Die Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel war von Beginn an eines der Hauptziele des Green Deals. Ein neuer Vorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, den Einsatz der chemischen Mittel bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Die geplante Reform des Pflanzenschutzrechts trifft besonders jene Landwirte hart, die in Schutzgebieten wirtschaften. Dort soll der Einsatz der chemischen Pflanzenschutzmittel nach den Plänen der Europäischen Kommission komplett verboten werden.
So will die Kommission den chemischen Pflanzenschutz begrenzen
Ende Juni hat der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, den Entwurf der Verordnung über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln vorgestellt. Sie soll die bisherige Pflanzenschutzrichtlinie ersetzen. Das verschafft Brüssel mehr Kontrolle über das Pflanzenschutzrecht. Ziel der Kommission ist es, den Einsatz und das Risiko chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Als Referenzwert soll der Durchschnitt der ausgebrachten Pflanzenschutzmittel (kg/ha) in den Jahren 2015 bis 2017 gelten. Möglicherweise können bisherige Reduktionsbemühungen angerechnet werden.
Besonders im Fokus der neuen Verordnung stehen die Schutzgebiete. Ein komplettes Verbot von Pflanzenschutzmittel in den Natura-2000-Gebieten soll helfen, die ambitionierten Reduktionsziele zu erreichen. Darunter fallen neben den Flora-Fauna-Habitat-Gebieten (FFH) auch Vogelschutzgebiete. Während die FFH-Gebiete bereits vom Herbizid- und Insektizidverbot im Rahmen des sogenannten Insektenschutzpakets betroffen waren, gab es auf Flächen in Vogelschutzgebieten bislang keine Einschränkungen beim Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel.
Diese Gebiete sind vom Pflanzenschutz-Verbot betroffen
Insgesamt umfassen die Natur-2000-Gebiete 15,4 Prozent der bundesweiten Landfläche. Rund 40 Prozent der Schutzgebiete werden landwirtschaftlich genutzt. In den rund 2 Millionen ha betroffener landwirtschaftlicher Nutzfläche sind sowohl Grünland als auch Ackerfläche enthalten.
Dadurch sind auch landwirtschaftliche Hochertragsflächen von den Plänen der Kommission betroffen. In Nordrhein-Westfalen fällt etwa das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde unter die neue Verordnung. Es umfasst 48.000 ha Fläche in der Soester Börde. Allein im Landkreis Soest darf bald auf 35.000 ha Acker kein chemischer Pflanzenschutz mehr eingesetzt werden.
Diese Kritik üben Landwirte
Der Landwirtschaftliche Kreisverband Soest attackierte die Pläne der Kommission daher kürzlich in einem offenen Brief an die örtlichen Europa-Abgeordneten. „Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Versorgungskrise, insbesondere mit Getreide, macht uns der Entwurf fassungslos“, schreiben die Soester Landwirte. Auch fürchten sie negative Folgen für den Artenschutz durch den Wegfall des chemischen Pflanzenschutzes. Die neuen Regeln könnten eine „Verengung der Fruchtfolge auf hackbare Kulturen wie beispielsweise Mais nach sich ziehen“.
Auch der niedersächsische Milchviehhalter Amos Venema sieht die Pläne der Europäischen Kommission sehr kritisch. Er bewirtschaftet 120 ha im rund 8.500 ha großen Vogelschutzgebiet Nördliches Rheiderland, einem der größten Vogelschutzgebiete Europas. Rund 100 Betriebe betreiben hier zum Großteil Futterbau. Der Schwerpunkt in der Region liegt auf der Milchviehhaltung. „Wenn das so kommt, wie es die EU vorhat, dann zieht uns das wirklich den Stecker“, sagt der Milchviehhalter. „Jedes Jahr kommen neue Einschränkungen auf uns zu. Bald haben wir im Vogelschutzgebiet faktisch die gleichen Regeln wie im Naturschutzgebiet.“
Auch in anderen großen Vogelschutzgebieten im nördlichen Niedersachsen, etwa in der Wesermarsch, hätten die Landwirte große Probleme, berichtet er. Das Rheiderland liegt nicht weit von der niederländischen Grenze. Ähnliche Proteste wie bei den Nachbarn, hält Venema in Zukunft daher nicht für unwahrscheinlich.
Unzufriedenheit bei den Agrarministern
Bei der letzten EU-Agrarministerkonferenz war die Reaktion der Minister auf die geplanten Reduktionsziele und die Einschränkungen in den Schutzgebieten insgesamt ablehnend. Der polnische Staatssekretär Ryszard Bartosik bezeichnete die Vorschläge etwa als „Enttäuschung“.
Mehrere Minister verwiesen auf den aktuell großen Druck aus der Lebensmittelproduktion, die hohen Betriebsmittel- und Verbraucherpreise. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir befürwortet zwar die Pflanzenschutzreduktionsziele der Kommission, die Einbeziehung der Schutzgebiete in die Verordnung und ihre Auswirkungen will er aber zunächst prüfen, da große Bereiche landwirtschaftlicher Nutzflächen betroffen seien.
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