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Vorraatsschutz

Beetle-Sound-Tube: Lauscher im Getreidelager bekämpfen Schädlinge

Frühwarnsystem_Beetle-Sound-Tube
am Montag, 08.07.2019 - 14:23

Schädlinge im Getreidelager verraten sich durch ihre Fressgeräusche. Neuste Abhörtechnik belauscht die Käfer. Die Beetle-Sound-Tube soll helfen, sie zielgerichtet mit Nützlingen zu bekämpfen: So funktioniert das Frühwarnsystem.

Es krabbelt, schmatzt und raschelt. Rita Neumann vom Gut Schmerwitz muss schmunzeln, wenn sie die eigenartigen Geräusche der Larven aus dem Lautsprecher hört. In ihrem Getreidesilo im brandenburgischen Wiesenburg testen Forscher ein Frühwarnsystem, das Insektenbefall ermittelt: Die Beetle-Sound-Tube erkennt Vorratsschädlinge am Sound.

Keine Chance für Plattkäfer, Kapuziner und Co.

Keine Chance für Getreideplattkäfer, Kapuziner, Reismehl- oder Leistenkopfplattkäfer: Bisher macht sich Befall oft erst bemerkbar, wenn die Temperatur im Lager ansteigt, die Feuchtigkeit sich erhöht oder die ersten Käfer schon krabbeln. Solchen Zeichen für Massenbefall beugen die neuen Schallröhren vor.

„Künftig werten wir damit womöglich akustische Signale am Computer aus“, sagt die Betriebsleiterin. „Je früher wir von einem möglichen Befall wissen, desto geringer ist unser Aufwand, die Schädlinge zu bekämpfen.“ Mit dem System will die Chefin des 1.500-ha-Bioland-Betriebs im Hohen Fläming bei Potsdam ihr Lager künftig schädlingsfrei halten.

So funktioniert die Beetle-Sound-Tube

Silo-Beetle-Sound-Tube

Der Schlüssel dazu ist ein elektronisches Ohr: Das besteht aus durchlöcherten Röhren, die von oben ins Getreidesilo gehängt werden. Sie bündeln den Schall und funktionieren gleichzeitig als Käferfalle. In jeder Röhre hängt ein empfindliches Mikrofon, das Schadinsekten belauscht.

Die Lauf- und Fraßgeräusche werden damit hörbar gemacht und digital ausgewertet. So lässt sich nicht nur die Schädlingsart bestimmen, sondern auch deren Dichte. Das soll eine zielgenaue Bekämpfung ermöglichen.

Weiter soll der frühe Nachweis der Käfer chemischen Vorratsschutz womöglich komplett überflüssig machen. Stattdessen kommen Nützlinge zum Einsatz, meist Erzwespenarten oder Schlupfwespen. Auch dafür wird das Röhrensystem entwickelt.

„Die Nutzinsekten kommen direkt in die Röhren. So gelangen sie leichter zu den Schadinsekten“, sagt Dr. Christina Müller-Blenkle vom Julius Kühn-Institut (JKI). Sie betreut das Projekt in Schmerwitz und vier anderen Betrieben. Die Firma agrathaer in Müncheberg koordiniert es. „Die Idee schont Ressourcen“, so Isabell Szallies von dem Projektträger.

Schädlinge durch Geräusche erkennen

Erste Versuche mit der Beetle-Sound-Tube wiesen Kornkäfer in Weizen acht Wochen früher nach als bisherige Methoden. „Direkt nach dem Schlupf der Käfer waren schon Geräusche in der Rohrfalle zu hören“, sagt Müller-Blenkle. In Kleinversuchen hat das System ebenso funktioniert. 2018 hat sie es in einem 74-t-Silo getestet.

2019 wird die Installation im 300-t-Silo, im Flachlager und in Bigbags erprobt. Die Akustiksoftware kommt von der Firma Müller-BBM aus Planegg in Bayern. Beteiligt am Projekt sind neben der Agrartechnik Barnim der Kreisbauernverband und die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg, weiter der Biohof SteinReich, die BayWa Hohenseefeld, die Belziger Kraftfutter sowie die Firma Weda aus Lutten in Niedersachsen.

Vorratsschädlinge besser im Griff

Beetle-Sound-Tube-Rohr-im-Getreide

Sie alle wollen Vorratsschädlinge besser bekämpfen. Oft fällt ein Befall überhaupt erst bei großen Insektenmengen auf. In dem Fall ist es meist schon spät und es gibt deutliche Verluste. Die Gefahr von Schimmel und Pilzgiften steigt. Das bedeutet heftige finanzielle Einbußen.

Zudem werden Kosten für Vorratsschutz-Präparate nötig. „Im schlimmsten Fall muss befallenes Getreide als geringwertiges Verkaufsgut verramscht oder sogar entsorgt werden“, sagt Rita Neumann. Ihr wäre in so einem Fall nicht zum Schmunzeln zumute. Das Schmatzen der Käfer aus der Beetle-Sound-Tube wird künftig wohl noch mehr Anwender zum Schmunzeln bringen. 

Mehr zur Beetle-Sound-Tube lesen Sie in der Print-Ausgabe von agrarheute 6/2019 ab Seite 108.

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