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Trinkwassserschutz

Düngeverordnung: Darum klagen Bauern gegen Ausweisung roter Gebiete

Rund 30 bayerische Landwirte klagen vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Abgrenzungen der roten Gebiete nach Modellierungen halten sie für zu pauschal. Weitere Praktiker fordern bereits, die Düngeverordnung komplett auszusetzen.

am Samstag, 26.02.2022 - 06:30

2018 war noch rund ein Viertel Bayerns rotes Gebiet. 2021 wurde mit den Modellrechnungen die Hälfte davon wieder grün. Künftig werden die nitratsensiblen Gebiete wahrscheinlich wieder größer, weil die Bundesregierung neue Vorschläge in Brüssel vorgelegt hat.

Die Gebietsabgrenzungen dürften somit noch lange Ärger machen. Die Sendung 'Unser Land' vom Bayerischen Rundfunk zeigt die Probleme.

Modellierungen und Berechnungen treffen die Realität nicht

Der Weizen von Franz Mittermeier steht genau an der Grenze: Auf der einen Seite des Feldwegs wächst er im roten, auf der anderen im grünen Gebiet, beider in unmittelbarer Nähe zur Donau. Links des Weges muss er 20 Prozent weniger düngen als rechts.

Für den Landwirt aus Osterhofen im Kreis Deggendorf macht das keinen Sinn. Die Messstelle liegt etwa 15 km weit entfernt. Die Modellierung hat mit der Realität wenig zu tun: „Das läuft irgendwie von oben herab, mit irgendwelchen Berechnungsgrundlagen, die aber anscheinend auf die Realität nicht zutreffen“, klagt der Landwirt.

Gebietsabgrenzungen sind wenig verständlich und oft nicht nachvollziehbar

Die Berechnungen sind für ihn „unverständlich“ und „nicht nachvollziehbar“. Deswegen hat Mittermeier vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklagt, wie die Gebiete ausgewiesen werden. Dahinter steht die Frage, wer wirklich Schuld hat an zu viel Nitrat im Grundwasser.

Auch Nachbar Stefan Weigl klagt gegen die Düngeverordnung. Der Biogasanlagenbetreiber versorgt rund 2.000 Haushalte mit Strom und knapp 100 Häuser mit Wärme. Er hat für seine Gärreste nun zu wenig Lagerraum, weil die Ausbringzeiten verkürzt wurden und er nur noch im Frühjahr Gärreste fahren darf. Dabei hat er den Güllebehälter gerade erst vor fünf Jahren gebaut, 2016 dafür rund 200.000 Euro investiert. „Der gleiche kostet momentan rund 300.000 Euro“, sagt Weigl.

Nitratmesswerte im Trinkwasser liegen oft weit unter dem Grenzwert

Die Landwirte fühlen sich ungerecht behandelt. Sie liegen mit ihren Äckern und Betrieben in roten Gebieten, dürfen dort weniger düngen und beklagen deutlich niedrigere Erträge. Und das, obwohl die Nitrat-Messstellen kilometerweit entfernt sind. Die Nitratmesswerte ihrer eigenen Brunnen liegen weit unter dem Nitrat-Grenzwert.

30 Klagen gegen die Düngeverordnung bearbeitet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Der EU ist die deutsche Verordnung insgesamt zu lasch. Die Trinkwasserversorger fürchten um die Qualität des Grundwassers. Nur die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft und das Bayerische Landwirtschaftsministerium sind mit den Modellrechnungen zufrieden.

Forderungen nach kompletter Aussetzung der Düngeverordnung mit allen Auflagen

Viele Landwirte fordern die Bundesregierung jetzt bereits auf, die Düngeverordnung komplett auszusetzen. Und auch die Planungen für eine Ausweitung der roten Gebiete sollten etwa nach Forderungen der ‚Freien Bauern‘, einer „Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe in Deutschland“, auf Eis gelegt werden.

"Angesichts der gravierenden Düngerknappheit, die sich noch verschärfen wird, müssen wir alle verfügbaren Nährstoffe an die Pflanzen bringen und dürfen die Betriebe nirgendwo mit irgendwelchen fachlich ohnehin umstrittenen Auflagen einschränken“, sagt Jens Soeken aus Timmel im niedersächsischen Ostfriesland.

Mit Material von BR, Freie Bauern
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