Der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, wies vor Beginn der Diskussion darauf hin, dass Deutschland rund die Hälfte der hierzulande erzeugten Milch exportieren muss.
Deshalb seien allen Exportrestriktionen - ob nun Brexit oder Russland-Embargo - Gift für den heimischen Milchmarkt. Die anschließende Diskussion drehte sich schnell um die Folgen des Brexits für den deutschen und europäischen Milchmarkt.
Ausstiegsszenario weiter unklar
Zunächst versuchte Prof. Martin Banse vom Thünen-Institut, die derzeitige Situation und die Folgen für den Milchmarkt zu beschreiben. Dies fiel dem Wissenschaftler jedoch schwer, da noch immer nicht klar ist, wie und wann die Briten die Europäische Union verlassen werden.
Banse beschrieb deshalb zwei mögliche Szenarien: Zum einen einen weichen Brexit mit Austrittsabkommen und zum anderen einen Ausstieg ganz ohne Deal. Dabei wies der Wissenschaftler noch einmal darauf hin, dass der Export sowohl bei einem harten als auch bei einem weichen Brexit leiden würde. Ein weicher Brexit würde nämlich höhere Handelskosten durch mehr Bürokratie und Kontrollen verursachen.
Harter Brexit bedeutet 50 Prozent Zölle
Die mengenmäßige Wirkung auf die deutsche Milcherzeugung ist nach Einschätzung von Banse überschaubar, da sich die Verarbeiter und Exporteure zwangsläufig umorientieren und neue Märkte erschließen würden. Er ist jedoch skeptisch, dass die Verluste durch bilaterale Handelsabkommen mit Drittstaaten aufgefangen werden können. Die Milchwirtschaft sei aber unter dem Strich nicht so stark von einem wie auch immer gearteten Brexit betroffen wie beispielsweise die deutschen Schweine- und Geflügelfleischvermarkter, so der Institutsleiter. Er schließt allerdings nicht aus, dass die Einschränkungen beim Export nach Großbritannien zu Preisdruck auf dem EU-Binnenmarkt führen
Bei einem harten Brexit würden für die aus der EU in das Vereinigte Königreich exportierten Milchprodukte Zölle von rund 50 Prozent erhoben. Ähnlich hoch wären die Zölle für Rindfleisch. Den Briten würden die Milchprodukte aus Europa allerdings fehlen, erklärte Banse weiter, denn ihre Selbstversorgung bei Nahrungsmitteln beträgt gerade einmal 62 Prozent.
Bei den importierten Milchprodukten würden die Briten fast 80 Prozent aus EU-Ländern beziehen. Dennoch versuchte der Wissenschaftler die Anwesenden mit der Aussage zu beruhigen, dass der Milchmarkt lange nicht so stark vom Brexit betroffen sei, wie etwa der Markt für Schweine- und Geflügelfleisch. Dort dürfte es wohl die stärksten Auswirkungen geben.
Für Arla ist UK ein Heimatmarkt
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion nahm zunächst Thormod Nielsen von der Molkerei Arla Foods Stellung. Nielsen sagte, Arla sei vom Brexit unmittelbar betroffen, denn im Vereinigten Königreich hat die dänische Großmolkerei 2.000 Landwirte als Lieferanten und zudem 4.000 Angestellte in der Milchverarbeitung. Damit sei das Vereinigte Königreich für Arla auch eine Art Heimatmarkt.
Nielsen sagte außerdem, dass 80 Prozent der in Großbritannien verbrauchten Arla-Produkte auch dort produziert würden und nur 20 Prozent müssten aus dem übrigen Europa importiert werden. Gleichzeitig würde jedoch im Vereinigten Königreich hergestellter Arla-Cheddar-Käse auf den Kontinent exportiert.
Wie stark die Handelskosten künftig steigen, konnte der dänische Molkereivertreter nicht exakt abschätzen. Er ging jedoch von einem recht deutlichen Anstieg aus.
Schon jetzt große Probleme
Peter Manderfeld, Vorstand der Molkerei Hochwald, schätzte den Exportanteil seines Unterhemens ins Vereinigte Königreich auf 2,5 Prozent der gesamten Ausfuhren, also relativ gering. Allerdings stünde die bereits gelieferte Ware (vor allem Kondensmilch) schon jetzt lange in Dover herum und könne nicht weiter ins Inland verteilt werden. Es seien einfach keine Lkw verfügbar.
Das bestätigte Prof. Banse vom Thünen-Institut. Nach seiner Erkenntnis kommen außerdem viele nach Großbritannien gefahrene Lkw derzeit ohne Fracht zurück. Er forderte an dieser Stelle von der deutschen Politik eine aktive Erschließung neuer Märkte etwa in Asien.
Bianca Lind, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Rind und Schwein, veranschlagte die Anzahl der aus Deutschland jährlich auf die britischen Inseln exportierten Zuchtrinder auf etwa 4.000. Angesichts der insgesamt 130.000 aus Deutschland verkauften Zuchtrinder erscheint diese Zahl zwar gering. Dennoch wirke sich der Rückgang negativ auf den Gesamtmarkt aus, meinte Lind. Neue Absatzmärkte müssten erst noch erschlossen werden.