Rinderhalter warten schon länger auf bessere Zeiten. Steigende Kosten, Futtermangel und niedrige Preise setzen ihnen zu. Allein in den letzten beiden Jahren haben 5 Prozent der Rindermäster und 9 Prozent der Milchbauern aufgegeben. Zwar sieht es in diesem Jahr nach etwas höheren Erlösen aus. Doch die Bäume wachsen nicht in den Himmel, glauben die meisten Marktbeobachter.
Tim Koch von der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft sagt: „Die Rinderpreise dürften 2020 voraussichtlich etwas höher ausfallen als 2019. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass wirklich hohe Preise erzielt werden. Nicht zuletzt, weil das neue Jahr bereits auf einem niedrigen Niveau beginnt.“ Und auch bei den Kälbern startet das Jahr 2020 mit niedrigen Preisen, ergänzt Koch.
Hinzu kommt, dass die deutschen Rindermäster nicht von der riesigen Versorgungslücke Chinas profitieren. Sie dürfen nämlich kein Rindfleisch ins Reich der Mitte liefern. Zwar verhandelt die Bundesregierung seit langem und es fanden auch schon chinesische Veterinärkontrollen statt – doch bis zur Marktöffnung wird es wohl dauern.
Der chinesische Bedarf an Fleisch aller Art bleibt für die nächste Zeit jedenfalls riesig. Auch wenn die Lücke in den nächsten Jahren wohl kleiner wird. Ein Folge der hohen chinesischen Importe sind steigende oder zumindest anhaltend hohe Fleischpreise am Weltmarkt - glauben jedenfalls die Analysten der Rabobank.
Eine lange Durststrecke
In Deutschland fiel das Angebot an schlachtreifen Rindern schon 2019 überschaubar aus“, sagt Tim Koch von der AMI. Als Hauptgrund nennt der Marktexperte „das verstärkte Aussortieren von Milchkühen“. Dahinter stecken zum einen steigende Milchleistungen. Zum anderen aber auch Futtermangel und steigenden Kosten.
Das bestätigt auch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Dort heißt es über die Probleme der Rinderhalter: „Die lange Durststrecke hat die wirtschaftliche Situation vieler Rinderhalter angespannt. Das wurde durch die Folgen der anhaltenden Trockenheit noch verschärft.“ Manche Rindermäster lassen ihre Ställe deshalb einfach leer stehen. So machen sie weniger Verlust, als wenn sie mästen.
Fakt ist jedoch, dass fast so viele Jungbullen geschlachtet wurden wie im Vorjahr. Die insgesamt erzeugte Menge Rindfleisch war sogar etwas größer, berichtet Koch. Der Grund: Die Schlachtgewichte haben sowohl bei Bullen als auch bei Kühen kräftig zugenommen. Für 2020 erwartet der AMI-Experte, dass die Zahlen der Rinder und der Mäster weiter abnehmen werden. Denn die Tierhalter sind von zahlreichen neuen Auflagen direkt oder indirekt betroffen und müssen sich überlegen, ob sie investieren – oder aussteigen
Weniger Rinder in der EU
Auch die EU-Kommission erwartet am europäischen Binnenmarkt einen Produktionsrückgang und höhere Preise. Dafür führen die Experten der Kommission mehrere Gründe an: „Am stärksten wird die Rindfleischerzeugung durch die schlechte Rentabilität beeinflusst – trotz der freiwilligen gekoppelten Unterstützung in einigen EU-Mitgliedstaaten. Die letzten beiden Viehbestandserhebungen zeigten einen Rückgang in allen wichtigen Mitgliedstaaten - mit Ausnahme von Polen und Spanien.
Die EU-Experten gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt, begleitet von einer teilweisen Verlagerung der Produktion von West- nach Osteuropa. Außerdem rechnet die Kommission damit, dass die Zahl der Kühe (Mutter- und Milchkühe) um fast 1,8 Mio. Stück oder 5 Prozent schrumpft. Trotz höherer Schlachtgewichte soll die Rindfleischerzeugung schon 2020 – aber vor allem danach - ebenso stetig schrumpfen wie der Verbrauch.
Die Bullenpreise erwartet die Kommission für 2020 im Jahresmittel knapp 10 Cent höher als 2019. Die schlechte Nachricht ist aber, dass es danach mit den Preise wieder nach unten geht. Das hat dann wieder mit dem Weltmarkt zu tun. Die Analysten glauben nämlich: Wachsende Lieferungen aus Brasilien, den USA und Argentinien werden die Rindfleischpreise in den Jahren nach 2020 unter Druck setzen.
China wäre wichtig
Der Einfluss des Welthandels ist auch bei Rindfleisch hoch. In diesem Jahr bestimmen die Folgen der Afrikanischen Schweinpest in China das Geschehen auf allen Fleischmärkten. Wie ein Magnet zieht das Reich der Mitte die Ware an. „China importiert immer mehr tierische Proteine, darunter auch Rindfleisch,“ sagt Don Close, Senior Analyst bei der Rabobank. Das Problem ist nur, dass Deutschland und andere europäische Länder noch keinen Zugang zum chinesischen Markt haben. Sie können deshalb auch nicht von den sehr hohen Importpreisen profitieren – wie etwa Brasilien und andere Länder Südamerikas.
Und der chinesische Rindfleischverbrauch ist zuletzt kräftig gestiegen. Gleichzeitig geht die Produktion nach Einschätzung US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) sogar zurück. Der wachsende Verbrauch muss also aus den sehr stark steigenden Importen gedeckt werden. So lag die Importmenge im Jahr 2011 noch nahe bei Null. Im Jahr 2019 wurden bereits 2,4 Mio.t importiert und für 2020 rechnet das USDA bereits mit 2,9 Mio. t. Damit ist das Reich der Mitte der mit Abstand größte Importeur. Lieferanten sind bisher – neben den südamerikanischen Ländern auch Australien und Neuseeland.
Mercosur wird ziemlich gefährlich
Für die Europäer gibt es aber noch ein anderes Problem: Wegen der rückläufigen Produktionsmengen nehmen auch die Importe zu. Tim Koch von der AMI beobachtet: „Vor allem die Rindfleisch aus Südamerika kommt immer mehr zu uns“. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen verweist deshalb auch auf das Mercosur-Abkommen mit den Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Danach würde das Abkommen zu steigenden Rindfleischeinfuhren von knapp 100.000 Tonnen pro Jahr führen – natürlich mit negativen Folgen für die Preise.
Allerdings muss die Vereinbarung noch ratifiziert werden. Einige Länder haben bereits Widerstand angekündigt. Insbesondere die irische und die französische Regierung verweigern ihre Zustimmung. Die EU-Kommission erwartet, dass die EU-Rindfleischimporte jedoch auch ohne Mercosur steigen, denn auch die Kontingente im Rahmen anderer Freihandelsabkommen – wie etwa mit den USA – wurden erhöht.
Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Durch das Handelsabkommen mit Japan und die Aufhebung von BSE-bezogenen Verboten wird der Rindfleischexport der EU 2020 ebenfalls zunehmen. Das stützt wiederum die Preise, denn es kurbelt die Nachfrage an.
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