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Schweinemarkt und Umweltpolitik

Niederlande: Anzahl der Sauen schrumpft um 75.000 - Strukturbruch?

Viele Ferkel laufen über einen Boden
am Dienstag, 15.12.2020 - 12:15 (Jetzt kommentieren)

In diesem Jahr geht die Zahl der Sauen in den Niederlanden um rund 75.000 Tiere zurück. Damit dürfte auch der Ferkelexport nach Deutschland erheblich schrumpfen.

Die Zahl der Sauenhalter in den Niederlanden ist ohnehin schon stark rückläufig. Ein Grund für diese Entwicklung ist die sogenannte „Sanierungspolitik“ der niederländischen Regierung. Dort werden schweinehaltende Betriebe mit staatlichen Mitteln aufgekauft und stillgelegt.

Über die aktuelle Entwicklung der Sauenzahlen berichtet jetzt das niederländische Onlineportal Pig Progress. Die erwartete Reduzierung des Sauenbestandes basiert auf aktuellen Daten von Unternehmen für künstliche Besamung.

Danach hatten die niederländischen Sauenhalter bis August bereits etwa 50.000 Sauen aus der Produktion genommen. Im November wurden 75.000 bzw. 8 Prozent weniger Sauen gezählt als im noch im Januar.

Weniger Sauen, weniger Schweine – und weniger Bauern

Bestand der Zuchtsauen in den Niederlanden ist 2020 rückläufig

Im Jahr 2021 dürfte die Reduzierung der Sauenzahlen zu einem deutlichen Rückgang der Bestände an Ferkeln und Jungschweinen führen. Auf Jahresbasis könnte die Abnahme der Sauenbestände eine Differenz von rund 2 Millionen Ferkel bedeuten. Aus den Niederlanden werden jährlich große Mengen an Ferkeln auch an deutsche Schweinemäster verkauft.

Da der derzeitige Absatz von Ferkeln sehr schwierig ist, könnte die deutliche Verringerung der Sauenzahl wahrscheinlich zu einer schnelleren Erholung des Marktes beitragen, glauben die niederländischen Marktbeobachter von Pig Progress. Das niederländische Statistikamt hatte vor einem Jahr rund 1,05 Millionen Zuchtsauen und 11,9 Millionen Schweine gezählt.

Dabei war der Sauenbestand zum Vorjahr (2018) allerdings erstmals seit langem angestiegen – nämlich von 967.000 Tausend auf 1,05 Millionen – ein Plus von rund 80.000 Tieren. Dieser Zuwachs, der wohl auch wegen der damals noch hohen Schweinepreise und guten Exportmöglichkeiten nach China – aber möglichweise auch wegen der Rauskaufprämien – erfolgte, ist nun wieder verschwunden. Setzt man die oben genannten Reduzierung von 75.000 bis 80.000 Sauen an – landet man wieder bei der Sauenzahl von 2018.

Ähnlich wie in Deutschland nimmt die Zahl der schweinehaltenden Betriebe in den Niederlanden jedoch schneller ab als die Zahl der Schweine und Sauen. So meldete das niederländische Statistikamt (CBS) Mitte des Jahres, dass die Zahl der Schweinehalter von über 4.000 im Jahr 2019 um 12,0 Prozent auf 3600 Anfang 2020 zurückgegangen ist. Vor 20 Jahren wurden immerhin noch 14,5 Tausend schweinehaltende Betriebe gezählt. Die durchschnittliche Zahl der Schweine pro Betrieb ist von 900 im Jahr 2000 auf 3.400 im Jahr 2020 gestiegen.

Stickstoffkrise bringt Politik in Zugzwang

Ferkel saugen an den Zitzen eines Mutterschweines

Die oben genannten Sanierungspläne sind Teil eines umfassenderen Maßnahmenpakets zur Überwindung der sogenannten Stickstoffkrise in den Niederlanden. Im Jahr 2019 wurde die bereits bestehende Gesetzgebung zu Stickstoffemissionen in der Landwirtschaft in den Niederlanden aufgehoben.

Der niederländische Staatsrat, ein Beratungsgremium für Regierung und Parlament, vertrat die Auffassung, dass die Regelungen im Widerspruch zu Natura 2000 steht, einem europäischen Regelwerk zum Schutz der Umwelt. Gemäß den EU-Vorschriften müssen die 162 aufgeführten niederländischen Gebiete besser geschützt werden.

Die praktische Folge der Aufhebung der bestehenden Stickstoffgesetzgebung war: 18.000 Bauprojekte waren gefährdet, weil die Genehmigungsverfahren vorerst eingefroren werden mussten. Es mussten „Notstandsgesetze“ erlassen werden, und ein erster und einfacher Schritt bestand darin, die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen tagsüber auf 100 km/h zu senken. Es war jedoch klar, dass weitere Maßnahmen folgen würden.

Landwirtschaft als Übeltäter - Bauernproteste

Ferkel saugen an einer Sau unter einer Rotlichtlampe

Die Behörden haben seitdem die Landwirtschaft als eine der zentralen Möglichkeiten zur weiteren Reduzierung der Stickstoffemissionen angesehen. Die Sanierung bzw. das staatlichen Rauskaufprogramm in der Schweinehaltung und weitere Maßnahmen in der Milchviehhaltung gehörten zu den Initiativen.

Im Anschluss an die neuen Regelungen und politischen Initiativen gab es auch in den Niederlanden zahlreiche und zum Teil sehr massive Bauernproteste. Auch in den Niederlanden haben die Bauern Gefühl, von Politik und Gesellschaft für viele Dinge verantwortlich gemacht zu werden – für die sie nicht verantwortlich sind.

Für das Programm zur Emissionsreduzierung aus der Landwirtschaft wurde zunächst ein Betrag von 180 Mio. Euro bereitgestellt. Im Juni erhöhte Landwirtschaftsministerin Carola Schouten die verfügbaren Subventionen für Sanierungszwecke von 180 Mio. Euro auf 455 Mio. Euro.

Das niederländische Parlament wird am heutigen Dienstag, dem 15. Dezember, über die Gesamtheit der Maßnahmen zur Bekämpfung der Stickstoffkrise abstimmen. Es wird erwartet, dass das Gesetz verabschiedet wird.

Ferkelexport könnte um 20 Prozent schrumpfen

Schrumpfender Schweinebestand in den Niederlanden in 2020

Bis Anfang November wurden insgesamt 407 Schweinebauern gezählt, die die Anforderungen an das Sanierungsprogramm erfüllten. Diese Zahl war etwas niedriger als von der Regierung erwartet. Nicht jeder Schweineproduzent, der von den Behörden eine Subventionseinladung erhalten hatte, beantragte offenbar die Teilnahme an dem Programm.

Ein Teil der potenziell stillzulegenden Betriebe hat deshalb zusätzliche Zeit erhalten, um darüber nachzudenken. Landwirtschaftsministerin Schouten will bis Ende des Jahres einen Gesamtüberblick geben, wenn genau bekannt ist, wie viele Schweineproduzenten an der Sanierung teilnehmen werden.

Bisher scheinen insbesondere Sauenbetriebe ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet zu haben. Es ist unklar, wie viele Mastschweine-Plätze aufgegeben werden könnten. Derzeitige Schätzungen liegen zwischen 300.000 und 350.000 Plätzen.  Alles in allem könnte die Situation zu einem neuen Marktgleichgewicht führen, glauben niederländische Beobachter.

Die Auswirkungen werden höchstwahrscheinlich eine Verringerung der exportierten Ferkel sein. Derzeit exportieren die Niederlande rund 6,5 Millionen Ferkel und Schweine - Experten erwarten eine Reduzierung um 20 Prozent.  Niederländische Markt-Beobachter erwarten indessen, dass die Nachfrage nach Ferkeln längerfristig wieder zunehmen wird. Ein Grund: Die Kombination von Afrikanischer Schweinepest (ASP) und Covid-19 und die Folgen auf den Schweinemarkt in Deutschland.

Hinzu kommt, dass es ab Januar 2021 obligatorisch ist, die Kastration mit Anästhesie durchzuführen. Vor diesem Hintergrund dürfte Zahl der Ferkelerzeuger in Deutschland weiter zurückgehen – und der Importbedarf hoch bleiben.

Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der Schweinebauern in den Niederlanden um 12 Prozent, agrarheute berichtete.

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