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Pflanzenbaukolumne Kopfdünger

499 Stunden hacken: Die Angst vor dem Unkraut

Rüben hacken mit der Hand
am Freitag, 27.11.2020 - 07:56 (2 Kommentare)

Etwas verrückt muss man sein, aber wir sind stolz auf unsere Rübenernte. Wir nutzen Beikräuter als Zeigerpflanzen für den Boden.

Als wir auf ökologische Landwirtschaft umgestellt haben, nahmen wir uns vor, statt Unkräuter nur noch Beikräuter zu sagen. Es ändert den Blick auf die „spontane Begleitvegetation“. Im Ökolandbau müssen wir mangels schneller chemischer Methoden auch mal einen Acker mit mehr Beiwuchs ertragen.

Erfahrenere Biolandwirtinnen und -landwirte ermutigen uns immer, die Beikräuter als Zeigerpflanzen anzusehen. Sie teilen uns mit, was im Boden vorgeht. Der Ackerschachtelhalm kann beispielsweise Silikatmangel bedeuten, die Distel Bodenverdichtung.

499 Stunden Handarbeit

Dieses Jahr wurden wir auf die Probe gestellt: Nach vier Durchgängen mit dem Hackgerät und 499 Stunden Hacken per Hand in unseren 2,5 ha Zuckerrüben fiel es uns sehr schwer, die unerwünschten Begleiter nicht doch als Unkraut zu bezeichnen.

Immer wieder fragten wir uns: Warum tun wir uns diese Arbeit an und verzichten auf chemische Pflanzenschutzmittel?

Als die Schmerzen in Armen und Rücken nachließen, war die Antwort recht simpel: Wir und unsere Umwelt leiden unter der chemischen Belastung. Wir sehen es an sterbenden Insekten, an belasteten Böden und an Rückständen im Grundwasser. Auch für die, die sie anwenden, sind die Mittel nicht ungefährlich.

Warum Pächter nicht an Ökobetriebe verpachten wollen

Trotzdem haben viele Berufskollegen Bedenken, wenn ihre Felder nicht hundertprozentig beikrautfrei sind. Dabei geht es oft nicht in erster Linie um den Ertrag, sondern darum, was wohl die Nachbarn oder Kollegen denken könnten.

Auch Verpächter haben häufig Sorgen, ihre Äcker an Ökobetriebe zu vergeben - ihre Begründung: Verunkrautung.

Nach dem Rübenschock: Beikräuter als Zeigerpflanzen nutzen

Unser Ansatz seit dem Rübenschock: Auch wenn es schwerfällt, sehen wir die Beikräuter als Zeigerpflanzen. Dabei lernen wir viel über den eigenen Boden und frühere Bewirtschaftungsfehler.

Wir akzeptieren die Pflanzen als Bereicherung für die Biodiversität, solange sie nicht überhand nehmen. in Monokulturen ist nicht viel zu holen für Insekten, Vögel und Co. Wir üben uns in Gelassenheit. Auch einen verunkrauteten Acker bekommt man mit Mechanik und der richtigen Fruchtfolge wieder hin.

Übrigens haben unsere Rüben einen guten Ertrag gebracht. Wenn der Preis stimmt, lohnt sich also auch die intensive Handarbeit.

Zu den Autorinnen: Lucia und Marlene Gruber

Lucia und Marlene Gruber vom Gruberhof Schöfthal

Die beiden Schwestern bewirtschaften einen Bioland-Ackerbaubetrieb in Niederbayern und beschäftigen sich viel mit neuen Kulturen, Fruchtfolgen und Vermarktungsideen.

In Ihren Youtube- und Facebook-Kanälen berichten sie über ihre Arbeit.

Für agrarheute schreiben die Schwestern regelmäßig in unserer Kolumne „Kopfdünger“.

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Dieser Kopfdünger-Beitrag ist in der agrarheute-Ausgabe Dezember 2020 erschienen.

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