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Schweinemarkt in der Krise

Schweinehalter in Not - ASP und Corona sind toxische Mischung

Absatzstau bei Schweinen.
am Montag, 05.10.2020 - 09:51 (Jetzt kommentieren)

Schweinemäster und Ferkelerzeuger sind in Not. Der Grund: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Folgen des Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest (ASP).

Beides zusammen ergibt eine toxische Mischung für die Schweinehalter. Zu dieser Einschätzung kommt der Deutsche Raiffeisenverband (DRV). Die Schlachthöfe haben ihre Kapazitäten spürbar reduziert. „In der Folge geraten Sauenhalter, Mäster und Vermarkter immer stärker unter Druck“, sagt Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV).

Im Schlacht- und Nutzviehbereich macht sich aufgrund der großen und weiter zunehmenden Überhänge an Schlachtschweinen mittlerweile Resignation breit. Holzenkamp: „Die Schlachtgewichte der Schweine steigen Woche für Woche und es ist nicht absehbar, dass sich die Situation entschärfen könnte.“ In der Folge wird es immer schwieriger, Ferkel zu vermarkten, da die Mäster immer weniger bereit oder in der Lage sind, neue Tiere einzustallen.

Die Schlachtschweine können nur mit großer Verzögerung abgenommen werden und bleiben somit länger im Stall und wachsen weiter. „Dies kann nicht im Sinne des Tierschutzes sein, aber die Politik scheint das sich verschärfende Problem auf der Erzeuger- und Vermarkterstufe noch gar nicht zu kennen“, kritisiert DRV-Präsident Holzenkamp. Anträge auf Sondergenehmigungen für Schlachtungen an Feiertagen oder auf Arbeitszeitverlängerungen wurden vielfach abgelehnt.

ISN: Ruinöse Preise und Absatz-Stau mit Folgen

Rückstau bei Ferkeln.

Ähnlich schätzt auch die die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) die Lage ein. Es bestehe ein regelrechter „Schweinestau“ heißt es seitens der ISN. „Corona und ASP für sich allein genommen stellen den Schweinemarkt bereits vor riesige Herausforderungen. Dass nun beides zusammenkommt, macht die Lage für Ferkelerzeuger und Mäster gleichermaßen dramatisch“, fasst ISN-Geschäftsführer Torsten Staack die aktuelle Situation zusammen.

Inzwischen reiche der Rückstau bis zu den Ferkelerzeugern, die ihre Tiere nicht mehr an die Mäster loswerden. Fakt ist: „Die aktuell ruinöse Preissituation ist fatal! Wenn dann zusätzlich Ferkelerzeuger und Mäster ihre Tiere nicht vermarkten können, wird die Lage zu einer handfesten Notsituation.“ Die Landwirte wüssten nicht mehr, wohin mit den Tieren. Sie können nicht so schnell umsteuern, sagte der Vizepräsident des niedersächsisches Landvolkes, Jörn Ehlers. Die Zyklen von der Besamung der Sau bis zur Mast im Stall seien lang – „wir haben einen langen Bremsweg“, sagt er.

Auf den Notruf der Schweinezüchter reagieren die Bundesländer unterschiedlich: Das Arbeits- und Sozialministerium in Nordrhein-Westfalen etwa erlaubte für den 3. Oktober die Schlachtung und Grobzerlegung von Schweinefleisch, bestätigte ein Ministeriumssprecher. Im Nachbarland Niedersachsen hingegen sieht die Landesregierung die Kapazität der Schlachthöfe erschöpft. „Wir kennen das Problem und suchen nach Lösungen, aber so kurzfristig ist das nicht umsetzbar“, sagte eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums.

Schlachtbetriebe nur zu 60 bis 75 Prozent ausgelastet

schweinepreise.

Vor allem aus Infektionsschutzgründen haben die Schlacht- und Zerlegebetriebe ihre Schlachtungen heruntergefahren, sagte dazu Heike Harstick, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Fleischwirtschaft. Der Schutz der Mitarbeiter habe oberste Priorität. Außerdem gebe es bereits einen Mangel an Arbeitskräften wegen des Verbots der Werkarbeit, das zum 1. Januar in Kraft treten soll. Auch deswegen stehe für zusätzliche Schichten an Wochenenden kein Personal zur Verfügung.

Für den Branchenführer Tönnies heiße das, dass der größte Schlachthof im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück derzeit nur zu rund 75 Prozent der sonst vorgesehenen Kapazität produziere, erklärte dazu ein Unternehmenssprecher. Der Tönnies-Schlachthof im niedersächsischen Sögel produziere sogar nur zu 60 Prozent. Das zeige, dass bei den Kapazitäten tatsächlich richtig etwas fehle. In Sögel kommt hinzu, dass dort aktuell Corona-Infektionen aufgetreten sind. „Die Schlachtung am 3. Oktober war nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte der Sprecher. Notwendig sei wieder eine langsame Steigerung der Schlachtmengen, natürlich unter Beachtung des Arbeitsschutzes.

Tönnies-Konkurrent Westfleisch in Münster sieht das ähnlich. Da in Nordrhein-Westfalen bis Weihnachten kein weiterer Feiertag anstehe, sei über diesen Hebel keine weitere Entlastung zu erreichen. „Aufgrund der Arbeitszeit- und Arbeitsschutzbedingungen haben Sondergenehmigungen für Wochenenden oder Feiertage zudem lediglich aufschiebende Wirkung, da sich der Freizeitausgleich nur in die kommende Woche verlagert“, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit.

Nachdem die Afrikanische Schweinepest in Deutschland nachgewiesen worden ist, stehen viele Auslandsmärkte nicht mehr für den Export zur Verfügung - die Preise sinken. Aktuell liegt der Schlachtpreis bei 1,27 Euro pro Kilo und ein 25-kg-Ferkel kostete gerade einmal 27 Euro.  Ende 2019 lag der Durchschnittsschlachtpreis noch über 2 Euro und Ferkel wurden für 86 Euro gehandelt! – vor allem wegen des boomenden Absatzes nach China. Damit scheint es jedoch nun für längere Zeit vorbei zu sein

Mit Material von ISN, DRV und DPA

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