Brasilien ist der weltweit größte Rindfleischexporteur. Rund 2 Mio. t Rindfleisch führt das südamerikanische Land jährlich aus, auch in die Europäische Union. Doch der Exporterfolg ist in Gefahr, denn Brasilien hat ein Problem, ein Imageproblem. Seine Agrarexporte werden immer wieder mit der illegalen Brandrodung am Amazonas und in anderen Regenwaldgebieten in Verbindung gebracht.
Einige große Handelsketten aus den Niederlanden, Frankreich, Belgien und in Großbritannien, darunter Albert Heijn und Lidl Niederlande, haben darum jetzt die Notbremse gezogen. Sie listen Rindfleisch und Rindfleischerzeugnisse aus Brasilien ganz oder teilweise aus. Dabei geht es zumeist um Lieferungen von JBS, des weltweit größten Fleischkonzerns.
So funktioniert die „Rinderwäsche“

Den Stein ins Rollen gebracht haben die Repórter Brasil, ein Netzwerk investigativer Journalisten, und die Umweltorganisation Mighty Earth. Gemeinsam haben sie den Ursprung von Rindersteaks, Corned Beef und Trockenfleisch in den Regalen von Albert Heijn, Lidl, Carrefour und Sainsbury’s zurückverfolgt bis auf die Farmen in Brasilien.
Die Reporter deckten ein System auf, das sie „Rinderwäsche“ nennen, angelehnt an die Geldwäsche beispielsweise von Einnahmen aus dem Drogenhandel. Bei der Rinderwäsche werden die Tiere vor der Schlachtung in zwei JBS-Werken in São Paulo kurzzeitig auf Farmen in Regionen gehalten, wo keine oder wenig Entwaldung mehr stattfindet. Das verleiht ihnen eine „saubere“ Herkunft.
Der Brandrodung überführte Farmen unterlaufen das Embargo
Zuvor waren diese Rinder jedoch auf Farmen aufgezogen worden, die durch illegale Brandrodung entstanden. Die Betreiber dieser Farmen sind teilweise nachweislich nach brasilianischem Recht wegen der illegalen Abholzung von Regenwäldern und der Zerstörung von Schutzgebieten verurteilt worden.
Ihre Farmen stehen unter einem Embargo und dürfen eigentlich keine Rinder mehr verkaufen. Das Embargo umgehen sie jedoch, indem sie ihre Tiere lebend an unbelastete Ranches verkaufen, die sie wiederum zur Schlachtung bei JBS abliefern.
Einzelhandel reagiert und listet brasilianisches Rindfleisch aus
Das Unternehmen JBS ist der weltweit größte Rindfleischanbieter. Allein in Brasilien schlachtet der Konzern laut Mighty Earth täglich rund 35.000 Rinder. Die Organisation Mighty Earth konfrontierte den Handelskonzern Ahold Delhaize mit seinen Ketten Albert Heijn und Delhaize sowie weitere Handelsunternehmen mit den Recherchen von Repórter Brasil.
Albert Heijn, Marktführer im Lebensmitteleinzelhandel in den Niederlanden, sagte daraufhin zu, für seine über 1.000 Filialen im Land kein brasilianisches Rindfleisch mehr einzukaufen. Delhaize, eine der größten Ketten in Belgien, und Carrefour Belgien wollen Produkte der JBS-Marke Jack Link’s aus den Regalen nehmen. Lidl Niederlande will ab Januar 2022 sogar vollständig auf Rindfleisch aus Südamerika verzichten.
In Frankreich reagierte die Handelskette Auchan auf die Recherchen und wird künftig kein Trockenfleisch von JBS verkaufen. Die britische Kette Sainsbury’s wird Corned Beef ihrer Eigenmarke nicht mehr aus brasilianischem Rindfleisch herstellen.
Umweltorganisation wirft JBS Kontrollversagen vor
Mighty Earth wirft dem Schlachtkonzern JBS ein glattes Systemversagen bei der Kontrolle seiner Zulieferbetriebe vor.
JBS erklärte gegenüber Repórter Brasil, dass das Unternehmen „keinerlei Respektlosigkeit gegenüber der Umwelt, den indigenen Gemeinschaften oder der brasilianischen Gesetzgebung duldet oder toleriert“. Zum Zeitpunkt des Ankaufs hätten alle in den Recherchen genannten Direktlieferanten den JBS-Auflagen für verantwortungsvollen Einkauf entsprochen.
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