Dabei mussten die deutschen Schweinebauern schon heftig unter den Folgen der Corona-Krise leiden. Nun drohen aber noch weitaus schlimmere Turbulenzen. Mit dem ersten nachgewiesenen Fall verliert Deutschland den Status als „seuchenfrei“.
Unmittelbar nach der offiziellen Bestätigung des ASP-Falls verhängten Südkorea, Japan und leider auch China Importstopps für Schweinefleisch aus Deutschland – mit fatalen Folgen für die Schweinepreise. Damit ist eingetreten, was viele Schweinehalter befürchtet hatten. Brasilien und Argentinien zogen kurz darauf nach.
Faktisch ändere sich an der Situation aber nichts, sagte der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Deutscher Schweinehalter (ISN) Torsten Staack. Denn Tatsache ist: Schon seit Donnerstag konnten bei der Exportabfertigung die notwendigen Veterinärzertifikate nicht mehr ausgestellt werden, da Deutschland den Status als frei von der afrikanischen Schweinepest verloren hatte.
Der herbe Preisrückgang am Freitag hatte diesen Umstand und auch weitere Sperrungen in Drittlandsmärkte daher bereits mit eingepreist. Eine weitere Verschärfung der Lage ist das deshalb nicht, sagte Staack weiter.
Private Lagerhaltung gefordert

ISN-Geschäftsführer Staack sagte außerdem: „Jetzt gilt es in der Fleischvermarktung, schnell alternative Vermarktungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Märkte müssen sich jetzt neu sortieren. Angesichts des derzeitigen Preisniveaus müsste es aus unserer Sicht auch tatsächlich gelingen, andere Absatzventile zeitnah aufdrehen zu können."
Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hatte die rasche Eröffnung der privaten Lagerhaltung ins Gespräch gebracht. Allerdings hat es im Bundeslandwirtschaftsministerium bei der Vorbereitung auf einen möglichen ASP-Ausbruch schon seit längerem Überlegungen und Anforderungen (an die EU-Kommmission) für die private Lagerhaltung gegeben.
Kaniber fordert jetzt eine „an den Bedürfnissen der Marktteilnehmer“ orientierte private Lagerhaltung. Zugleich äußert die bayerische Ministerin jedoch die Befürchtung, dass die Maßnahme nur bedingt den gewünschten Effekt erzielen könnte. Der Grund: Wegen der Corona-Folgen seien die Läger derzeit in vielen Fällen gut gefüllt.
Für die deutschen Bauern ist der Absturz der Schweinepreise jedenfalls eine Katastrophe: „Die Krise darf von den Verarbeitern und vom Handel nicht zulasten der Bauern ausgenutzt werden“, sagt deshalb der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Joachim Rukwied.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des ersten ASP-Falls in Deutschland und der erwarteten Exportverbote stürzte der Schweinepreis am Freitag um 20 Cent auf 1,27 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht ab. „Das sei überzogen und inakzeptabel“, kommentierte Ruckwied den Absturz.
Video-Konferenz mit Päsident Xi Jinping – auch zu ASP?

Staack fordert deshalb auch, dass flankierend die Verhandlungen mit den Drittstaaten weitergeführt werden, um Lösungen für die Öffnung der nun gesperrten Märkte zu finden. Staacks Eindruck aus all den Gesprächen und Konferenzen mit den zuständigen Ministerien und Behörden auf Bundes- und Länderebene der letzten Tage ist, dass man sich der Lage voll und ganz bewusst ist und dass man da derzeit ebenfalls auf höchster Ebene mit Hochdruck dran ist.
Das chinesische Import-Verbot kommt kurz bevor der chinesische Präsident Xi Jinping per Videoverbindung an einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Länderchefs der Europäischen Union teilnimmt. Eine Sprecherin des deutschen Landwirtschaftsministeriums sagte, dass das Ministerium weiterhin mit der chinesischen Regierung in dieser Angelegenheit verhandeln würde.
Chinas Einfuhrverbot trifft seinen bislang drittgrößten Lieferanten. Deutschland hat in diesem Jahr bisher rund 14 Prozent der chinesischen Schweinefleischimporte geliefert. Der Ausfall der deutschen Importe wird die Nachfrage nach Fleisch von anderen großen Lieferanten wie etwa den USA und Spanien ankurbeln und könnte außerdem für höhere Weltmarktpreise sorgen, glauben Analysten. In den USA sind die Schweinepreise vor dem Hintergrund eines erwarteten Exportzuwachses bereits kräftig gestiegen.
Die deutschen Exporte nach China belaufen sich jährlich auf rund 1 Milliarde Euro. Die verkaufte Menge hatte sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt, der Warenwert hat sich mehr als verdreifacht, nachdem der chinesische Schweinebestand in Folge der Afrikanischen Schweinepest um mindestens 40 Prozent geschrumpft war und Schweinefleisch am chinesischen Binnenmarkt immer knapper und teurer wurde.
Keine Panikmache – Deutschland ist auf ASP vorbereitet
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner warnte vor Panikmache mit Blick auf mögliche wirtschaftliche Folgen. „Es ist ein Wildschwein gefunden worden in einem Landkreis“, sagte sie am Donnerstag in Berlin. Der Ernstfall sei geprobt worden, Deutschland sei vorbereitet. Es griffen nun die Vorgaben der nationalen Schweinepestverordnung. Ihr Ministerium werde zudem einen Krisenstab einrichten. Und: „Wir sind mit China im Gespräch", sagte die Ministerin. Darüber hinaus wollte sie sich noch nicht zu Exportauswirkungen in Drittstaaten äußern.
„Der Handel innerhalb Europas kann weitgehend aufrechterhalten werden." Von Einschränkungen betroffen seien nur schweinehaltende Betriebe in dem konkret betroffenen Gebiet - nicht etwa aus ganz Deutschland. Der Grund: Wenn die Afrikanische Schweinepest bei einem Wildschwein festgestellt wird, legen die örtlichen Behörden einen „gefährdeten Bezirk“ fest und richten eine Pufferzone ein. Hausschweine und Schweinefleisch dürfen dann aus diesen Gebieten – bis auf wenige Ausnahmen – nicht herausgebracht werden.
Außerdem könne es weitere Maßnahmen geben. So könne auch der Personen- und Fahrzeugverkehr eingeschränkt werden, sagte Klöckner. Auch die Interessengemeinschaft der deutschen Schweinehalter (ISN) zeigte sich vorsichtig optimistisch. Es gebe es eine Schweinepestverordnung und Krisenpläne. In den vergangenen zwei bis drei Jahren sei „sehr, sehr viel getan“ worden, um sich vorzubereiten.
Umfangreiche Sperrmaßnahmen in Brandenburg

Konkrete Folgen hat der ASP-Fall bereits für zwei Landkreise in Brandenburg. Der Fundort des infizierten toten Wildschweins war im Landkreis Spree-Neiße, nahe an der Grenze zum Landkreis Oder-Spree, sagte die brandenburgische Verbraucherministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) in Potsdam. In einem Radius von mindestens 15 Kilometern um den Fundort herum solle jetzt ein vorläufiges Gefahrengebiet eingerichtet werden, das beide Landkreise umfasse und auch ins Nachbarland Polen reiche.
In diesem Gebiet seien Beschränkungen vorgesehen. Angeordnet werden solle etwa ein striktes Jagdverbot, um Wildschweine nicht aufzuschrecken, sagte die Ministerin. Möglich seien auch Nutzungsbeschränkungen für Bauern. Beispielsweise ein Ernteverbot für Maisfelder. In dem Gebiet gebe es auch Schweinehalter. Der Abstand zu einem größeren Betrieb betrage etwa sieben Kilometer.
Allerdings sind Tierhalter bereits seit längerem für strenge Hygienevorkehrungen sensibilisiert worden. Diese Vorgaben sollen nun nochmals überprüft werden. Veranstaltungen wie Hoffeste oder Landwirtschaftsschauen werden untersagt. „Wir müssen jetzt alles versuchen, um eine weitere Ausbreitung des Seuchengeschehens zu verhindern“, sagte Nonnemacher. Später solle auch eine Kernzone eingerichtet werden.
ASP-Schutzzaun hat nicht geholfen

"Es wird wichtig sein, das infizierte Gebiet möglichst schnell zu identifizieren, um dann entsprechend auch abgrenzen zu können“, sagte Thomas Mettenleiter, Chef des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI). Es müsse analysiert werden, ob der Wildschweinkadaver ein Einzelfall sei oder ob sich die Infektion schon ausgebreitet habe. Das tote Tier habe offensichtlich schon einige Zeit an der Stelle gelegen. Er sei sehr vorsichtig, ob der Fall auf die Ausbreitung in Westpolen im vergangenen Jahr zurückgehe.
Ein Übertreten der für Menschen ungefährlichen Tierseuche nach Deutschland wurde bereits seit Längerem befürchtet. Seit Monaten kursiert die Seuche in Polen. Im März wurde im Nachbarland ein an der Schweinepest gestorbenes Wildschwein nur etwas mehr als zehn Kilometer vor der Grenze zu Deutschland entdeckt.
Brandenburg hatte wegen der grenznahen Fälle in Polen in den beiden Landkreisen Oder-Spree und Spree-Neiße sowie in der Stadt Frankfurt (Oder) bereits einen 120 Kilometer langen Elektroschutzzaun an der Grenze errichtet. Er sollte Wildschweine aufhalten. Auch an der sächsischen Grenze zu Polen wurde bereits ein Zaun gebaut.
Polen stoppt Schweine-Lieferungen aus Ostdeutschland

In Brandenburg werden nach Angaben des Landesbauernverbands rund 750.000 Schweine in etwa 170 Betrieben gehalten. Nun aber ist trotz aller Vorsichtsmaßnahmen der Ernstfall da. Das Landeskrisenzentrum und die kommunalen Krisenzentren sind bereits aktiviert. In den vergangenen Jahren hatte es bereits mehrere Großübungen zum Umgang mit Tierseuchen gegeben.
Mit dem Ausbruch der ASP im Landkreis Spree-Neiße habe die zuständige Behörde die Regie mit zahlreichen zusätzlichen Befugnissen übernommen, sagte der brandenburgische Landesbauernpräsident Wendorff. Hieraus erwachse eine besondere Verantwortung. „Wir wünschen uns von den verantwortlichen Akteuren vor Ort Klarheit und einen reibungsarmen Kommunikationsfluss. Die betroffenen Tierhalter stehen mächtig unter Druck“, so der LBV-Präsident.
Erste Auswirkung des ASP-Falls in Brandenburg bekommen ostdeutsche Schweinehalter bereits zu spüren. Polen hat dem Vernehmen nach ein Importstopp für lebende Schweine aus Deutschland erlassen. Ostdeutsche Erzeugergemeinschaften berichten, dass sie aktuell keine Schlachtschweine mehr in das Nachbarland liefern können, sagte Albert Hortmann-Scholten, von der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG).
Brandenburger Schweinehalter, die sich in den Sicherheitszonen im Umkreis von 15 km des Fundorts des am vergangenen Mittwoch gefundenen ASP-infizierten Wildschweins befinden, dürfen derzeit keine Schweine an Schlachthöfe liefern. Dies gilt auch für Ferkel, die an Schweinemäster gehen würden.
Aus den übrigen Regionen Brandenburgs können Schweine innerhalb Deutschland jedoch weiterhin vermarktet werden. Landwirte aus der Brandenburg bestätigen die Abnahmen von Schweinen durch den VION-Schlachthof in Perleberg. Auch ein Sprecher von Tönnies hatte mitgeteilt, das weiterhin "Hausschweine aus Gebieten an, die nicht behördlich gemaßregelt sind, also auch aus Brandenburg" abgenommen werden.
Importstopp auch in Brasilien und Argentinien
Auch Brasilien und Argentinien haben laut Deutscher Presse-Agentur die Einfuhr von Schweinefleisch aus Deutschland am Montag ausgesetzt. Das brasilianische Landwirtschaftsministerium will demnach detaillierte Informationen über Sicherheitsmaßnahmen, die von deutschen Betrieben getroffen werden.
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