
Da reibt sich manch ein Rinderhalter verwundert die Augen: Vor neun Monaten waren die Rinderpreise auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten abgestürzt. Nun bekommen die Bauern für ihre Schlachtkühe so hohe Preise wie zuletzt vor 9 Jahren. Für Bullen werden die höchsten Preise seit drei Jahren gezahlt.
Leider sind auch die Kosten extrem gestiegen – nicht nur für Futter – und das frisst einen guten Teil der höheren Erlöse wieder auf. Die Frage ist nun: Was sind die Gründe für den enormen Preisanstieg bei Schlachtrindern – insbesondere bei Kühen. Dazu muss man zunächst sagen, dass die Rallye nicht nur auf Deutschland beschränkt ist. Und das die Preistreiber am gesamten europäischen Rindfleischmarkt wirken. In dem einen Land etwas stärker, in anderen etwas moderater. Je nachdem ob das Land am Binnenmarkt ein Exporteur oder Importeur von Rindfleisch ist.
In allen wichtigen Rindfleisch-Erzeugerländern der EU gehen die Preise derzeit aber steil nach oben – also auch in Frankreich, Italien, den Niederlanden und Dänemark – und ebenso in Polen und in Irland, zeigt jedenfalls die aktuelle Preisstatistik der Kommission. Doch zurück zu den Ursachen der Preisrallye bei Schlachtrindern.
Angebot sehr klein – Nachfrage boomt

Ganz offensichtlich ergänzen sich zwei Aspekte bei der aktuellen Preisrallye – oder anders gesagt: Sowohl das Angebot als auch die Nachfrage wirken derzeit preistreibend. Schaut man zunächst auf das Angebot, zeigen die letzten Daten der Kommission, dass dieses deutlich kleiner ist als im vorigen Jahr.
Das hat sowohl mit dem anhaltenden Ausstieg viele Milchbauern (wegen der hohen Kosten und niedrigen Milchpreise) aus der Milcherzeugung zu tun – als auch mit den wirtschaftlichen Problemen vieler Rindermäster und Mutterkuhhalter während der Corona-Krise. Denn damals war Rindfleisch nicht zu verkaufen und die Bauern blieb nichts anderes übrig als die Tiere quasi zu Schleuderpreisen abzugeben – die lange nicht die Kosten deckten.
Das Resultat der ökonomischen Krise der Milcherzeugung und der Rindermast war: Die Menge an erzeugtem Rindfleisch schrumpft in Deutschland nach den Berechnungen der Kommission um sage und schreibe knapp 4 Prozent auf einen historischen Tiefstand. Die vor allem von der Verarbeitungs-Industrie benötigten Schlachtkühe liefern 2021 knapp 5 Prozent weniger Fleisch – wobei der Rückgang im Vorjahr mit 6,7 Prozent noch viel dramatischer war.
Und auch aus der Bullenmast kommen 5 Prozent weniger Fleisch. Bezogen auf Gesamteuropa rechnet die Kommission allein im ersten Quartal 2021 mit einem Produktionsrückgang von 3,3 Prozent und für das Gesamtjahr von reichlich zwei Prozent.
Deutlich weniger Importe – aber sehr hoher Bedarf

Unterstützung erhalten die Rinderpreise jedoch auch von einer ganz anderen Seite: Nämlich von der Nachfrage. Denn nun macht die für den Rindfleischabsatz enorm wichtige Gastronomie wieder auf und auch Kantinen und andere Großabnehmer stehen wieder auf der Matte. Das kurbelt die Nachfrage enorm an und trifft aktuell auf ein extrem kleines Angebot.
Dabei sehen wir in Deutschland schon seit einigen Jahren ein besonderes Phänomen: Während die Produktion seit 2016 kontinuierlich schrumpft – mittlerweile um etwa 11 Prozent – steigt der Verbrauch seit 2013 stetig an – trotz des kleinen Dämpfers im Corona-Jahr 2020 – insgesamt etwa um 13 Prozent. 2020 lag der Selbstversorgungsgrad in Deutschland nur noch bei knapp 95 Prozent und 2021 dürfte es angesichts der wieder anspringenden Nachfrage noch weniger sein.
Gestützt wird die Nachfrage noch durch eine andere Entwicklung: Das sind die während Corona massiv gestörten Lieferketten. Deshalb kommt nun auch weniger Rindfleisch aus Drittländern auf den deutschen und europäischen Markt. So meldet die Kommission, dass die Lieferung für das in deutschen Restaurants besonders beliebte argentinische Rindfleisch, in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 20 Prozent eingebrochen ist.
Aus Brasilien kamen ebenfalls 7 Prozent weniger und auch die USA, Neuseeland, Paraguay und Australien liefern deutlich weniger Rindfleisch nach Europa. Allerdings macht der Drittlandimport nur einen geringen Teil des europäischen Handels aus.
So stammen beispielsweise in Deutschland fast 50 Prozent!! der gesamten Verbrauchsmenge aus anderen EU-Staaten. Gleichzeitig verkaufen die Deutschen jedoch 40 Prozent der eigenen Produktion in andere EU-Länder.
Das zeigt, wie eng vernetzt der europäische Markt ist und wie die Preise in anderen europäischen Ländern wie Frankreich - unmittelbar auf die heimischen Rinderpreise zurückwirken – und umgekehrt.
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