Die neue Gemeinsame Agrarpolitik bringt einige Veränderungen mit sich. Greening und Cross Compliance gehen, es kommt die Konditionalität. Enthalten in den neuen Vorgaben sind verschiedene Standards für einen „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“, abgekürzt GLÖZ. Darunter fallen neben Punkten wie dem Moorschutz auch verschiedene neue Auflagen für den Ackerbau. Darunter sind etwa Pufferzonen an Wasserläufen, Fruchtwechsel und eine dauerhafte Bodendeckung.
Ein besonders umstrittener Punkt in der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik ist die verpflichtende Stilllegung von 4 Prozent der Ackerfläche (GLÖZ 8), die voraussichtlich ab dem 1. Januar 2023 gelten soll. Auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten gibt es Pläne für eine Flächenstilllegung. Eine Besonderheit enthalten die deutschen Pläne zur Flächenstilllegung aber: Auf den verpflichtend angelegten Brachen gilt künftig die Pflicht zur Selbstbegrünung.
Warum gilt die Selbstbegrünungspflicht nur in Deutschland?
„Die deutsche Selbstbegrünungspflicht ist einmalig in der EU. Sie wurde von der Bundesregierung nicht gewünscht, sondern von den Bundesländern mit grüner Regierung, also auch von Baden-Württemberg, verlangt.“ Das sagt Hubert God, Umweltreferent beim Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband. Auch die Agrarminister der Bundesländer stellen mittlerweile fest, dass GLÖZ 8 und die darin enthaltene Pflicht zur Selbstbegrünung auf Brachflächen Schwierigkeiten für die Landwirte mit sich bringt.
Das Ergebnisprotokoll der Agrarministerkonferenz im April hält fest, dass die verpflichtende Selbstbegrünung die Betriebe vor Herausforderungen stellt. Einige Bundesländer hatten auf der Agrarministerkonferenz daher gefordert, die 4%ige Stilllegungsverpflichtung auch für 2023 noch vorübergehend auszusetzen, damit aber letztlich keine Mehrheit im Bundesrat gefunden.
Was bedeutet die Pflicht zur Selbstbegrünung für Landwirte?
Ab der Ernte der Hauptfrucht im Vorjahr müssen die Bewirtschafter 4 % ihrer Agrarflächen ab dem Jahr 2023 als Brachen sich selbst überlassen. Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz, Düngung und Begrünung durch Aussaat sind in diesem Zeitraum verboten. Eine Mahd und das Mulchen sind laut der vom Bundeskabinett beschlossenen Verordnung vom 1. April bis zum 15. August untersagt. Landschaftselemente und Pufferstreifen an Gewässern sollen sich auf die Brachfläche anrechnen lassen.
Der Stilllegungszeitraum gilt grundsätzlich über das ganze Antragsjahr. Die Bearbeitungsruhe für die Brache gilt aber bis zum 15. August, sofern die darauffolgende Kultur erst im nächsten Jahr geerntet wird. Wechselt ein Landwirt eine Brachfläche in die aktive Bewirtschaftung und will beispielsweise Wintergetreide auf der Fläche anbauen, darf er ab dem 15. August mit der Bodenbearbeitung und Aussaat beginnen. Selbstverständlich muss der Landwirt dann andere Flächen als Brachen stilllegen, damit der Mindestanteil von 4 % erhalten bleibt.
Auf welchen Flächen gilt die Selbstbegrünung?
Die Selbstbegrünung gilt nur für die vier Prozent Pflichtbrachen im Rahmen der Konditionalität in der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023. Landwirte können zusätzlich freiwillige Brachen anlegen, die im Rahmen der Ökoregelungen gefördert werden. Obwohl ursprünglich vorgeschlagen, konnten die Landesagrarminister der Grünen hier aus europarechtlichen Gründen keine verpflichtende Selbstbegrünung umsetzen. Das führt dazu, dass Landwirte und Behörden künftig strikt zwischen den beiden verschiedenen Arten von Brachen (freiwillige Brache und Pflichtbrache) unterscheiden müssen.
Warum sehen Landwirte die Selbstbegrünung kritisch?
Viele Praktiker sehen das Ansaatverbot etwa von Blühstreifen auf den Brachen kritisch. So führt die Selbstbegrünung laut dem DLG-Ausschuss für Ackerbau „zu hohem Druck unerwünschter Arten, die auf den angrenzenden Kulturflächen zu erhöhtem Pflanzenschutzmittelaufwand und weiteren Problemen bei der Erhaltung der Brachen und beim Pflanzenbau führen kann“.
Viele Landwirte befürchten etwa, dass sich Ungräser wie der Ackerfuchsschwanz weiter ausbreiten könnten, wenn nach der Ernte der Vorfrucht keine Bodenbearbeitung und kein Pflanzenschutz mehr stattfinden darf. Die Bekämpfung gilt wegen der verbreiteten Herbizidresistenzen ohnehin schon als schwierig.
Verunkrautungspotenzial steigt
Die Berater Hubert Kivelitz und Martin Hoppe von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen beurteilen die Pflicht zur Selbstbegrünung aus Sicht des Integrierten Pflanzenschutzes kritisch: „Entwicklungszyklen von Krankheiten und Schädlingen werden nicht unterbrochen, außerdem wird der Aufbau eines stärkeren Verunkrautungspotenzials hingenommen“.
In einem Arbeitspapier zur Ausgestaltung der Ökoregelungen haben Wissenschaftler des Thünen-Instituts die Wirkungen von Blühstreifen und Selbstbegrünung miteinander verglichen. Blühstreifen bewerteten sie im Vergleich positiver, sofern eine Bodenbedeckung und Durchwurzelung gelängen. Auch ist der Erosionsschutz wirksamer und die Humuswirkung besser. Aus einer einjährigen Brache, mit gegebenenfalls nur schwacher Selbstbegrünung konnten die Forscher hingegen keine zusätzliche positive Wirkung auf den Boden ableiten.
Wie geht es mit der Pflicht zur Selbstbegrünung weiter?
Die aktuellen Pläne Deutschlands zur Gemeinsamen Agrarpolitik müssen von der Europäischen Kommission freigegeben werden. Die offizielle Rückmeldung zu den deutschen Vorschlägen, der sogenannte „Observation letter“, ging am 20. Mai im Bundeslandwirtschaftsministerium ein. Die unter GLÖZ 8 genannte Pflicht zur Selbstbegrünung von verpflichtenden Brachen stellt die Kommission darin nicht in Frage.
Die Behörde fordert im Gegenteil sogar „das Datum, ab dem die Wiederaufnahme der Erzeugung auf Brachflächen zulässig ist, nach hinten zu verschieben“. Allerdings will die EU-Kommission von Deutschland auch wissen, was genau mit Selbstbegrünung gemeint ist.
Was wären Alternativen zur Selbstbegrünung von Brachflächen?
Im Protokoll der Agrarministerkonferenz präsentieren die Minister einstimmig ihre eigene Strategie zum Vermeiden von Unkräutern: „Hier könnte die Vielfältigkeit der landwirtschaftlichen Praxis berücksichtigt werden, indem Untersaaten oder bestimmte Vorfrüchte für die Stilllegungsflächen nicht ausgeschlossen werden. So könnten zum Beispiel wüchsige Vorfrüchte wie Kleegras oder Ackerfutter nach der letzten Ernte stehen gelassen und als Brachfläche im Antragsjahr genutzt werden.“ Das ist jedoch nur ein Vorschlag seitens der Agrarminister an das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Offiziell gilt das für die Landwirte in Deutschland nicht. Hubert God vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband schlägt verschieden Strategien vor, um mit der Pflicht zur Selbstbegrünung umzugehen. Betriebe mit Ackerfutterbau könnten den betreffenden Schlag beispielsweise mit Ackerfutter einsäen und nach dem letzten Schnitt der Selbstbegrünung überlassen. Eine weitere Möglichkeit wäre das Verlagern der Stilllegung im Rahmen eines Bewirtschaftungsvertrag: Ein Kooperationsbetrieb könnte dazu Flächen bereitstellen.
Wie können sich Landwirte in 2022 auf die Selbstbegrünungspflicht vorbereiten?
In diesem Jahr haben die Landwirte noch weitgehend freie Hand. So ist es 2022 noch bis in den Herbst möglich, gezielt Flächen anzulegen, die sich mehrjährig für die GLÖZ-8-Maßnahmen nutzen lassen. Die GAP macht keine Vorgaben zum Einbau der GLÖZ-Flächen in die Fruchtfolge, sodass das gezielte Anlegen mehrjähriger Brachen möglich ist.
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