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Düngeverordnung +++ Aktualisiert: 12.08.2020 +++

Ausweisung Roter Gebiete: Das soll bundeseinheitlich Vorschrift werden

Nitratmesstelle
am Mittwoch, 12.08.2020 - 11:36 (3 Kommentare)

Die Zahl und die Qualität der Messstellen für Nitrat soll endlich besser werden. Den miserablen Zustand des Messsystems für das Grundwasser hatten Betroffene angeprangert. Heute hat das Kabinett dazu eine neue Verwaltungsvorschrift beschlossen.

Bisher werden nitratbelastete rote Gebiete von den Bundesländern unterschiedlich ausgewiesen. Das unzulängliche System führte zu Unverständnis, Fassungslosigkeit bei den Betroffenen und ersten Klagen.

Künftig soll es ein bundeseinheitliches Vorgehen mit klaren Kriterien geben. Eine entsprechende Verwaltungsvorschrift des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat das Kabinett heute beschlossen.

Auf 50 Quadratkilometer künftig mindestens eine Messstelle

Die Kriterien für die Vereinheitlichung des Messstellennetzes wurden von von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet. Sie sind jetzt in dem Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) festgelegt. Wichtig dabei sind

  • qualitative Verbesserungen bei den Anforderungen an die Messstellen und
  • die verbindliche Festlegung einer Mindestdichte an Messstellen für Grundwasser.

Auf 50 Quadratkilometer soll es künftig mindestens eine Messstelle geben. Die Ausweisung roter Gebiete muss zudem alle vier Jahre überprüft werden. Die dabei zugrunde gelegten Daten dürfen nicht älter als 48 Monate sein.

In diesem Turnus ist die Verwaltungsvorschrift deckungsgleich mit der EU-Nitratrichtlinie zu überprüfen. Das soll dafür sorgen, dass die Anstrengungen der Landwirte für eine bessere Nährstoffeffizienz bei der Ausweisung der roten Gebiete auch berücksichtigt werden können.

Das soll sich bei der Ausweisung roter Gebiete im Detail ändern

  • Künftig werden auch die Standortfaktoren, etwa Bodenart oder Grundwasserbildung und die Nährstoffflüsse aus der landwirtschaftlichen Nutzung mit in die Berechnung einbezogen. Das ist wichtig für die Binnendifferenzierung.
  • Zudem wird ein eigenes Messnetz verbindlich festgeschrieben. Das setzt sich aus den unterschiedlichen Messnetzen von EU-Wasserrahmenrichtlinie, EU-Nitrat- und EUA-Messnetz zusammen. Das soll eine bessere Datengrundlage bringen.
  • Das Messnetz soll nur "landwirtschaftlich beeinflusste Messstellen" umfassen.
  • Für diese Messstellen werden qualitative Anforderungen beschrieben und die erforderliche Dichte des Messnetzes festgelegt.
  • Einzelbetriebliche Daten können bei der Festlegung der roten Gebiete berücksichtigt werden, wenn sie validiert sind. Das soll helfen, einzelne Flächen von Betrieben aus der Gebietskulisse herauszunehmen.

Neben Nitrat auch weitere Regeln zu Phosphor und Bodenabtrag

Mit der Vorschrift soll auch bei der Eutrophierung durch Phosphor (P) transparent festgelegt werden, ab wann Einträge aus landwirtschaftlichen Quellen statistisch nachweisbar werden. Auch dann sollen belastete rote Gebiet ausgewiesen werden.

  • Signifikante Nährstoffeinträge aus landwirtschaftlichen Quellen liegen vor, wenn der Anteil der P-Einträge aus der Düngung am gesamten P-Eintrag größer als 20 Prozent ist.
  • Zusätzlich werden eigene Schwellenwerte für den tolerierbaren Abtrag von Boden eingeführt.
  • Durch Phosphat eutrophierte Gebiete müssen nicht ausgewiesen werden, wenn der Eintrag überwiegend aus Punktquellen stammt und eine Anpassung der Düngung nicht zu einer Verbesserung der Nährstoffbelastung führen würde. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Eintrag über den Ablauf einer Kläranlage erfolgt.

Entwurf der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Düngeverordnung

Klöckner: Unmut der Landwirte ist verständlich

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner

Laut Bundeslandwirtschaftministerin Julia Klöckner sind die bundeseinheitlichen Kriterien „ein wichtiger Schritt für mehr Fairness, Verursachergerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit.“ Das unterschiedliche Vorgehen der Länder habe zu verständlichem Unmut bei den Landwirten geführt, stellte die Ministerin fest.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte, mit der Verwaltungsvorschrift werde dem Verursacherprinzip stärker Rechnung getragen. Zusammen mit dem Anfang Mai erneut novellierten Düngerecht gebe es nun eine solide Grundlage, um die Nitratbelastung des Grundwassers und die Nährstoffbelastung von Gewässern zu verringern.

Erheblichen Nachbesserungsbedarf bei der Verwaltungsvorschrift sieht der Deutsche Bauernverband (DBV). Betriebe, die im Einzugsgebiet von unbelasteten Grundwassermessstellen liegen oder die ordnungsgemäß wirtschaften, dürften nicht ungerechtfertigt mit den neuen, verschärften Auflagen für so genannte „rote Gebiete“ überzogen werden, forderte der DBV.

Für nach wie vor völlig inakzeptabel hält der Bauernverband die Regeln zu Phosphat: Mit der von der Bundesregierung vorgesehenen Signifikanzschwelle von 20 Prozent müssten Landwirte bereits dann strenge Auflagen erfüllen, wenn 80 Prozent der Einträge nicht aus der Landwirtschaft stammten, kritisierte der DBV.

Ausweisung roter Gebiete wird zehnmal teurer als gedacht

Bemerkenswert ist, dass die einheitliche Ausweisung der roten Gebiete die Länder offenbar zehnmal teurer zu stehen kommt, als ursprünglich erwartet. In einem Entwurf der Verwaltungsvorschrift vom Juni war der Erfüllungsaufwand für die Länder noch auf einmalig 2,4 Mio. Euro beziffert worden. Jetzt rechnet der Bund mit einem Einmalaufwand von 18,9 Mio. Euro plus jährlich 9 Mio. Euro. Der betroffenen Wirtschaft soll laut Angaben der Bundesregierung durch die Verwaltungsvorschrift kein Erfüllungsaufwand entstehen.

Am 18. September 2020 wird sich der Bundesrat mit der Verwaltungsvorschrift befassen, sodass sie bis Ende September in Kraft treten könnte. Den Ländern bliebe dann noch Zeit bis zum Jahresende, die belasteten Gebiete neu auszuweisen.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel ist eine aktualisierte Version eines Vorabberichts, der am 26. Juni 2020 erschienen ist.

Mit Material von BMEL
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