dieses Prinzip spiegelt sich grundsätzlich auch in den Angeboten der Molkereien wider, wie sie allen Händlern um diese Jahreszeit unterbreitet werden", so Wehner weiter. Fragt sich nur, warum man überhaupt mit den Bauern Absprachen getroffen hat – und diese dann nicht einhält.
Die Sprecherin von Aldi-Nord, Serra Schlesinger, zeigt indessen Verständnis für die Sorgen und Probleme der Bauern. Sie sagte: „Wir verstehen die Landwirte, aber wir sind nicht alleine in der Lage, das gesamte Problem zu lösen".
Schlesinger verwies zudem darauf, dass das Unternehmen die Preise nicht mit den Landwirten direkt aushandele. „Dazwischen stehen die Molkereien. Wenn zu viel Milch produziert werde, sei der Preis niedrig“, sagte die Sprecherin.
Fakt ist jedoch: Nach dem Jahreswechsel steigt die Milchanlieferung aus saisonalen Gründen zwar wieder an – dennoch ist die Anlieferungsmenge nach Angaben der Milchindustrie noch 1,1 Prozent kleiner als im vorigen Jahr zum gleichen Termin. Von einem Überangebot kann angesichts der guten Absatzentwicklung im LEH also kaum die Rede sein.
Zwei Großmolkereien liefern zu den niedrigen Preisen

Und noch etwas kommt hinzu: Die Molkereien waren sich nach Aussagen des NDR – wie so oft – ebenfalls nicht einig. Denn nach Informationen von NDR 1 Niedersachsen würden zwei Großmolkereien – aus Sachsen und Schleswig-Holstein – dem Konzern die Butter für 56 Cent weniger pro Kilo liefern.
Doch auch die Molkereien werben um Verständnis: „Wer bei den Discountern nicht mitziehe“, so der Chef einer norddeutschen Molkerei gegenüber dem NDR, „verliere von einem Tag auf den anderen seine Verträge. Um die Ware doch noch an den Markt zu bringen, müssten die Betriebe sie mitunter noch günstiger an die Lebensmittelindustrie verkaufen.“
Möglicherweise ist das die Stelle, an der die Politik sich auch in einer Marktwirtschaft einschalten muss. Auch Niedersachsens Landwirtschaftsministerien Barbara Otte-Kinast will weitere Gespräche. „Um Lösungen zu finden, müssen alle Marktpartner an einen Tisch. Wir brauchen langfristige Strategien", sagte die Ministerin. „Ich kann den Ärger und die Wut der Landwirte verstehen“. Eigentlich war für den 13. Januar eine Videokonferenz mit Bauern, Verarbeitern und Händlern geplant.
Doch die Milchbauer von LsV werden wohl nicht so lange warten. „Das werden die Landwirte nicht auf sich sitzen lassen, kündigte LsV-Sprecher Lee an. Das nächste Mal sollten die Bauern gleich zwei Wochen lang die Lager blockieren und nicht nur zwei Tage“.
Mittlerweile hat der Aldi-Manager Christian Salmen in einer Pressemitteilung erklärt: „Die vereinbarten Einkaufspreise basieren dabei auf Angeboten der Molkereien. Die genaue Höhe der Abschlüsse können wir aus Gründen des Wettbewerbs nicht nennen, möchten jedoch betonen, dass die in Medien kursierenden 56 Cent pro Kilogramm auf ALDI nicht zutreffen. Stattdessen orientieren sich unsere Abschlüsse bewusst im Durchschnitt an marktüblichen saisonalen Schwankungen“.
Am Weltmarkt steigen die Butterpreise steil an

Ein Blick auf den Milchmarkt zeigt: Die Proteste der Bauern gegen Preissenkungen sind aus Sicht der Marktentwicklung sehr gut nachvollziehbar. Weder bei Butter noch bei Milchpulver oder Käse hat es im europäischen Großhandel oder am Weltmarkt größere Preisabschläge gegeben.
Im Gegenteil: Bei der ersten Auktion der globalen Handelsbörse Globale Dairy Trade sind die Preise für Butter um satte 7,2 Prozent gestiegen, für Käse gingen die Preise um 5,0 Prozent nach oben und Milchpulver verteuerte sich um 3 bis 4 Prozent. Das ist im übrigen der vierte Preisanstieg auf der Auktion in Folge. Also weit und breit kein Zeichen von Preisschwäche.
Diese sehr positive Entwicklung am Weltmarkt bestätigt im Januar auch die Welternährung-Organisation FAO. Sie berichtet, das die globalen Exportpreise für Milch im Dezember um mehr als 3 Prozent gestiegen sind - auf den höchsten Stand seit 29 Monaten.
Und auch in Deutschland und Europa gibt es keine guten Erklärungen für eine Preissenkung. Im europäischen Großhandel sind die Preise für Butter, Käse und Milchpulver im Vergleich zum Dezember relativ stabil. Und auch am europäischen Terminmarkt zeigen die Kurse für Butter mit Blick auf die nächsten Monate nach oben – und nicht nach unten.
Milchanalyst Michael Harvey von der Rabobank bestätigt diese Aussichten. Er sagt: „Die Rohstoffpreise bleiben nach einer Rallye in den letzten Monaten auf einem höheren Niveau, und wir gehen davon aus, dass diese Preise auch 2021 bestehen bleiben". In Europa und den USA fließen zudem verstärkt frühere Lagerbestände aus dem ersten Lockdown in kommerzielle Kanäle, was eine weitere positive Nachricht für die Preise ist."
Preissenkung passt nicht zum Absatz im LEH

Und noch ein Punkt kommt hinzu, der eigentlich gegen eine Preissenkung, beispielsweise des Butterpreises, spricht: Der Absatz von Milchprodukten im Einzelhandel hat nämlich sehr stark vom höheren privaten Verbrauch im Lockdown profitiert. Das zeigen alle von Konsumforschern erhobene Daten. Doch auch die Gesamtsicht des Milchmarktes, lässt trotz der bekannten Einschränkungen im Gastronomieabsatz, durchaus das Prädikat "relativ robust" zu, schätzt der Verband der Milcherzeuger in Bayern (VMB) die aktuelle Marktlage ein.
Vor allem eine Sache fällt dabei auf: Die sonst um den Jahreswende übliche Konsum- und Absatzdelle ist aufgrund des erneuten Lockdowns in diesem Jahr komplett anders. Die Menschen essen nämlich weiter zu Hause, begründet der VMB den anhaltenden Nachfrageboom. Das zeigt sich auch in den kurzfristigen Indikatoren, also den Preisen für Milchprodukte am Spotmarkt. Diese waren und sind für die Jahreszeit erstaunlich stabil. Und das gilt nach Einschätzung des der VMB-Experten eben auch für die Fettverwertung.
Lediglich dem Markt für Blockbutter, an dessen Niveau sich der LEH jetzt orientiert hat, fehlen bislang die Impulse. Bei der letzten Notierung an der Kemptener Börse gingen die Preise für abgepackte Butter im so genannten Preiseinstiegssegment der Eigenmarken deshalb auf 3,24 Euro/kg zurück – von zuvor 3,80 Euro/kg. Die Laufzeit des neuen Kontraktes geht über zwei Monate, bis Ende Februar.
Für die Milchbauern war dieser Preisrutsch ein Schock angesichts der ohnehin extrem angespannten wirtschaftlichen Situation auf den Betrieben – und den Versprechungen die der Einzelhandel in den Gesprächen zuvor gemacht hat.
Eine Übersicht der aktuellen Preise für Milcherzeugnisse erhalten Sie im Marktbereich von agrarheute.
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