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Artenschutz

Agrarumweltmaßnahmen: Das bringen sie wirklich

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am Donnerstag, 02.06.2022 - 16:08 (20 Kommentare)

Agrarumweltmaßnahmen gibt es viele, doch welchen Einfluss haben sie auf die Artenvielfalt? Das wird derzeit untersucht – erste Zwischenergebnisse der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zu Grünland und Gewässerrandstreifen zeigen positive Effekte.

Weniger ist manchmal doch mehr – so lassen sich aktuelle Ergebnisse der LfL zur Biodiversität zusammenfassen. Konkret geht es um die Wirkung von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) auf die Biodiversität. In Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) führt die LfL seit 2019 das Projekt „Evaluierung der Wirkung von Agrarumweltmaßnahmen auf Insekten“ durch.

Die Teilprojekte 1 (AUM in Ackerlandschaften) und 2 (AUM im Grünland) sind an der LfL angesiedelt, das Teilprojekt 3 (AUM im Vertragsnaturschutz (VNP)) am LfU. Ziel dieses Projektes ist es, mit modernen wissenschaftlichen Methoden verlässliche Daten und Fakten zu generieren und Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

72 Grünlandflächen unter die Lupe genommen

Nun haben die Wissenschaftler der LfL erste Ergebnisse vorgestellt und eine positive Zwischenbilanz gezogen. „Auf der Wiese und am Gewässerrand blüht und summt es, wenn Mähwerk und Düngerstreuer seltener zum Einsatz kommen“, heißt es in einer Pressemitteilung dazu. So seien auf extensiv genutztem Grünland deutlich mehr Pflanzenarten und damit auch mehr Bienen und Schmetterlinge zu finden.

Doch wie kommen die Wissenschaftler zu ihren Ergebnissen? Im Projekt zum Grünland wurden in vier grünlandgeprägten Gebieten in Bayern (Bayerischer Wald, Ostallgäu, Chiemgau und Vorderer Oberpfälzer Wald) in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt 72 Grünlandflächen untersucht. Diese Flächen hatten je zu einem Drittel keine Agrarumweltmaßnahme, eine betriebsbezogene oder eine flächenbezogene Agrarumweltmaßnahme.

Flächenbezogene Agrarumweltmaßnahmen bringen mehr

„Insbesondere flächenbezogene Agrarumweltmaßnahmen wie eine extensive Grünlandnutzung führen zu mehr Artenvielfalt bei Insekten“, erklärte LfL-Präsident Stephan Sedlmayer bei der gemeinsamen Vorstellung der LfL-Forschungsergebnisse mit der bayerischen Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Michaela Kaniber in Hochstadt (Lks. Starnberg). „Vor allem blütenbesuchende Insektengruppen wie Tagfalter, Wildbienen und Schwebfliegen, die häufig eine wichtige Funktion als Bestäuber erfüllen, profitieren von diesen Maßnahmen.“

Für einige Artengruppen ist die Wirkung auch abhängig von der umgebenden Landschaft. Auf den 24 Grünlandflächen mit einer flächenbezogenen Agrarumweltmaßnahme waren über eine Fangzeit von je drei Wochen in der Summe 1611 Insektenarten nachweisbar und damit 17 Prozent mehr als auf Flächen ohne eine Agrarumweltmaßnahme. Zur Bestimmung der Biodiversität wurden moderne genetische Methoden (DNA-Metabarcoding) eingesetzt.

Extensives Grünland überdurchschnittlich artenreich

Auch im LfL-Grünlandmonitoring zeigt sich der positive Effekt von Agrarumweltmaßnahmen auf die Biodiversität: Seit 2002 werden mehr als 2500 Kleinflächen in ganz Bayern untersucht. „Im Mittel haben Grünlandflächen mit einer Agrarumweltmaßnahme eine höhere Pflanzenartenzahl aufgewiesen als Flächen ohne Agrarumweltmaßnahmen“, sagte Sedlmayer. „Etwa 20 Prozent der Flächen waren mit 25 und mehr Arten je 25 Quadratmeter sogar artenreich.“

Deutlich über dem Durchschnitt lagen Agrarumweltmaßnahmen zur Grünlandextensivierung, zum Beispiel die Maßnahmen „Später erster Schnitt (1. Juli)“ und „Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutz entlang von Gewässern und in sonstigen sensiblen Gebieten“, sowie ökologisch bewirtschaftete Grünlandflächen. Seit 2015 können artenreiche Flächen über den Nachweis von Kennarten eine Förderung erhalten.

Gewässerrandstreifen fördern Insektenbiomasse

Auch in ackerbaulich geprägten Gebieten lässt sich einiges machen. Zum Beispiel mit Gewässerrandstreifen. Sie helfen nicht nur, den Erosions- und Gewässerschutz bei Starkregen zu verbessern, sondern stärken auch die Biomasse und die Artenvielfalt bei Insekten. So konnte auf Flächen mit Gewässerrandstreifen im Vergleich zu Flächen ohne Gewässerrandstreifen im Mittel 40 % mehr Insektenbiomasse und eine um 16 % höhere Artenvielfalt festgestellt werden.

Die Untersuchungen wurden 2019 und 2020 in vier vorwiegend ackerbaulich genutzten Regionen im Naturraum des Unterbayerischen Hügellands durchgeführt. Angrenzend an kleine Fließgewässer wurden dabei 25 Flächen mit und 15 ohne Gewässerrandstreifen untersucht. Dabei zeigte sich, dass Schmetterlinge besonders profitieren – ihre Artenvielfalt steigt dank Gewässerrandstreifen um 45 %.

Auch Schwebfliegen, die eine bedeutende Rolle als Bestäuber und Schädlingsregulatoren in Agrarökosystemen übernehmen, gehören zu den Gewinnern. Im Mittel wurden über die dreiwöchige Fangperiode 244 Tiere pro Standort gefangen. Bei Gewässerrandstreifen lag der Durchschnitt bei 443 Tieren pro Standort.

Mehr Insekten auf Flächen mit AUM

Seit 2020 müssen an Äckern verpflichtend fünf Meter breite Gewässerrandstreifen angelegt werden. Aus Sicht der LfL-Wissenschaftler verbessert und erweitert diese Maßnahme den Lebensraum für Insekten in ackerbaulich geprägten Gebieten. Zudem werden so Gewässer vor Stoffeinträgen geschützt und der Biotopverbund in Bayern gefördert.

Durch die Förderung von Gewässerrandstreifen über die gesetzlich verpflichtende Kulisse hinaus und ihrer ökologischen Aufwertung können Agrarumweltmaßnahmen dazu beitragen, dass die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft erhalten und weiter gesteigert wird. 1611 Insektenarten waren auf Grünlandflächen mit AUM nachweisbar – das sind 17 % mehr als auf Flächen ohne AUM.

Details zum Forschungsprojekt finden Sie  auf der Webseite der LfL.

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